Rückblick
2007 bis heute
Bilder, Berichte & Kritiken
2023
Gabriel Bianco
© Klaus Lipinski
Schon nach wenigen Momenten war alles klar: Auf der Bühne der Sythener Gitarrentage sitzt ein Mann, der alles über Musik weiß, der alles auf seinem Instrument kann. Gabriel Bianco ist einer der besten Musiker, die je in Haltern am See aufgetreten sind. Ein Impressionist auf der Gitarre, über den seine Hörer noch lange staunen werden. Die feierten ihn bei den Sythener Gitarrentagen mit stehenden Ovationen für ein hochspannendes Konzert, in dem jede Interpretation zu einem kleinen Juwel wurde. Egal ob Fernando Sor, Augustin Barrios, Mauro Giuliani, Tárrega oder die viel zu selten gespielte Sonate von Antonio José.
Der junge Gitarrist aus Paris verfügt über die Ausdruckskraft und Ruhe eines großen Schauspielers und benutzt dabei, ähnlich wie dieser, einen frei wirkenden Umgang mit der Zeit und eine enorm variable Palette an Klangfarben. Eine sehr persönliche Note erhalten seine Interpretation auf diese Art. Als wären sie spontan aus dem Moment erschaffen.
Die erste der Gnossiennes von Eric Satie zeigte als Zugabe noch einmal wichtige Teile von Biancos Kunst. Wie zart bewegte Sommerluft, die den Duft der blühenden Natur trägt, schickt er die die Melodielinie in den Raum, möchte sie mit der Hand weiterformen, so als würde der Klang nie enden und hätte bereits im Nichts angefangen. Der gesangliche Charakter der Melodie und ihr sinnvoller Zusammenhalt bestimmen das Tempo und die Klangstruktur. Die Melodie schwebt dabei weit abgehoben und mit leuchtender Intensität über den zarten Akkorden der Mitte, beim warmen und vollen Bass schöpft er stets das Potential einer Gegenstimme aus. Auch die lyrischen Werke von Augustin Barrios wurden so zum sinnlichen Erlebnis: Julia Florida, das Prélude oder die ersten Teile von „La Catedral“.
Selten hört man von Gitarristen ein so schönes und dichtes Kantabilespiel. Jeder Ton mit Bedeutung und Intensität in die Linie eingebunden. Auch die leeren Saiten bindet er nahtlos in diese singenden Linien ein, oft eine Schwäche von Gitarristen.
Die Vielfalt der Farben, die Bianco dabei aus seinem bemerkenswerten Instrument zaubert, steht nicht hinter impressionistischen Malern zurück. Vermutlich eine Gitarre mit interessantem „Double top“, die von Bass bis Flageoletts erstaunlich ausgeglichen wirkte und eine sensible und flexible Balance von Akkorden erlaubte.
Bianco weiß auch analytisch, was er mit der Musik will. Für die Sonate von Antonio José empfand er die verbreitete Verlagsausgabe als unzureichend und griff auf die Handschrift zurück. Nach Biancos hypnotisierender Interpretation wird niemand verstehen, warum eine bedeutende originale Gitarrensonate von einem Komponisten, den Ravel sehr schätzte, eine so geringe Rolle im Repertoire spielt.
In Mauro Giulianis Rossiniana Nr.5 hörte man den Ursprung der Musik in den Arien selten mit so viel Witz und Charme vermittelt. Das galt auch für Fernando Sors Variationen über Mozarts Zauberflöte.
Bianco spielte nie über harmonische Spannung hinweg. Er weiß, wohin die Musik will und lässt sich davontragen. Spannung und ihre Auflösung ergänzen sich ideal und bleiben so sehr natürlich. Für spontane Ideen wie einen hervorgehobenen Orgelpunkt bei Giuliani und in der Sonate war trotzdem immer Platz. Sehr schnell ist Bianco dabei übrigens auch noch. Eben ein Musiker, der alles kann.
Stefan Koim
© Klaus Lipinski
Fehler machen nichts aus. So lange jemand viel riskiert, dabei ein so guter Musiker ist wie Stefan Koim und wirklich alles drumherum richtig macht. Dass der Kopf morgens ab und zu mal schneller denkt als die Finger auf der Gitarre folgen, kann immer mal vorkommen. Erst recht, wenn das Programm auch extreme Anforderungen stellt. Warmherzig und mit einer großen Ruhe spielte Koim sich trotzdem in die Herzen seiner Zuhörer bei den Sythener Gitarrentagen. Eine Ruhe, mit der er sich zu nichts drängen lässt, sondern den gesanglichen Charakter seiner Linien in den Mittelpunkt stellte.
Den Kopf hatte er schon vorher zu einem klug zusammengestellten Programm benutzt, das immer wieder Werke gruppierte, in denen Komponisten aufeinander reagieren. Benjamin Britten mit seinem berühmten „Nocturnal“ auf Dowland, Joaquin Rodrigo auf de Falla oder Milhaud, Gustav Samazeuilh und Albert Roussel auf Segovia.
Von dem ist Koim manchmal gar nicht so weit entfernt, wenn er seinen auffallend vollen Ton auf den tiefen Saiten in den Vordergrund stellt. Farblich ist er dabei enorm variabel. Durch den unterschiedlichen Ort und die Art des Zupfens, etwas schärfer am Steg oder weicher zum Griffbrett überrascht er den Hörer immer wieder. Etwa bei Rodrigos „Invocacion et Danse“, wo die Klangschichten schön differenziert und gestaffelt präsentiert wurden. Zarte Flageoletts über scharf angerissenen, lang klingenden Tönen.
Dowland mag oft so melancholisch wirken, aber wenn man die Betonungen und Längen richtig setzt, hat man häufig bei der Auflösung der erzeugten Spannung eine Menge Töne in kurzer Zeit unterzubringen. Das gelang Koim wirklich sehr gut. Schnell ist er auf jeden Fall und Dowland spätestens bei der Tremolo-Fantasie schwerer zu spielen als man oft denkt.
Mit Brittens „Nocturnal“ op. 70 setzte Koim ein wichtiges Werk der Literatur auf das Programm und zeigte sehr klar die enthaltenen Anklänge an Dowland. Gerade durch die Umrahmung mit seinen Fantasien und Tänzen. Den Ablauf von Brittens Musik präsentiert Koim so sorgfältig sortiert wie alle Werke des Morgens. Der Hörer versteht sofort die Form und hat dabei immer das Gefühl, hier spielt jemand, der seine Komponisten wirklich verstanden hat, der die Intensität ihrer Musik in dem Moment innerlich nachlebt.
Das gilt auch für Debussy und seine tiefgehende Auseinandersetzung mit der spanischen Musik. Er hat leider nicht für die Gitarre komponiert, aber gewidmet wurde ihm unter anderem Manuel de Fallas „Homenaje a Debussy“. Nicht nur beim Zitat aus „Soiree de Grenade“ sang Koims Gitarre auch in spanischer Sprache und spätestens bei Turinas „Fantasia Sevillana“ waren auch die Finger hellwach. Die Zuhörer ohnehin.
2022
Duo Wuttke-Donoso
© Ruhr Nachrichten, 31. August 2022
Duo Wuttke-Donoso begeisterte bei den Sythener Gitarrentagen
Das Duo Friedemann Wuttke (Gitarre) und Lysandre Donoso (Bandoneon) begeistert zum Abschluß der Sythener Schloßkonzerte mit Tango Nuevo von Piazzolla und Barockmusik von Bach und Vivaldi - und schlägt dabei gekonnt einen musikalischen Bogen über Jahrhunderte hinweg.
Ein wunderbar zusammengestelltes Programm und ein Beispiel dafür, wie sich Komponisten unterschiedlichster Schaffensperioden beeinflußten. Von Vivaldi (1678 - 1741), der mit seinen „Vier Jahreszeiten“ einen Dauerbrenner in der klassischen Musik komponiert hat, erklang das „Largo“ (Winter). Doch er war längst nicht der letzte, der den Wechsel der Jahreszeiten als musikalisches Sujet aufgegriffen hat. Auch Astor Piazzolla (1921 - 1992), Begründer des Tango Nuevo, hat etwas zur Gattung beigetragen. In „Las cuatro estaciones porteñas“ (Die vier Jahreszeiten von Buenos Aires) verbindet Piazzolla, angeregt von Vivaldi, Elemente von Klassik, Tango und Jazz. Das war zu hören in den beiden Sätzen Frühling („Primavera Porteña“) und Sommer („Verano Porteño“.) Für das Publikum wunderbar zu hören durch die alternierende Anordnung der Werke - auf Vivaldis Winter folgt Piazzollas Frühling und Sommer, nach dem norditalienischen Winter kommen die subtropischen Temperaturen der argentinischen Metropole.
Davon unterschieden sich die „Five Tango Sensations“, die Piazzolla drei Jahre vor seinem Tod schrieb und die als sein „musikalischer Abschied vom Leben“ verstanden wurden. Sie klangen noch melancholischer.
Nicht nur das Programm mit Piazzolla, Bach und Vivaldi war wunderbar zusammengestellt, auch die beiden Musiker harmonierten hervorragend. Und, das muß an dieser Stelle betont werden, Friedemann Wuttke und Lysandre Donoso trafen sich am Sonntag zum ersten Mal in ihrem Leben, hatten zuvor nie eine Note zusammengespielt. Geschuldet war dies der Tatsache, daß William Sabatier 14 Tage vor seinem Auftritt der KulturStiftung Masthoff eine Absage erteilte, da er „Lukrativeres“ in Aussicht habe.
Friedemann Wuttke machte sich auf die Suche nach einem neuen Partner und wurde mit Lysandre Donoso fündig. Der reiste am Sonntagmorgen aus Paris nach Sythen an und erwies sich als wahrer Glücksgriff. Empfand man Friedemann Wuttkes Spiel anfangs als zu zaghaft, so erwies er sich im Laufe des Konzerts als wertvoller Partner, der sich gekonnt auf das Spiel von Lysandre Donoso einließ. Natürlich „verguckte“ sich das Publikum in den Bandoneon-Spieler: so viel Jugend, so viel Temperament, so viel Können und gleichzeitig Unaufgeregtheit. Aber Friedemann Wuttke war es, der das Programm mit dem jungen Franzosen durch seine musikalische Führung so exzellent meisterte und den Nachmittag zum Erfolg führte.
Für das Duo war der Auftritt ein Erfolg, für die Veranstalter und das Publikum ein Beleg, mit welch künstlerischer Qualität – selbst bei spontanen Musikerwechseln - die Sythener Gitarrentage, die es immerhin seit 15 Jahren gibt, aufwarten.
Gitarrist Wuttke und Bandoneonist Donoso im großartigen Zusammenspiel
Das nachmittägliche Konzert im Rahmen der Gitarrentage 2022 hatte unter dem Titel: „Aufbruch - Piazzolla im Wandel der Jahrhunderte“ eben jenen Schöpfer des Tango Nuevo im Zentrum und mit Werken von Vivaldi und Bach gleichzeitig seine wichtigsten Vorbilder. Wer zu diesem Konzert erschienen war, um neben dem für seine klassischen Interpretationen gerühmten Gitarristen Friedemann Wuttke den überaus bekannten Bandoneonisten William Sabatier zu hören, wurde zunächst enttäuscht – der vielbeschäftigte Künstler hatte es vorgezogen, anderenorts aufzutreten. Seinen Platz im Duo nahm nun der junge Lysandre Donoso, Sohn chilenisch-französischer Eltern ein, der seine musikalische Laufbahn an der Geige begonnen hatte, später aber über das Akkordeon zum Bandoneon wechselte und nun am Beginn einer Karriere auf diesem Instrument steht. Vielleicht vermag der Auftritt vor dem stets neugierigen und begeisterungsfähigen, dabei doch so treuen Publikum im ausverkauften Saal des Sythener Schlosses ja ein weiterer Baustein auf diesem Wege sein.
Daß sich da ein Meister alter Schule und ein Vertreter der jüngeren Generation aufs Beste ergänzten schien sich schon optisch anzukündigen – während Wuttke dem gedruckten Notentext vertraute, bediente sich Donoso neuester digitaler Technik - das musikalische Ergebnis aber bestätigte ein harmonisches Sich- Ergänzen. Die beiden Künstler hatten gleich an den Anfang ein Paradestück zeitloser Komposition gesetzt: das Air aus der Orchestersuite BWV 1068 von Johann Sebastian Bach – „das“ Air schlechthin, dem bis heute selbst die schlimmsten mißbräuchlichen Verwendungen in Werbung etc. nichts anzuhaben vermochten. Dies war freilich beim Duo Wuttke-Donoso nicht zu befürchten. Das Werk klang seiner Entstehungszeit entsprechend ernsthaft und – ja eben barock – aber die Verwendung des Bandoneons brachte eine moderne Klangfarbe hinzu, was eine gute Überleitung zum folgenden Stück „Introduccion et Adios Nonino“ des titelgebenden Astor Piazzolla darstellte. Das zu Beginn des Werkes von Wuttke in großer Ernsthaftigkeit und Konzentration präsentierte Gitarrensolo geht über in eine das Bandoneon inkludierende traurig-klingende Melodie, sehr einfühlsam dargeboten von Donoso. Im Wechsel mit Tangorhythmen kehren diese melodiösen Passagen immer wieder. Das durch häufige Taktwechsel im Gegensatz zum zuvor gehörten „Air“ anspruchsvolle Werk meisterten die Duopartner bis zum sehr ansprechenden Schluß in großartigem Zusammenspiel.
Ein Largo von Antonio Vivaldi (1678-1741) war ein klug gewählter Übergang zu den späteren Ausschnitten der Vier Jahreszeiten von Piazzolla, hatte sich dieser doch in vielen seiner Kompositionen gerade auch an Vivaldi orientiert. In dem unverwechselbar nach Vivaldi klingenden Werk hatte die Gitarre die Melodiestimme und das Bandoneon wirkte als Basso continuo, der schöne Zusammenklang wußte zu begeistern.
Die beiden Sätze „Verano Porteno“ sowie „Primavera Portena“, also Sommer und Frühling, konnten als geradezu idealtypische Piazzolla-Werke genossen werden, in denen perkussive Elemente des Bandoneons zusammen mit zwar tangoartig klingenden, andererseits doch sehr jazzig daherkommenden Passagen verdeutlichten, daß der aus dem Tango Argentino hervorgegangene Tango Nuevo eben eher nur noch zum genußvollen Hören, denn zum Tanzen gedacht war. Dies wurde im sehr kraftvoll gespielten und eine enorme Virtuosität im Bandoneon erfordernden Frühling noch deutlicher, wiewohl dieses Stück durchaus auch lieblicher klingende Zwischenspiele anbot bis es zu seinem abrupten Ende gelangte.
Und obgleich auch das folgende Adagio von Johann Sebastian Bach mit fein ausgearbeiteten Melodiestimmen durchaus hohe musikalische Ansprüche an die Künstler stellte, versetzte es doch die Zuhörer nach den etwas brachialen Klängen der Piazzolla-Jahreszeiten in eine wohlig-harmonischere Stimmung, aus der sie aber rasch wieder herausgerissen wurden. Denn während „Chiquilin de Bachin“ - es geht um einen kleinen Jungen, der am Café Bachin in Buenos Aires bettelt - noch vergleichsweise ruhig, ja dem Thema entsprechend traurig daherkommt, klingt „Escualo“, „der Haifisch“ sehr modern, porträtiert die spitzen Zähne und die Aggressivität des Haifischs durch rasches Tempo und repetitives Beharren auf bestimmten Figuren und wird lauter – böser? – und findet ein rasantes Ende, nachdem in gleichverteilten Rollen die Duopartner höchste Virtuosität zu präsentieren hatten.
Der zweite Teil des Konzerts nach der Pause war dann ausschließlich Astor Piazzolla gewidmet mit seinem nur drei Jahre vor seinem Tod entstandenen „Five Tango Sensations“, die in ihrer Titelgebung Hinweise auf Piazollas Krankheit vermuten lassen - von „Schlafend“, Liebend“ über „Angst“ und „Erwachen“ zurück zur „Angst“ oder besser Furcht. Und so glaubt man in manchen Passagen die (tango)träumende Ruhe des Schlafes zu hören, während das Klopfen auf der Gitarre dazu verstörend wirkt. Das Lieben kommt zum Ausdruck durch einen choralartigen Beginn, es wirkt in sich harmonischer als der erste Teil, hat aber ein seltsam polychromes Ende. In krassem Gegensatz dazu, wie ein Verzweiflungsschrei, erklingt dann der dritte Abschnitt, der gehetzt-stampfende Rhythmus schreitet im Bandoneon unbeirrbar fort, während die Gitarre ihre Melodie verfolgt. Auch das Erwachen ist eher verstörend als befreiend, eher wie die Wahrnehmung einer bitteren Wahrheit, etwas versöhnlichere Klänge scheinen zu symbolisieren, sich mit ihr angefreundet zu haben. Im fugenartigen Aufbau des letzten Abschnitts tritt zunächst das Bandoneon auf, um in immer vertrackteren Rhythmen die Gitarre miteinzubeziehen. Am Schluß scheint alles in einer angstvollen Frage zu kulminieren. Für dieses großartig interpretierte Werk erhielten die Künstler tosenden Beifall, der sich noch steigerte als das Publikum erfuhr, daß die beiden vorher niemals zusammen gespielt oder geprobt hatten, was auch die Wahl ihrer Zugabe, eine Wiederholung des „Chiquilin de Bachin“ erklärte. So war es wohl eher ein Gewinn, diesen vielversprechenden jungen Bandoneonisten zusammen mit dem erfahrenen Friedemann Wuttke kennengelernt zu haben als ein Verlust ob der Absage von William Sabatier.
Heidi Siegel
Aguirre
Atemberaubend rasantes Spiel und beeindruckende Musikalität
Auch der zweite Konzertsonntag in der Reihe der Schloßkonzerte anläßlich der Sythener Gitarrentage war ein voller Erfolg. Wer alle vier Konzerte gehört hatte, hätte sich wahrscheinlich nur schwer entscheiden können, welchem er den ersten Platz in seiner Gunst eingeräumt hätte. Zum Glück aber geht es nicht um Konkurrenz, sondern um musikalischen Genuss und dafür sorgte der Umstand, daß alle vier Konzerte nicht nur von herausragender künstlerischer Qualität waren, sondern auch durchaus unterschiedlichen Charakters.
Bei seiner Begrüßung vermerkte Dr. Masthoff, daß jemand schon beim ersten Auftritt des damals noch recht unbekannten Gitarristen Rafael Aguirre in Sythen vor einigen Jahren ihm eine glänzende Laufbahn prophezeit hatte – heute ist er tatsächlich weltberühmt, mit unzähligen Preisen ausgezeichnet und kann auf Auftritte in allen bedeutenden Konzertsälen der Welt und mit einer Vielzahl großer Orchester zurückblicken. Um so glücklicher konnte sich das Publikum im ausverkauften Torsaal schätzen, daß der überaus sympathische junge Künstler eigens für dieses Konzert aus Madrid, wo er nun seinen Lebensmittelpunkt hat, im kleinen Sythen eingeflogen war.
Sein Programm, dessen einzelne Werke Rafael Aguirre den Zuhörern in lockerem Plauderton, gewürzt mit kurzweiligen Anekdoten, vorstellte, war mit „Latin emotions“ betitelt. Es begann mit „Evocatión n° 2“ von Antón García Abril (1933-2021), der dem Alter nach zwar in der Neuzeit zu verorten ist, dessen von durchgängig angenehmer Melodiosität geprägtes Stück aber in eher konventionellem Rahmen blieb. Nach dem zuletzt mit komplizierten Läufen und starken Akkorden gestalteten Schluss gab es gleich den ersten tosenden Beifall des Vormittags. Anschließend ging es mit „Olé mi Cádiz“ von Niño Sabicas (1912-1990) und des Zeitgenossen Esteban de Sanlúcars „Panaderos flamencos“ ins pralle südliche Leben, insbesondere die Flamenco-Rhythmen ließen die Füße zucken. Rafael Aguirre präsentierte diese anspruchsvollen Werke mit nahezu schlafwandlerischer Sicherheit und beeindruckender Musikalität, natürlich alle auswendig. Seine teils launigen Bemerkungen, auch über berühmte Gitarristenkollegen, die dabei aber keinesfalls respektlos waren, standen in charmantem Gegensatz zur totalen Hingabe an sein ausdrucksstarkes, von feiner Dynamik geprägtes Spiel. Vom Gitarren-Altmeister Francisco Tárrega (1854-1909) stammte das Stück „Capricho árabe“, das eins ums andere Mal das schier unbegrenzt scheinende technische Potential Aguirres offenbarte; auch hier wollte der Beifall für das atemberaubend rasante Spiel kaum ein Ende nehmen. Das folgende Werk des für seine Neukonzeption des Tangos berühmten Astor Piazolla (1921-1992) glänzte mit eher Piazolla-untypischen sanften Passagen, es vermittelte den Eindruck eines schönen Sommersonntags, der gleichwohl von gewisser Wehmut geprägt war. In den dazwischen immer wieder aufscheinenden Tango-typischen Anklängen meinte man Paare in einer Mischung aus Aggression und Laszivität über eine Tanzfläche gleiten zu sehen.
Nach der Pause ging es weiter mit „Misionera“, benannt nach einer Region in Paraguay und komponiert von Fernando Bustamante (1915-1979), der als Pianist, Komponist und Arrangeur bekannt war und nach Aussage Aguirres als stets elegant gekleideter Mann auftrat. Das ursprünglich für Harfe komponierte Werk existiert in zahlreichen Fassungen für verschiedenste Instrumente, jene für Gitarre ist eine der bekanntesten. Durchlaufend wellenartige Rhythmen und sich wiederholende Figuren wechseln sich ab mit kräftigeren Akkorden und mit absoluten Pianissimo-Stellen, die Aguirre mit paßgenauer Dynamik zu präsentieren wusste. Auch das wohlbekannte Werk „Gymnopédie Nr. 1“ des französischen Exzentrikers Erik Satie, ursprünglich für Klavier geschaffen, klang hier überaus überzeugend auf der Gitarre – freilich kein Wunder bei diesem absolut meisterhaften Spiel. Zum vorletzten Stück „Sueño en la Floresta“ des Komponisten Agustín Barrios (1885-1944), eines in Paraguay geborenen Gitarristen, schlug Rafal Aguirre vor, sich die Natur im Regenwald vorzustellen, was bei geschlossenen Augen nicht schwerfiel – der sehr melodische, träumerische Beginn kündete von friedvoller Natur, hinzu kamen volkstümlich klingende Weisen. Mit seinem ruhig-sanften gefühlvollen Ende war dieses ganze Stück gewissermaßen Balsam für die Seele und ließ alles krisenhafte Geschehen der Welt unserer Tage vergessen. Einen rechten Gegensatz dazu bildete der „Carnaval de Venecia“ des bereits erwähnten Francisco Tárrega, wo sich nach tiefem Beginn Flirrend-Buntes, vermittelt durch Flageolettklänge breitmachte, abgelöst von der bekannten Melodie des ursprünglich aus Neapel stammenden „Mein Hut, der hat drei Ecken“, populär gemacht von Paganini, und auch hier in einer Fülle von vertracktesten Variationen bis zum an Katzengeheul gemahnendes Glissando dargeboten. Für diesen Höllenritt durch alle möglichen und unmöglichen Griffe und Techniken gab es natürlich riesigen Beifall - und als erste von drei Zugaben eine, die die Geschichte dreier Ratten und der Polizei in eingängige Musik umsetzte. Als zweite, mit noch größerem Jubel bedachte Zugabe erklang das bekannte „Granada“, hier von einem spanisch-mexikanischen Komponisten arrangiert, und für die Standing ovations bedankte sich Rafael Aguirre mit Enrico Morricones „Gabriels Oboe“, sodass dieses ganz außergewöhnliche Konzert sehr friedvoll ausklang. Heidi Siegel
Sören Golz und Ivan Danilov
© Ruhr Nachrichten, 18. August 2022
Gitarren-Musik von der Weltspitze bis zum Star-Talent
Zum Glück wurde die Melodie der ersten Zugabe nicht zum Motto des Morgens. „Mein Gemüth ist mir verwirret“ von Hans-Leo Hassler kennt man heute eher in der Verarbeitung Bachs. Den Kopf verdrehte das ausgesprochen gut aufgelegte Amadeus Guitar Duo seinen Zuhörern im Sythener Schloss allerdings schon vorher. Das gilt auch für das junge Duo GolzDanilov, das am Abend begeistert gefeiert wurde. Die einen zeigten, warum sie seit Jahrzehnten zur Weltspitze gehören, die anderen überraschten, weil sie auf furiose Art dort angekommen sind.
Von Sören Golz und Ivan Danilov wird man noch viel hören. Die bisher jüngsten Träger des NRW-Kulturförderpreises haben unter anderem bei Paco de Lucia, Pepe Romero und den Assad-Brüdern gelernt oder mit ihnen zusammengearbeitet. Kein Wunder, dass brasilianische und mediterrane Musik die stärksten Momente eines großartigen Abends bot. Voll von pulsierendem Leben. Schnell, wild und mit sinnlich leuchtenden Klangfarben.
Es dauerte nur wenige Momente, da hatten sie mit Paulo Bellinatis „Jongo“ ihre Hörer in Bann geschlagen. Erstaunlich wie viel Temperament und Risiko sie in die rhythmischen Akzente brachten und dabei trotzdem präzise und eng verschmolzen zusammenspielten. Denn ihr Duo-Konzept macht aus zwei Instrumenten eins. Akkorde werden zusammengesetzt, als würde sie ein einziger Musiker spielen. Sie atmen zusammen, folgen aufmerksam und eng, wenn sich Charakter, Tempo und musikalische Bewegung ändern. Alles mit einer Sanftheit, die nichts erzwingt, aber jede Schattierung von Licht in Klang verwandeln kann. Dazu passt ihr oft dichtes Legato sehr gut. Bei barocker Musik, etwa Händels Suite HWV 430 orientierten sie sich eher am konstant pulsierenden Metrum, setzten dabei aber die Akzente des "harmonischen Grobschmieds" mit umwerfendem Charme.
Beim Amadeus Guitar Duo treffen zwei musikalische Charaktere zusammen, die als perfekt funktionierendes Paar zusammengefunden haben, sich aber mehr individuelle Freiheit geben. Für das „Tempo rubato“ als zentrales barockes Element ist diese Freiheit sehr wichtig. Das zeigte schon der Beginn der Suite HWV 431 von Händel. Ein Rubato, das sich an Klangrede orientiert und bei dem das Duo Akzente und Schwerpunkte mit großer Wirkung genau plazierte.
Bei anderen Stücken hörte man förmlich die fehlenden Instrumente in Gedanken mit. Etwa Kastagnetten oder Bläser in den „Paradetas y Canarios“ von Gaspar Sanz und in der „Fanfare mit Fandango“ von Joaquin Rodrigo. Rodrigo kannten die beiden, genau wie andere wichtige Komponisten, die für das Duo geschrieben haben. So ist Roland Dyens wunderschön lyrisches „Lullaby Melissa“ ihrer Tochter gewidmet. Dale Kavanagh komponiert selbst. Die harmonische Sprache bewegt sich dabei größtenteils zwischen Impressionismus und Jazzeinflüssen. Ihrer sensiblen Klanggestaltung mit großem Abstand zwischen Flageoletts und einer sonoren Begleitung hört man gerne zu, selbst wenn die Musik von Covid erzählte.
Kaus Lipinski
Das Duo GolzDanilov bot brillante Gitarrenmusik
Wie bei den Schlosskonzerten üblich, folgte dem vormittäglichen ein weiteres am Nachmittag. Während die Besucher des Morgenkonzertes mit dem ein durch viele Jahre professioneller Zusammenarbeit und ungezählte gemeinsame Auftritte zusammengeschweißten Amadeus Guitar Duo ein Künstlerpaar auf dem Höhepunkt (oder sollte man vielleicht eher sagen – auf dem Hochplateau?) ihrer Karriere erleben durften, waren die beiden überaus sympathischen jungen Künstler des Nachmittags zwar schon mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und durchaus konzerterfahren, aber allein schon wegen ihrer Jugend erst am Beginn einer vielversprechenden Laufbahn.
Schon das Photo auf der Konzertankündigung macht die unterschiedliche Herangehensweise der beiden jungen Künstler Sören Alexander Golz und Ivan Danilov an den Duoauftrag - im Gegensatz zum Amadeus Guitar Duo - deutlich: während bei letzterem die Duopartner nebeneinandersitzend nach vorne schauen, blicken sich Golz und Danilov in stetem innigem Austausch in die Augen, was das stupende Aufeinandereingehen der stets auswendig vortragenden Künstler erklären mag.
Auch das Programm des Gitarrenduos GolzDanilov umfaßte, hier unter dem Titel „Musikalische Juwelen auf zwei Gitarren“, einen Zeithorizont vom Barock bis in die Gegenwart und eine stilistische Mixtur der buntesten Art. So bediente sich auch dieses Duo der Kompositionen Händels und Bachs und verwob das Ganze mit brasilianischen, spanischen, italienischen, nordischen und anderen Klängen.
Zu Beginn des kurzweiligen Konzerts, zu dessen Genuß die informativen aber ganz unprätentiösen Werkeinführungen der Künstler sicherlich beitrugen, war von Paolo Bellinati (*1950) „Jongo“ zu hören. Sehr bewegt und rhythmisch betont hatte das von brasilianischen und afrikanischen Einflüssen geprägte, jazzige Stück durchaus auch lyrische Momente, am mitreißendsten aber wirkten die den gesamten Gitarrenkorpus nutzenden perkussiven Einsprengsel, die wohl den Klang von Bongotrommeln nachzuempfinden suchten. Kaum gegensätzlicher hätte dann das Präludium zur Suite HWV 430 von Georg Friedrich Händel klingen können, das überaus lieblich die folgenden Tanzsätze Allemande, Courante und Air mit Variationen einleitete. Schon die tänzerisch fließende, mit ausgeprägter Dynamik vorgetragene Allemande, mehr noch die spritzig lebhafte Courante wären von den Zuhörern auch ohne Kenntnis des Komponisten im Barock verortet worden. In den Variationen der Air wird dann das Motiv des „Musikalischen Grobschmieds“ abwechslungsreich und virtuos verarbeitet.
Dem barocken Juwel folgte eines aus dem Spanien des 19. Jahrhunderts, „Aragon“ von Isaac Albéniz, das mit fast martialisch-aggressiven Passagen schon recht modern klingt und mit seinem rasanten Schluß begeisterten Applaus auslöste.
Als ob das ursprüngliche Programm nicht schon genug Juwelen enthalten hätte fügte das spielfreudige Duo, das trotz der drückenden Hitze stilbewußt die Jacken anbehielt, nach dem Trio BWV 1027a von Johann Sebastian Bach noch eines der ungezählten Klavierwerke von Domenico Scarlatti ein. Das Bachtrio vertrug die Bearbeitung für zwei Gitarren sehr gut und ließ - vielleicht sogar deutlicher als im Original - die Struktur des virtuosen Stückes gut durchhören; manchmal vermeinte man gar die Triller des Cembalos zu vernehmen.
Das gefällige kleine Scarlatti-Werk mochte wohl dem einen oder anderen auf dem Klavier mehr zusagen, auf jeden Fall verlangte es höllisch schnelle und sichere Finger, was angesichts der Temperaturen sicherlich eine besondere Herausforderung darstellte. Auch das nächste Juwel vor der Pause erfuhr noch eine kleine Erweiterung; von Egberto Gismonti (*1947) erklang vor dem im Programm angekündigten „Baiấo Malandro“ noch ein als Lied für fünf Instrumente und Gesang komponiertes Stück: „Agua y Vino“, das durch seinen wehmütig-lyrischen Beginn bestach. Der „Baiấo Malandro“, übersetzt „Cleverer Gauner“, bildete dazu einen schroffen Gegensatz: nach gehetzt wirkendem, aggressiven Beginn ging es in gewisser Monotonie weiter, um nach einem zwar melodischen, aber doch recht dissonant klingenden Abschnitt wieder an Fahrt aufzunehmen und zur Hetze des Anfangs zurückzukehren; die teils abrupten Brüche erinnerten an eine Flucht über die Dächer?
Nach der Pause hielt der Gratis-Juwelen-Geschenke-Segen an: Von Sergio Assad (*1952), der im weiteren Verlauf mit seinem Werk „Garoto Medley“ zu hören war, erklang das Stück „Sabiniana Nr. 1“ – Meereswellen, gewissermaßen zu Kühlung gedacht. Die an serielle Musik erinnernden auf- und abschwellenden Tonfolgen vermochten sehr wohl vor dem inneren Auge das Meer erscheinen lassen.
Wie ganz anders der Klang der fünf kurzen und kürzesten, aus dem Klavierzyklus „Mikrokosmos“ von Béla Bartók (1881-1945) gewählten Stücke, die ihren jeweiligen Charakter im Titel trugen. Das recht brutale Ende dieses kleinen Ausschnittes aus Bartóks Schaffen stand in lebendigem Gegensatz zum sehr ruhigen, melodischen „An der Wiege“ des norwegischen Komponisten Edvard Grieg (1843-1907). Wer nun entschlummert war, wurde mit dem „Garoto Medley“ des bereits erwähnten Sergio Assad wieder munter gemacht, mitreißende Tango- und Sambaanklänge, jazzige Barmusik und ein fulminantes Ende wurden mit üppigem Applaus bedacht.
Das zum Schluß dieses großartigen Konzerts präsentierte Werk stammt von Mauro Giuliani (1781-1829), also einem Zeitgenossen Beethovens. Nach einer feinen Introduktion wird ein ländliches Thema durch vielfältige Variationen zu einem grandiosen Finale geführt, wobei den Künstlern teils halsbrecherische Lagenwechsel und andere technische Raffinessen abverlangt werden, die sie mit müheloser Sicherheit meistern.
Nach dem nicht enden wollenden tosenden Beifall ließen es sich die beiden Künstler nicht nehmen, sich trotz der Hitze mit gleich zwei Zugaben zu bedanken - der „Feuertanz“ des Spaniers de Falla heizte dem Publikum noch einmal so richtig ein, während vom schon bekannten Sergio Assad dann Kühlenderes erklang: „Korallenriff“.
Alles in allem hatten die Zuhörer, insbesondere jene, die beide Konzerte besuchte hatten, einen Sonntag voll brillanter Gitarrenmusik erlebt und können nun gespannt sein, was der folgende Konzertsonntag zu bieten haben wird.
Heidi Siegel
Amadeus Guitar Duo
© Ruhr Nachrichten, 18. August 2022
Gitarren-Musik von der Weltspitze bis zum Star-Talent
Zum Glück wurde die Melodie der ersten Zugabe nicht zum Motto des Morgens. „Mein Gemüth ist mir verwirret“ von Hans-Leo Hassler kennt man heute eher in der Verarbeitung Bachs. Den Kopf verdrehte das ausgesprochen gut aufgelegte Amadeus Guitar Duo seinen Zuhörern im Sythener Schloss allerdings schon vorher. Das gilt auch für das junge Duo GolzDanilov, das am Abend begeistert gefeiert wurde. Die einen zeigten, warum sie seit Jahrzehnten zur Weltspitze gehören, die anderen überraschten, weil sie auf furiose Art dort angekommen sind.
Von Sören Golz und Ivan Danilov wird man noch viel hören. Die bisher jüngsten Träger des NRW-Kulturförderpreises haben unter anderem bei Paco de Lucia, Pepe Romero und den Assad-Brüdern gelernt oder mit ihnen zusammengearbeitet. Kein Wunder, dass brasilianische und mediterrane Musik die stärksten Momente eines großartigen Abends bot. Voll von pulsierendem Leben. Schnell, wild und mit sinnlich leuchtenden Klangfarben.
Es dauerte nur wenige Momente, da hatten sie mit Paulo Bellinatis „Jongo“ ihre Hörer in Bann geschlagen. Erstaunlich wie viel Temperament und Risiko sie in die rhythmischen Akzente brachten und dabei trotzdem präzise und eng verschmolzen zusammenspielten. Denn ihr Duo-Konzept macht aus zwei Instrumenten eins. Akkorde werden zusammengesetzt, als würde sie ein einziger Musiker spielen. Sie atmen zusammen, folgen aufmerksam und eng, wenn sich Charakter, Tempo und musikalische Bewegung ändern. Alles mit einer Sanftheit, die nichts erzwingt, aber jede Schattierung von Licht in Klang verwandeln kann. Dazu passt ihr oft dichtes Legato sehr gut. Bei barocker Musik, etwa Händels Suite HWV 430 orientierten sie sich eher am konstant pulsierenden Metrum, setzten dabei aber die Akzente des "harmonischen Grobschmieds" mit umwerfendem Charme.
Beim Amadeus Guitar Duo treffen zwei musikalische Charaktere zusammen, die als perfekt funktionierendes Paar zusammengefunden haben, sich aber mehr individuelle Freiheit geben. Für das „Tempo rubato“ als zentrales barockes Element ist diese Freiheit sehr wichtig. Das zeigte schon der Beginn der Suite HWV 431 von Händel. Ein Rubato, das sich an Klangrede orientiert und bei dem das Duo Akzente und Schwerpunkte mit großer Wirkung genau plazierte.
Bei anderen Stücken hörte man förmlich die fehlenden Instrumente in Gedanken mit. Etwa Kastagnetten oder Bläser in den „Paradetas y Canarios“ von Gaspar Sanz und in der „Fanfare mit Fandango“ von Joaquin Rodrigo. Rodrigo kannten die beiden, genau wie andere wichtige Komponisten, die für das Duo geschrieben haben. So ist Roland Dyens wunderschön lyrisches „Lullaby Melissa“ ihrer Tochter gewidmet. Dale Kavanagh komponiert selbst. Die harmonische Sprache bewegt sich dabei größtenteils zwischen Impressionismus und Jazzeinflüssen. Ihrer sensiblen Klanggestaltung mit großem Abstand zwischen Flageoletts und einer sonoren Begleitung hört man gerne zu, selbst wenn die Musik von Covid erzählte.
Kaus Lipinski
Mühelos wirkende Perfektion und großer musikalischer Ausdruck
Bei strahlendem Hochsommerwetter verhießen – nun schon zum 15. Male – die Sythener Gitarrentage den Freunden hochkarätiger Gitarrenmusik Genuss auf höchstem Niveau. Im ausverkauften Torsaal des Schlosses konnten sie an diesem Morgen das Amadeus Guitar Duo begrüßen, das seinerseits seit mehr als 25 Jahren an renommierten Spielstätten auf der ganzen Welt konzertiert. Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff waren zudem schon zum 7. oder 8. Male, je nach Zählweise, in Sythen zu Gast und pflegten so ein vertrautes Verhältnis zum Publikum.
Sein Programm hatte das Duo überschrieben mit dem Titel „Kaleidoskop“, ein Stück gleichen Titels, komponiert von Dale Kavanagh, sollte das Programm am Ende beschließen. Aus ihrer Feder stammte auch „How Long?“, dem geschätzten Kollegen Aniello Desiderio gewidmet und geschaffen in der endlos erscheinenden Zeit des Corona-Lockdowns.
Seinen Anfang – jedenfalls musikhistorisch – hatte das bunte Programm jedoch in der Barockzeit, nämlich mit Sätzen aus Suiten Georg-Friedrich Händels (1685-1759), ursprünglich komponiert für Cembalo. Wäre da nicht die geschickte dynamische Akzentuierung gewesen, so hätte das eingangs erklingende Largo fast einschläfernd wirken können, aus dieser geruhsamen Stimmung wurden die Zuhörer aber rasch in den mitreißenden Tanzduktus des Allegro mitgerissen. Beim würdevolleren Schreiten der Sarabande durfte man sich etwas erholen, um dann von teils atemberaubenden Variationen mitgerissen zu werden. Die einzelnen Variationen boten breite Präsentationsmöglichkeiten für die Virtuosität der Künstler und so verwunderte es natürlich nicht, daß Kavanagh und Kirchhoff auch die technisch äußerst anspruchsvollen Passagen mit mühelos wirkender Perfektion und großem musikalischen Ausdruck meisterten.
Auch das folgende Stück des Russen Alexander Borodin (1833-1887), Mitglied des sog. „Mächtigen Häufleins“ und im Brotberuf Chemiker, ist nicht original für eine oder zwei Gitarren komponiert, sondern, wie die Opusbezeichnung schon verrät, für Streichquartett, nämlich das 1881 entstandene Nr. 2; daraus erklang das Allegro moderato. Auch Borodins Quartett Nr. 2 ist, zumindest im Lager der Streichquartettfreunde, durchaus populär. Und wenngleich ein so grandios und professionell spielendes Duo natürlich alle möglichen Klippen dieses Stückes zu meistern imstande ist und tiefe Musikalität auszudrücken vermag, schien es hier für den Streicherfreund doch ein wenig mühevoll, sich vom gewohnten Streicherklang zu lösen und sich der so anderen Farbe der zwei Gitarren hinzugeben, was womöglich darin begründet ist, daß der Schwerpunkt dieses Quartettsatzes auf seiner ausgeprägten Melodiosität liegt.
In der Ansage der nächsten Stücke, nun endlich für Gitarrenbesetzung geschrieben, verwies Thomas Kirchhoff, daß die Gitarristen zwangsläufig eher auf Bearbeitungen zurückgreifen müssten, weil sie schlicht nicht so ein üppiges Reservoir an Originalkompositionen zur Verfügung haben wie beispielsweise Streicher oder Pianisten.
Aber nun ging es mit Joaquin Rodrigos (1901-1999) Fanfare und Fandango temperamentvoll in den Süden – gewissermaßen den Außentemperaturen entsprechend. Die sehr dynamisch-rhythmische Musik versetzte die Zuhörer auf spanische Plätze und ließ bunte Tanzszenen vor dem inneren Auge erscheinen. Insbesondere der ausdrucksstarke Fandango mit seiner populären Melodie vermochte von den Stühlen zu reißen. Das letzte Stück vor der Pause war, wie bereits erwähnt, eine Eigenkomposition von Dale Kavanagh und von ihr auch solistisch dargeboten. Nach ihrer Aussage wollte sie die Gefühle von Wut, Angst, Traurigkeit und Hoffnung in Musik verwandeln. Das Stück hatte eine recht freie Struktur, umfasste fließende Bewegungen, virtuose Läufe wie auch repetitiv-perkussive Elemente. Es schien aus Fragen zu bestehen: Warum? Mit tröstlicher oder ratloser Antwort oder einer komplizierten Nicht-Antwort. Oder mit im Untergrund dräuender Wut, oder ganz zart, wie lange noch? Dazwischen: Geschäftigkeit, Betäubung, Ablenkung durch Arbeit? Feine melodiöse Läufe abgelöst von bösartig klingenden Dissonanzen, dann wieder leise-tastendes Vorwärtsschreiten mit zaghaften Fragen, trotzige Antwort wie wütendes Aufstampfen, die Geschäftigkeit kehrt zurück, vielleicht ein wenig chaotischer als zuvor und das Fragende bleibt. Ein großartiges Stück, das mit den Zumutungen der Coronazeit fast auszusöhnen vermochte. Auch nach der Pause setzte Dale Kavanagh ihre solistische Vorstellung fort mit kurzen Werken, in die sie schon zuvor kurz eingeführt hatte, so neben einer Etüde von Fernando Sor und einer Sonata von Paganini mit zwei Stücken des zeitgenössischen Komponisten Roland Dyens (1955-2016), darunter einem ihrer Tochter Melissa gewidmeten Wiegenlied. Wieder als Duo präsentierten Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff die durch und durch spanisch und sehr vertraut klingenden „Paradetas y Canarios“ von Gaspar Sanz (1640-1710), ein Stück in dem die beiden Künstler alle Register gitarristischen Könnens zu ziehen vermochten. Vor der Präsentation einer Triosonate von Johann Sebastian Bach (1685-1750) informierte Thomas Kirchhoff die Zuhörer über seine erst kürzlich überwundene Coronaerkrankung und verwies darauf, daß sie beide dieses Werk tatsächlich zum ersten Male vor Publikum spielten – was aber offensichtlich der Qualität der Vorstellung keinen Abbruch tat. Zum krönenden Abschluss dieses strahlenden Sommerprogramms erklang nun das titelgebende „Kaleidoskop“ op 17 von Dale Kavanagh, das die Künstlerin sich und ihrem Duopartner buchstäblich in die Finger geschrieben zu haben schien. Die schillernde Brillanz erinnerte bis zum rasanten Ende ganz bildlich an jene bei Kindern früherer Zeiten so beliebten, mit bunten Glassteinchen bestückten Kaleidoskope.
Nach dem stürmischen Beifall und der Blumenübergabe durch Dr. Masthoff fanden sich die beiden Künstler bereit für eine Zugabe und Thomas Kirchhoff lobte eine CD aus für denjenigen, der den Komponisten der Melodie der allseits bekannten, von Bach populär gemachten Choralmelodie „O Haupt voll Blut und Wunden“ oder wahlweise „Befiel Du Deine Wege ...“ zu benennen wisse. Und obwohl wahrscheinlich jeder diese Melodie kannte oder gar selbst gesungen hatte, dauerte es doch eine Weile, bis der Name Hans Leo Hassler fiel. Und auch für die Zugabe bedanken sich die Zuhörer im ausverkauften Saal mit kräftigem Applaus, bevor sie hinaus in die mittägliche Gluthitze strömten.
Vielleicht folgte der eine oder die andere dem Vorschlag, das Konzerterlebnis mit dem Genuss eines Konzertmenüs zu verknüpfen, aber auch ohne leibliche Stärkung hatte man zum wiederholten Male ein Gitarrenkonzert der Extraklasse im wunderbaren Ambiente des Torhauses genießen können.
Heidi Siegel
2021
Prof. Tomasz Zawierucha
© Ruhr Nachrichten, 31 August 2021
Musik, die begeistert – Sythener Gitarrentage waren ein voller Erfolg
Höchstes Niveau der Gitarrenkunst bot Professor Tomasz Zawierucha am frühen Sonntagabend (29. August) rund 80 Gästen im Sythener Schloss. Im Rahmen der Sythener Gitarrentage hatten Horstfried und Eva Masthoff von der Kulturstiftung Masthoff den Gitarristen als Abschluss der Konzertreihe eingeplant. Auf dem Programm des Künstlers standen Stücke von Gaspar Sanz, Santiago de Murcia, Mauro Giuliani, Frédéric Chopin und Alexandre Tansmann.
Der Gitarrist, der bereits in seiner Jugend internationale Preise gewann wie den „Ville Antony Preis“ von Paris, den „Dundee Scotland Preis“ sowie den „Tokyo International Guitar Contest“, schuf im Saal des Sythener Schlosses eine Atmosphäre, die bezauberte. „Nichts ist schöner als der Klang einer Gitarre – außer vielleicht der Klang von zwei Gitarren,“ zitierte Horstfried Masthoff einen Ausspruch von Chopin bei der Eröffnung des Konzerts.
Die ersten beiden Stücke von Gaspar Sanz spielte Professor Tomasz Zawierucha auf dem originalgetreuen Nachbau einer Stradivari-Barockgitarre, von der es insgesamt nur zwei Exemplare gibt. Passend zum Wetter interpretierte er Chopins „Regentropfen“ – Prélude Opus 28 Nr. 15 und warnte im weiteren Verlauf seine Zuhörer, seine Musik sei so traurig wie das Wetter heute. Damit meinte er in erster Linie die Kompositionen von Alexandre Tansmann, von dem er Original-Handschriften besitzt und dessen Werke ihn immer wehmütig an polnische Landschaften und die Stadt Krakau erinnerten. Tatsächlich passten die melancholischen Klänge des „Meisters der leisen Töne“ zum Einzug des Herbstes. Dementsprechend stürmisch war dann auch der Applaus am Ende der Veranstaltung.
Den Veranstaltern ist es auch in diesem Jahr wieder durch die Auswahl professioneller Künstler unterschiedlichster Musikrichtungen gelungen, das Instrument Gitarre in all seinen Facetten dem interessierten Publikum nahe zu bringen. Beginnend mit Buck Wolters und seinem Crossover vom Pop zur Klassik, dem Essener Gitarren-Duo Bernd Steinmann und Stefan Loos, das mit traditioneller spanischer Folklore und Klassik verzückte, dem atemberaubenden Flötisten Polychronis Karamatidis und dem Gitarristen Matei Rusu vom Duo Con Spirito und last not least Professor Tomasz Zawierucha genoss das Publikum an zwei Sonntagen im August Gitarrenklänge auf allerhöchstem Niveau.
Zu den unter dem Motto "Musikgenuss und Gaumenfreuden" stehenden Konzerten hielt das Restaurant „Pfeiffers Sythener Flora“ wieder im Anschluss an die musikalischen Darbietungen kulinarische Spezialitäten bereit. Mit dem Abschluss-Konzert der Sythener Gitarrentage der Kulturstiftung Masthoff ging am frühen Sonntagabend eine der hochkarätigsten Halterner Kulturveranstaltungen dieses Jahres zu Ende.
Die Sythener Gitarrentage wurden in diesem Jahr optisch abgerundet durch Bilder von Nicole Farwick. Die Ausstellung zeigte Portaits der Hobbymalerin in Acryl und Bleistift und waren käuflich zu erwerben.
Antje Bücker
Heidi Siegels Kritik
Meister seines Fachs
Das Abschlußkonzert der diesjährigen Sythener Gitarrentage bestritt Prof. Tomasz Zawierucha, dessen großartigen Auftritt 2016 sicherlich viele Zuhörer noch in lebendiger Erinnerung hatten. Diesmal machte er auf dem Rückweg von einem internationalen Gitarrenfestival in Wien in Sythen Halt.
War das Programm des Vormittags gewissermaßen eine musikethnologische Reise durch die – überwiegend östliche - Musikwelt gewesen, so reiste das Publikum mit Prof. Zawierucha, der derzeit an der Folkwang Universität der Künste lehrt, durch die Musikepochen. Und so begann diese Reise mit Auszügen aus der umfangreichen „Instruccion de musica sobre la guitarra espa?ola“ des spanischen Gitarristen, Komponisten und Priesters Gaspar Sanz (1640-1710), einer Art Etüdenwerk des frühen spanischen Barocks. Mit professoraler Lässigkeit, die von profunden musikwissenschaftlichen und musikhistorischen Kenntnissen zeugte, stellte Prof. Zawierucha nicht nur die einzelnen Werke vor, sondern hier auch das besondere Instrument, dessen er sich, ganz gemäß der Zeit, in der diese Musik entstanden war, bediente, einer wunderbar anzuschauenden und anzuhörenden Barockgitarre nämlich. Dieses Instrument, eine originalgetreue Replik einer Gitarre aus der Werkstatt des weltberühmten Geigenbauers Stradivari, stammt aus der Hand eines spanischen Gitarrenbauers. Daß dieses handwerklich meisterhaft gefertigte Instrument neben seinem lautenähnlich bezaubernden Klang auch optisch bestach, korrespondierte auf beeindruckende Weise mit der Ästhetik der perfekt beherrschten Grifftechniken, mit denen der Künstler die Werke präsentierte,
Dem Charakter von „Instruccion“ entsprechend klangen die gewählten Sätze sehr unterschiedlich – vom punktierten tänzerischen Rhythmus des „Villanos“ über die den spanischen Charakter mit kräftigen Akkorden akzentuierenden „ Espa?oletas“, weiter von den an das bekannte La-Folia Thena anknüpfenden Variationen bis zu den auf die Kanarischen Inseln verweisenden „Canarios“, die mit betont akkordischem Spiel frisch und lebendig wirkten. Wie Gaspar Sanz stammt der Gitarrist und Komponist Santiago de Murcia (1673-1739) aus Spanien und auch von ihm wisse man wenig, wie Prof. Zawierucha ausführte. Seine Musik gleiche im Gegensatz zur vorher gehörten einem schweren Burgunder, während auf Gaspar Sanz eher der Vergleich mit einem leichten Rosé zutreffe. Und so mochte der mystische Beginn des „Fandango“ dem einen oder anderen durchaus Gänsehaut beschert haben, wenn er sich diesen meisterhaft vorgetragenen Klängen hingab, während – ausnahmsweise – gleissende Sonnenstrahlen das Sythener Torhaus erhellten.
Das letzte Werk vor der Pause stammte aus der Feder des vielseitig begabten, aus Italien stammenden Gitarristen, Cellisten, Komponisten und Sängers Mauro Guiliani (1781-1829), der seinerzeit äußerst populär war und während seiner Zeit in Wien u.a. auch mit Beethoven und dessen Zeitgenossen verkehrte. Prof. Zawierucha hatte aus dem Werk „Rossiniana“, op.123, einer Art Potpourri, einen Satz ausgewählt, der, nun wieder auf der gewohnt sechssaitigen Konzertgitarre präsentiert, in die italienische Opernwelt entführte.
Schon Dr. Masthoff hatte bei seiner Begrüßung Frederic Chopin zitiert, nach dem nichts den Klang einer Gitarre übertreffe, außer zwei Gitarren und obgleich Prof. Zawierucha gestand, Chopin eigentlich nicht zu mögen, verwies auch er vor dem Vortrag zweier Werke des polnischen Komponisten auf dessen Aussage. Das bekannte „Regentropfen-Prelude“ op. 28, Nr. 15 wie auch das ebenso prominente „Nocturne“ Op. 9, Nr.2 erklangen unter den Händen des Künstlers absolut neu und frisch, als ob man sie zum ersten Mal hörte.
Im letzten Teil des Konzerts stand ein Landsmann Chopins im Mittelpunkt, nämlich der 1810 im polnischen Lodz geborene und 1986 verstorbene Alexandre Tansman, der 1920 die französische Staatsbürgerschaft annahm und zeitweise im amerikanischen Exil lebte. Anknüpfend an die zuvor erklungenen Chopin-Bearbeitungen hatte Prof. Zwierucha als Einstieg in die Kompositionswelt des ungemein produktiven Komponisten, den er im übrigen auch 2016 schon vorgestellt hatte, dessen 1966 entstandene „Hommage a Chopin“ gewählt. Das Prelude wirkte trauermarschähnlich, war eher akkordisch akzentuiert und verbreitete eine etwas düster-traurige Stimmung. Das dagegen recht modern klingende Nocturne erinnerte nur schwach an Chopin, während der Valse romantique tatsächlich betont romantisch wirkte und sanft und versöhnlich ausklang.
Vor seinem inneren Auge würden Bilder erscheinen, die an Straßenzüge oder Gebäude in Warschau oder Krakau gemahnten, hatte Pro. Zawierucha erläutert, als er zum Abschluss Tansmans „Suite in modo polonico“ präsentierte, die 1962 entstand.
Das sechssätzige Werk begann mit dem Entree recht konventionell, gefolgt von der barocke Anklänge zitierenden Gaillarde; langsame, melancholische Stimmung erzeugende Sätze wechselten sich ab mit solchen, die betont rhythmisch daherkamen, und durchaus zeitgenössisch klingenden, sich an Volkstanz oder Marsch anlehnenden Passagen.
Die dem anhaltenden Applaus folgende Zugabe sei seine absolute Lieblingszugabe, obgleich sie schon fast ein wenig kitschig wirken könne, kündigte Prof. Zawierucha die weltberühmten „Recuerdos de la Alhambra“ - Erinnerungen an die Alhambra - des Spaniers Francisco Tárrega an, ein Werk das völlig zu Recht als das Gitarrenwerk schlechthin bezeichnet werden kann und dessen Herausforderung darin liegt, daß der Gitarrist die Melodie durchgängig als Tremolo zu spielen hat, während gleichzeitig ein variabler Basslauf für die Illusion sorgt, nicht nur eine, sondern mehrere Gitarren zu hören. Dies gelang dem erfahrenen Künstler mit stupender Finger- und Grifftechnik und einfühlsamster Musikalität, so daß der Schlußapplaus noch einmal gehörig aufbrauste, bevor ein rundum beeindruckender Konzertsonntag zu Ende ging.
Heidi Siegel
Duo con Spirito
© Ruhr Nachrichten, 30. August 2021
Ein „Duo mit Geist“ überzeugte die Konzertbesucher
Mit dem Duo con Spirito starteten die Sythener Gitarrentage am Sonntagmorgen (29. August) in die zweite Runde. Es überzeugte mit spielerischer, aber perfektionistischer Leichtigkeit. Das Duo, bestehend aus dem griechischen Flötisten Polychronis Karamatidis und dem rumänischen Gitarristen Matei Rusu brachte vor rund 80 Zuhörern Stücke von Bela Bartok bis Michio Miyagi zu Gehör und wurde damit seinem Namen (Duo con Spirito = Duo mit Geist) mehr als gerecht.
Bei ihrer Reise durch verschiedene Kontinente und Epochen gelang ihnen mit spielerischer, aber perfektionistischer Leichtigkeit nicht nur ein grandioses Zusammenspiel ihrer Instrumente, sondern auch die Besonderheit der unterschiedlichen Musikstile Japans, des Orients und Osteuropas authentisch zu interpretieren. Schon in der Pause waren sich die Besucher bewusst, hier ein Duo von außerordentlichem Können zu erleben.
Die beiden Gewinner des Kammermusikpreises 2020 beim 17. „Altamira Goriza“ Gitarren-Wettbewerb, spielten sich mit ihrer seelenvollen Musik buchstäblich in die Herzen der Gäste und regten deren Phantasie an: Bei R. Shankars "L´aube enchantée" entführten sie in die Paläste Indiens, zu orientalischen Prinzessinnen und Gauklern und wurden dabei selbst zu Märchenerzählern. Der Querflöte und der Gitarre entlockten sie dabei nicht nur liebliche, leise Töne, sondern, je nach Stimmung, auch rauhe Klänge und Dissonanzen.
Während das Wetter draußen recht ungemütlich war, genossen die Besucher im Saal des Schlosses knapp zwei Stunden lang ein traumhaftes Ambiente. So wunderte es nicht, dass das Publikum die beiden Spitzenmusiker am Ende der Veranstaltung nicht ohne Zugabe gingen ließen. Nach Piazzollas "Libertango" ernteten Polychronis Karamatidis und Matei Rusu langanhaltenden Applaus und zahlreiche Bravo-Rufe.
Antje Bücker
Heidi Siegels Kritik
Kammermusikalische Brillanz
Ganz im Gegensatz zum strahlenden Sonnenschein beim ersten Konzert der diesjährigen Sythener Gitarrentage war an diesem Vormittag, zumindest draußen alles grau. Um so schöner, daß das bereits vielfach mit Preisen ausgezeichnete Duo Con Spirito, bestehend aus dem griechischen Flötisten Polychronis Karamatidis und dem rumänischen Gitarristen Matei Rusu, für Momente der Helligkeit sorgte, indem es das Publikum zu einer Reise durch Zeit und Raum einlud. Der Schwerpunkt des Programms lag auf Werken, die zwar auf Volksmusikgut basieren, dieses jedoch auf kompositorisch anspruchsvollste Weise durchdringen und transformieren.
Wie Dr. Masthoff bei seiner Begrüßung anmerkte, ist die Kombination Flöte und Gitarre durchaus populär, bei den Sythener Gitarrentagen aber eher die Ausnahme.
Die beiden sympathischen Künstler begannen ihren Vortrag mit den allbekannten Rumänischen Volkstänzen, einer Art Suite, die Tänze aus den verschiedensten Regionen des Balkans zur Grundlage hat. Der ungarische Komponist Bela Bartok (1881-1945) schrieb dieses Werk zunächst für Piano solo und orchestrierte es später selbst für kleines Ensemble. Von den ursprünglich für Fiedel und Hirtenflöte geschriebenen Tänzen gibt es Transkriptionen für die unterschiedlichsten Besetzungen. Insbesondere in den langsamen Sätzen gefiel der ausdrucksstarke und gefühlvolle Flötenpart, während in den temperamentvollen Schlußsätzen die Gitarre großartige Ausdrucksmöglichkeiten fand.
Ganz ihrem Namen entsprechend – als musikalische Vortragsbezeichnung bedeutet „con spirito“ geist- oder seelenvoll – gestalteten die beiden Duopartner die mit „Oriental“ und „Andaluza“ überschriebenen „Danzas Espa?olas des spanischen Pianisten und Komponisten Enrico Granados (1867-1916). Die Vorstellung orientalischen Treibens oder andalusischer Wärme vermochte in diesen temporeichen und gitarrenbetonten Tänzen sehr gut die Düsternis des Draußen zu vertreiben.
Für Flöte solo komponiert war ein Werk „Lament für Michelle“ des griechischen, zeitgenössischen Komponisten Theodore Antoniou (1935-2018), das auf der Peloponnes entstand, wie Polychronis Karamatidis in seiner schnörkellosen, aber informativen Ansage verriet. Mit diesem Werk vermochte der Künstler dem Publikum einen tiefen Einblick in zeitgenössische Flötentechniken vermitteln, die er nicht nur technisch perfekt beherrschte, sondern auch in musikalisch einfühlsamer Weise zu präsentieren wußte. Gemäß dem Titel „Lament“ erzeugten die sehr natürlich dahinfließenden Flötenklänge eine melancholische Atmosphäre, man glaubte, Naturgeräusche oder ferne Vogelgesänge hören zu können – welch eine grandiose Weise, mit Musik unserer Zeit vertraut zu werden. Von Osteuropa ging es nun mit „Haru no Umi“ – so viel wie:“ Frühling am Meer“ des japanischen Komponisten Michio Miyagi (1894-1956) in den fernen Osten. Das Duo bewies hier in seinem stimmungsvollen Zusammenspiel die kammermusikalische Brillanz, zudem konnte hier Matei Rusu sein einfühlsames Gitarrenspiel prominent zum Ausdruck bringen, wie auch im folgenden Werk „Variationen über ein anatolisches Volkslied“ für Gitarre solo des Komponisten Carlo Domeniconi (*1947), das mit überaus kunstvollen Variationen um das zu Herzen gehende ursprüngliche Liedthema kreiste. Der melancholische Beginn stimmte ein auf den Titel des Liedes, der sich sinngemäß mit „Ich gehe einen langen, schmalen Weg“ übersetzen läßt.
In die - coronabedingt eher symbolisch knappe - Pause verabschiedeten sich die beiden Künstler mit Tango-Etüden des bekannten Astor Piazolla (1921-1992), die, ursprünglich für Soloflöte komponiert, hier in einer eigenen Bearbeitung erklangen. Dem Sinn von Etüden entsprechend waren alle drei technisch äußerst anspruchsvoll, dabei von sehr unterschiedlichem Charakter, von betonter Rhythmik über meditativ, mit Anklängen an Debussy, zu betont tangomäßig mit perkussiver Gitarre.
Nach der Pause wurde es dann wieder fernöstlich – mit einem Werk des weltberühmten indischen Komponisten und Sitarspielers Ravi Shankar (1920-2012), der seinerzeit Konzerte gab mit Yehudi Menuhin oder George Harrison von den Beatles. Das Werk mit dem Titel „L‘ aube Enchantee“ zauberte mit seinen zu Beginn erklingenden Gitarren- und Flötensoli eine durchaus exotische Stimmung herbei und verlangte von beiden Künstlern aufmerksames Aufeinanderhören und vom Flötisten perfekte Atemtechnik. Vor dem inneren Auge des Zuhörers breitete sich im weiteren Verlauf ein buntes Bild fremder Welten aus, in die man sich nur allzu gerne entführen ließ. Für dieses mitreißende Stück erhielten die Künstler anhaltenden Applaus.
Mit drei sehr unterschiedlichen Sätzen aus dem 2006 entstandenen Werk „Four Legends“ des bulgarischen Komponisten und Gitarristen Atanas Ourkouzounov (*1970) endete das Vormittagskonzert der Sythener Gitarrentage, das eins ums andere Mal bewies, welch breitgefächerte Palette qualitativ höchst anspruchsvoller Gitarrenmusik auch „in der Provinz“ zu genießen ist.
Nach dem wohlverdienten Applaus bedankten sich die Duopartner mit einer Zugabe, die schon bei der Ansage in Erwartung des Kommenden dem einen oder anderen Gänsehaut bereitet haben mochte: Astor Piazollas allbekannter „Libertango“ erklang und sorgte für Begeisterung. Ein gelungenes Debut eines jungen Duos, auch wenn der eine oder andere mit den ungewohnten Klängen zeitgenössischer Musik gelegentlich gefremdelt haben mag.
Heidi Siegel
Essener Gitarrenduo
© Ruhr Nachrichten, 17. August 2021
Barock bis Flamenco: Vielsaitige Klänge bei den Sythener Gitarrentagen
Als zweiten musikalischen Leckerbissen der Sythener Gitarrentage stellte die KulturStiftung Masthoff am Sonntagnachmittag (15. August) das Essener Gitarrenduo Bernd Steinmann und Stefan Loos ihrem Publikum vor. Nach dem Ohrenschmaus, den Gitarrist Buck Wolters bereits am Sonntagvormittag seinem Publikum beschert hatte, ließen beim zweiten Konzert der Sythener Gitarrentage rund 60 Gäste das Wochenende in der gediegenen Atmosphäre des Sythener Schlosses ausklingen.
Nach dem ersten Auftritt des Tages mit überwiegend Jazz und Crossover ging das zweite Konzert in eine ganz andere Richtung und bewies damit, wie vielseitig dieses Saiteninstrument ist. Die Berufsmusiker brachten barocke, klassische, moderne und spanische Klänge zu Gehör. Das Repertoire umfaßte aber auch Eigenkompositionen und Flamenco.
Nach einer Einleitung von John Dowlands “Le Rossignol“ und dem Klassiker Greensleeves ging es temperamentvoll weiter mit Stücken aus der Carmen Suite von Georges Bizet, bei denen die Musiker in großer Harmonie ihre Instrumente miteinander kommunizieren ließen. Zu “Habanera“ und “Toreadors“ imitierten sie zudem mit den Fingernägeln auf den Gitarrenkörpern so perfekt das rhythmische Klappern von Kastagnetten, dass die Zuhörer sich musikalisch in die spannungsgeladene Atmosphäre einer Stierkampfarena entführen ließen.
Nach der Pause folgten Stücke von Bernd Steinmann, die anläßlich des Mauerbaus am 13. August 1961 entstanden sind. Mit “Der Mauerbau“, welches er als Stipendiat der Kulturstiftung NRW im letzten Jahr komponiert hatte, “Berlin“ und “Winkende Frauen“ beschwor er die düstere Stimmung des DDR-Regimes herauf, stimmte aber auch versöhnlich.
Es folgten weitere Eigenkompositionen des Duos, bevor die beiden Musiker unter reichlichem Applaus nach Joaquim Rodrigos “II Satz Adagio aus Concierto de Aranjuez“ ihre Vorstellung beendeten.
Antje Bücker
Heidi Siegels Kritik
Essener Gitarrenduo
Das zweite Konzert des Tages – auch dies eine erfreuliche Rückkehr zu einer, wenn auch immer noch etwas eingeschränkten, Normalität - wurde gestaltet vom Essener Gitarrenduo, das, ebenso wie Buck Wolters am Vormittag, zum ersten Mal Gast bei den Sythener Gitarrentagen war. Bernd Steinmann und Stephan Loos, die seit über dreißig Jahren zusammen musizieren, hatten ein abwechslungsreiches Programm mitgebracht, dessen Schwerpunkt neben frühen, ursprünglich für Laute oder Mandoline komponierten Werken auf Stücken mit spanisch-südamerikanischem Flair und Eigenkompositionen lag. So bot das erste – „Le Rossignol“ von John Dowland in seiner frühbarocken Helligkeit ebenso wie die altbekannte Melodie „Greensleeves“ so etwas wie Seelenbalsam der besten Art. Es war wohl der Hitze geschuldet, daß im Gegensatz zum Vormittag der Saal nicht ganz gefüllt war, die von den Herren Steinmann und Loos mit solider Technik, schöner Dynamik und viel Herzblut vorgetragenen Stücke konnten jedenfalls nicht der Grund sein. Auch im von Vivaldi ursprünglich für zwei Mandolinen komponierten langsamen Satz aus seinem Konzert G-Dur überzeugten die beiden, noch mehr dann in einer Gitarren-Fassung einiger Sätze aus der berühmten Carmen-Suite von Georges Bizet, deren unterschiedliche Stimmungen sie perfekt herauszuarbeiten verstanden. Der Wohlfühlcharakter dieses Konzertnachmittags ergab sich nicht nur aus der gelungenen Präsentation wahrhaft populärer Melodien von Barock bis Romantik und Neuzeit, sondern auch aus den mit verschmitztem Ruhrgebietscharme versetzten Moderationen, insbesondere von Bernd Steinmann, denen so manche Anekdote seines Partners aber in nichts nachstand. Eine Version des berühmten Malaguena-Themas beendete den ersten Teil dieses Konzert- nachmittags.
Nach der Pause ging es dann weiter mit Eigenkompositionen der Künstler, dabei zunächst ein Werk von Bernd Steinmann, das den Mauerbau von 1961 thematisierte. Die einzelnen Sätze des im Rahmen eines Stipendiums als Auftragswerk entstandenen Stückes trugen Titel wie „Der Soldat“ oder „Winkende Frauen“ und waren von recht unterschiedlichem Charakter – so sollten bestimmte Techniken in „Der Soldat“ das Klirren von Stacheldraht verkörpern oder es fanden sich eingängig-harmonische Klänge im Satz „Winkende Frauen“. Das folgende „Mathilda“ von Stephan Loos war dessen Enkeltochter gewidmet und demzufolge auch eher von hell-frohem, einfachen Charakter. In der von beiden Künstlern gestalteten Sammlung von Rumba-Sätzen spielten die beiden sympathischen Interpreten alle Facetten ihres breitgefächerten Könnens auf: von der ausgezeichneten Finger- und Grifftechnik einerseits bis zu den vielfältigen Perkussionstechniken anderseits, so daß eine mitreißende Mischung zum Mittanzen hätte animieren können. Den absoluten Höhepunkt des Konzerts bildete der zum Schluß erklingende II. Satz aus dem bekannten „Concierto de Aranjuez“ von Joaquin Rodrigo, sehr gefühlvoll und hinreißend dargeboten und mit rauschendem Applaus belohnt.
Wer beide Konzerte gehört hatte, mochte zu Beginn des Nachmittagskonzerts den Eindruck gewonnen haben, daß das Essener Gitarrenduo es zunächst schwer hatte, im Vergleich zum so souverän-lässigen Auftritt von Buck Wolters zu bestehen, ein Eindruck, der sich aber im Verlauf des Konzertes immer mehr relativierte, zumal schon allein das Repertoire unterschiedlicher nicht hätte sein können. Bei beiden Konzerten war eines aber ganz sicher: Mit der Entscheidung, einmal den Pfad der pur-klassischen Programme zu verlassen, hat Herr Dr. Masthoff einen genialen Griff getan. Es konnte nicht allein der Tatsache geschuldet sein, daß die Menschen so großen Hunger hatten, einmal wieder einem „echten“ Konzert beizuwohnen, sondern die große Begeisterung basierte natürlich auch auf der Qualität und Überzeugungskraft der Künstler, die dieses Mal ihr Debut bei den Sythener Gitarrentagen gegeben hatten.
Heidi Siegel
Buck Wolters
© Ruhr Nachrichten, 16. August 2021
„Meister des Crossover“ begeistert bei den Gitarrentagen am Schloss
ie Kulturstiftung Masthoff eröffnete am Sonntag (15. August) die Sythener Gitarrentage mit “Gitarrengott“ Buck Wolters. Dieser nahm sein Publikum mit auf eine musikalische Reise durch verschiedene Genres. Horstfried Masthoff kündigte Neuigkeiten an bei der Eröffnung der Konzertreihe im Sythener Schloss, die jährlich im August stattfindet. Erstmalig würde es nicht nur Klassik zu hören geben, sondern auch Jazz und Pop.
Dass auch Letzteres zu höchster musikalischer Kunstform erhoben werden kann, bewies Buck (Burkhard) Wolters, der seine fundierte Ausbildung als klassischer Gitarrist an der Hochschule für Musik Westfalen/Lippe und als Jazzgitarrist an der Hochschule der Künste in Amsterdam absolviert hat, dem 90-köpfigen Publikum am späten Vormittag. “Als ich ihn vor einem Jahr zum ersten Mal in einem Konzert erlebt habe, hatte ich im Anschluss das Gefühl, 20 Jahre jünger geworden zu sein,“ erzählte Horstfried Masthoff bei der Vorstellung des charismatischen Musikers. Der griff die Worte auf und kündigte scherzhaft an, zukünftig seine musikalischen Angebote um den Bereich Kosmetik zu erweitern.
Er eröffnete sein Konzert passend zum Wetter und zur Stimmung mit dem George Harrison-Song “Here comes the sun“. Wie auch bei den nachfolgenden Stücken verband er dabei perfekte Technik mit Emotionen und spürbarer Leidenschaft. Während er die Saiten zupfte, schlug, dumpfe Basslinien gegen klangvolle Melodielinien absetzte und gleichzeitig mit dem Handballen den Gitarrenkörper auch perkussiv nutzte, schuf er bei seinen Zuhörern die Illusion, ein komplettes Orchester zu hören. Neben seinem virtuosen Gitarrenspiel unterhielt er die Besucher auch mit kurzweiligen Anekdoten vergangener Konzerte und interessanten Einleitungen zu den verschiedenen Stücken.
“Es gibt Musiker, die glauben nicht an Gott – aber an Bach,“ leitete er Gary Brookers “A Whiter Shade of Pale“ ein, welches wie einige Beatles-Songs zum sogenannten Baroque-Rock zählt. Die ersten acht Takte sind Johann Sebastians Bachs „Air“ aus der Suite Nr.3 D-Dur (BWV 1068) entliehen wurden. Mit demselben Crossover gelang Wolters der spielerische Brückenschlag zwischen Klassik, Moderne, Jazz und Pop. Seine Darbietung begeisterte jede Altersgruppe und befriedigte jeden Musikgeschmack im Zuhörerraum. “Es wird Ihnen gefallen,“ hatte Eva Masthoff zu Beginn der Veranstaltung überzeugt versprochen und damit Recht behalten. Für die neun Stücke von Bach bis zu James Brown erhielt der Musiker vom klassik- und jazzkundigen Publikum gebührenden Applaus.
Die Sythener Gitarrentage werden gesponsert von der Volksbank Südmünsterland.
Antje Bücker
Heidi Siegels Kritik
Buck Wolters
Nachdem lange nicht sicher gewesen war, ob die diesjährigen Gitarrentage überhaupt würden stattfinden können, ermöglichte die zu diesem Zeitpunkt erfreuliche Pandemielage einen Konzerttag fast wie zu Vor-Coronazeiten.
Dazu gehörte auch, daß strahlendes Sommerwetter die zahlreichen Besucher auf ihrem Weg in das - wie immer von der Rentnerband glänzend vorbereitete - Torhaus des Schlosses Sythen begleitete. Bei der Anmoderation des vormittäglichen Konzertes vermerkte Dr. Masthoff, daß es dieses Mal zwei Neuerungen gebe – mit dem Gitarristen Buck Wolters wage man sich in bisher unerforschte Gefilde jenseits des traditionell-klassischen Gitarrenrepertoires und es gebe eine Ausstellung von z.T. käuflichen Werken einer Halterner Künstlerin.
Wer nicht gerade zum allerersten Mal ein Konzert der Kulturstiftung Masthoff besuchte, bemerkte aber auch etwas anderes, nämlich einen schmerzlichen Verlust: Michael Döring, der über die Jahre im besten Sinne zum Inventar der Konzerte gehört hatte, ist viel zu jung in diesem Jahr verstorben. Er und seine wunderbaren Bilder werden fehlen.
Buck Wolters hatte sein Konzert mit dem Titel eines bekannten Beatles-Songs: „While my Guitar Gently Weeps“ überschrieben, dessen Text er auch rezitierte, bevor dieses Stück dem Eröffnungssong „Here Comes the Sun“, beide komponiert vom Beatles-Mitglied George Harrison, folgte. Beide Stücke wußten nicht nur alte Beatles-Fans zu begeistern – nicht nur wegen ihres originär melancholischen und doch tröstlichen Grundcharakters, sondern auch, weil Buck Wolters das vorgegebene Material durch fantastische Improvisationselemente zu bereichern wußte. Die beiden folgenden Stücke von John Phillips, „San Francisco“ und „California Dreaming“ versetzten die Zuhörer aufs Neue in die Glanzzeiten hochkarätiger Rock– und Popmusik. Im Charakter rockiger und im Falle von „California Dreaming“ auch deutlich fetziger als das Original animierten die mit großartiger Fingertechnik und souveräner Einbeziehung des Gitarrenkörpers als Perkussionsinstrument interpretierten Stücke viele Zuhörer zu begeistertem Füßewippen. Schon zu Beginn hatte Buck Wolters in seiner lässig-launigen Einführung unter anderem zitiert, daß es Musiker gebe, die nicht an Gott, jedoch an Bach glaubten, was wohl den Komponisten von „A Whiter Shade of Pale“ – ehedem einer der erfolgreichsten Songs der Band „Procul Harum“ – inspiriert haben mag, Bachs allseits bekanntes Werk „Air“ als Grundlage dieses gänsehauterzeugenden Stückes zu wählen. In gekonnt gestaltetem Gegensatz dazu beendete das wiederum ob seines eindeutig rockigen Charakters zum Mittun anregende Stück „I Feel Good“ von James Brown den ersten Teil des Konzerts.
Nach der Pause ging es weiter mit dem im besten Sinne harmonischen und gefühlvoll interpretierten „Country“ von Keith Jarret, hier sah Buck Wolters nicht nur vom Titel her einen Bezug zur Parklandschaft des Münsterlandes. Es folgte BWV 998, gemäß dem Titelzusatz des Konzertes: „Von Bach bis Zawinul“. Hier offenbarte Burkhard Wolters die ganze Breite seines Könnens, die unprätentiöse Präsentation durch erstklassige Ausbildung erworbener und durch langjährige Praxis gefestigter unbedingter Professionalität. Wolters begeisterte durch beste Technik und natürliche Spielfreude, so daß die vielleicht für Bach typische Kombination von barocker Pracht mit protestantischer Nüchternheit so ganz lebendig wurde. Das letzte vorgetragene Stück „Mercy, Mercy, Mercy“ stammte von Joe Zawinul, einem lange Zeit in Haarlem wirkenden Österreicher. Auch dieses Werk bot Wolters` besonderen Fähigkeiten zum Einsatz perkussiver Spieltechniken reichliche Möglichkeiten und war gespickt mit mitreißenden Improvisationen. Zwar schien zeitweise eine gewisse Gegensätzlichkeit auf zwischen der Bürgerlichkeit der Torhaus-Umgebung und der Musik , die man bei geschlossenen Augen eher in einem Jazz-Club verortet hätte, aber schon zu Beginn hatte Dr. Masthoff bei der Schilderung, wie er drauf gekommen war, Buck Wolters nach Sythen einzuladen, ausgeführt, daß die treibende Kraft dabei seine Frau gewesen sei, die sich nach einem Wolters-Konzert um Jahrzehnte jünger gefühlt habe – dieser Effekt schien viele der Zuhörer im ausverkauften Torhaus ebenfalls erfaßt zu haben!
Für den tosenden Applaus bedankte sich Buck Wolters mit einer wahrhaft einzigartigen Zugabe: er stellte seine „Band“ vor: Schlagzeug, Bassgitarre, das war sein 7-saitiges Modell, Rhythmusgitarre und Leadgitarre – alle gespielt von Buck bzw. Burkhard Wolters höchstselbst – die Zuhörer waren wohl noch ein wenig zu scheu, um diese Präsentation mit den sonst in Clubs etc. üblichen Mitteln zu honorieren und „beschränkten“ sich auf weiteren begeisterten Applaus. Und so erklang als zweite Zugabe ein kurzfristig von Buck Wolters für die Gitarre eingerichtetes und eingeübtes, aber durchaus bekanntes Stück: „Bridge over Troubled Water“ von Simon & Garfunkel, das Wolters eigens Frau Masthoff gewidmet hatte. So endete ein überaus gelungener Ausflug in die (noch?) fremden Gewässer des Crossover, eine wahre Verjüngungskur, die allen nach den langen Zeiten, in denen viele nach Live-Konzerten gehungert hatten, einen überaus anregenden Sonntagvormittag bescherte.
Heidi Siegel
2020
Sonderkonzerte
3 x Gitarre x 3
© Ruhr Nachrichten, 11. August 2020
Sphärische Klänge bei Kurzkonzerten der Sythener Gitarrentage
Lichte Momente in unsicheren Zeiten, so mochte manch einer der Zuhörer empfunden haben, der einem der drei Kurzkonzerte der diesjährigen Sythener Gitarrentage lauschen durfte. Wobei schon die Mehrzahl bei den Tagen nicht stimmt – unter den gegebenen Einschränkungen hatte die KulturStiftung Masthoff aus den traditionell zwei Tagen einen einzigen gemacht und unter dem Motto „3 x Gitarre x 3“ für drei Konzerte mit identischem Programm drei dem Publikum wohlbekannte Künstler gewinnen können: das Amadeus Guitar Duo, bestehend aus Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff, Hans-Werner Huppertz sowie Dale Kavanagh auch als Solistin, die mit Eigenkompositionen das jeweilige Konzert eröffnete. Das erste dieser recht unterschiedlichen kurzen Stücke trug den Titel: „Going Nowhere“, was recht gut zur Stimmung passt: wissen wir doch alle nicht, wohin diese Zeit uns führen wird. Mit technischem Können und einfühlsamer Musikalität präsentierte Dale Kavanagh ihre Kompositionen, man hörte iberische Impressionen, modern Jazziges oder Blues-Ähnliches, mal fließend, mal statisch mit fast perkussiver Basslinie, mal schien eine Reminiszenz an Bach durchzuschimmern. Diese „Going Nowhere“-Stimmung ließ klar werden, welche Kostbarkeit es ist, mit anderen Menschen zusammen einem künstlerischen Ereignis beizuwohnen, das, wie bei allen darstellenden Künsten, in dieser Form einzigartig und unwiederholbar ist. Die Dankesworte, die fast jeder Konzertbesucher beim Abschied an den Veranstalter richtete, zeigten die Sehnsucht, die die meisten Menschen nach solchen Erlebnissen verspüren.
Im Vortrag von Hans-Werner Huppertz, der zu Beginn zwei Werke von Agustin Barrios (1885-1944) anstimmte, klang diese unterschwellige Wehmut mit, insbesondere beim Vals op. 8,3, weniger bei den tänzerischen Rhythmen der temperamentvolleren Danza Paraguaya Nr. 1. Der Komponist der folgenden fünf Stücke, Vicente Emilio Sojo (1887-1974), habe nach Aussage von Hans-Werner Huppertz u.a. auch in Europa Kirchenmusik studiert, was man den Stücken ob ihrer recht strengen Form auch anhören könne. Sie wiesen so auch teilweise choralartige oder barocke Anklänge auf, manches kam tänzerisch-beschwingt, fast wienerisch daher, verleugneten aber nicht die südamerikanisch-iberischen Wurzeln. Dem gekonnt-sicheren, zugleich innigen Vortrag des unprätentiös musizierenden Künstlers wurde mit begeistertem Beifall gedankt.
Zum guten Schluss betraten gewissermaßen alte Freunde des Sythener Gitarrenpublikums die Bühne: das Amadeus Guitar Duo. Das perfekt aufeinander eingespielte Paar begann mit dem 1. Satz der Transkription des Streichquartetts Nr. 2 des russischen Komponisten Alexander Borodin (1833-1887), von Thomas Kirchhoff beschrieben als eine Musik, in der nicht viel geschehe, die aber mit acht Minuten schöner Melodien zu erfreuen wisse. Das folgende Werk von Gaspar Sanz (1640-1710) sei zwar alt, klinge aber frisch – unter den Fingern des Duos war diese Beschreibung von Thomas Kirchhoff jedenfalls absolut zutreffend, klang doch der rasche zweite Satz sehr temperamentvoll, fast rockig. Es folgte eine selbst zusammengestellte Suite aus Stücken des zeitgenössischen Komponisten André Jolivet (1905-1974), Praeludio e Cancona und Andante Melanconico aus der Serenade von 1956. Im Wechsel dazu erklangen Werke von Johann Sebastian Bach - Fuga d-Moll, BWV 539 - in der für zwei Gitarren eingerichteten Fassung für Orgel. Die Musik von Jolivet erinnere ihn an Sphärenklänge, Vorgänge im Kosmos oder Planeten im All, erläuterte Thomas Kirchhoff. Der Wechsel zwischen diesen gegensätzlichen Werken, jenem sphärischen von Jolivet, dessen zweites Stück dunkel, geheimnisvoll, fahl und labyrinthisch wirkte, war spannend, zumal er mit Präludium, BWV 1006a, zu einem lichten, hoffnungsfrohen Ende führte. Begeisterter Beifall der coronabedingt wenigen Zuhörer belohnte die Künstler am Schluss eines heißen Tages.
Heidemarie Siegel
© Recklinghäuser Zeitung, 11. August 2020
Ein Abend wie aus einem Guss
Waren es Licht und Hitze, die Borodin zu mediterranem Flair verhalfen? Oder lag es doch an der Instrumentierung? Den ersten Satz seines zweiten Streichquartetts spielte das Amadeus Guitar Duo beim Sythener Gitarrentag jedenfalls in einer arrangierten Fassung, die so überraschend gut funktionierte, dass man gleich um den Rest des Stückes bitten möchte.
Das Festival im Sythener Schloss bestand in diesem Jahr aus nur einem kürzeren Konzert mit drei Gitarristen, das dafür drei Mal aufgeführt wurde. Irgendwie muss es ja weitergehen. Viele Musiker haben monatelang kaum Konzerte spielen können. Da verdient jeder Veranstalter Lob, der sich kurzfristig um durchführbare Konzepte bemüht, statt ganze Spielzeiten vorzeitig zu beenden. In kleinen Sälen und bei kleinen privaten Veranstaltungen tragen die Musiker trotzdem eine hohe Last. Drei Auftritte an einem Tag sind nicht nur bei den hohen Temperaturen eine enorme Belastung.
Verglichen mit der Streicherversion wirkte Borodins Quartett verspielter und leicht bewegter. So wie man sich eben an einem so schönen Tag fühlt. Die Strukturen eines Streichquartetts mit den vielen thematischen Bezügen blieben im Duo erhalten, aber die Hauptmelodie und Akkordbegleitungen wirkten viel leichtfüßiger. Es passte auch sehr gut zur Klangsprache der eigenen Kompositionen, mit denen Dale Kavanagh die Konzerte eröffnete. Akkorde, die eine freundliche, in sich ruhende Atmosphäre schaffen. Eine Basis auf der Kavanagh die verschiedenen Klangschichten auch wirklich unterschiedlich klingen ließ.
Die beiden langsamen Sätze aus Jolivets Serenade kombinierte das Duo mit zwei ein- und nachgeschobenen Werken von Bach: die Orgelfuge BWV 599 und das Präludium aus der Solopartita BWV 1006. Zwölftonmusik und die Klarheit von Bach, das sind unterschiedliche Klangwelten, die Musiker oft zur gegenseitigen Verstärkung einsetzen.
Es klappte auch hier. Im Gedächtnis bleibt aber, wie frei das Duo die Musik formulieren konnte. So wie ein guter Redner. Das gilt auch für die Espanoleta y Canarios von Sanz.
Musik, über die früher auch improvisiert wurde. Passend dazu gab es noch südamerikanische Musik: Tänze von Agostin Barrios und fünf Kompositionen des Venezolaners Vicente Emilio Sojo. Hans Werner Huppertz legte die vielen Linien beeindruckend versiert übereinander. Ein Abend wie aus einem Guss.
Klaus Lipinski
2019
Amadeus Guitar Duo
© Ruhr Nachrichten, 12. August 2019
Gitarrenduo spielt mit mitreißender Musikalität
Wenn an einem sonnigen Sonntag, dem 11. um 11 Uhr während der zum 11. Male stattfindenden Sythener Gitarrentage ein so hochkarätiges Gitarrenduo wie das Amadeus Guitar Duo zu Gast ist, weiß das treue Publikum, dass es Außerordentliches zu hören bekommen wird. Unter dem Motto „Inspiration-Kontraste-Fantasie“ spannten die an der Musikhochschule Detmold lehrenden Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff einen weiten Bogen vom Barock bis in die Moderne, vom teils überaus Vertrauten im durch die Bearbeitung für zwei Gitarren interessant verfremdeten Kleid, bis zu improvisiert klingenden Eigenkompositionen.
So bildeten zwei Barockwerke, einmal Teile aus der Suite Nr. 7 in g-Moll von Georg Friedrich Händel sowie eine ursprünglich als Triosonate für Mandoline und Basso Continuo komponiertes Konzert in D-Dur von Antonio Vivaldi, gewissermaßen den Rahmen für die übrigen Stücke. Wie Prof. Kirchhoff erläuterte, eignen sich Barockwerke besonders für die Bearbeitung, wurden sie nicht zuletzt von den Komponisten selbst in oft unübersehbarer Zahl für die verschiedensten Besetzungen eingerichtet.
Ungewöhnlicher dagegen die Bearbeitung eines Streichquartettsatzes des russischen Komponisten Alexander Borodin (1833-1887), nach Aussage von Thomas Kirchhoff „acht Minuten schöner Musik, in der nichts passiert.“ Bis dahin hatten die Zuhörer sich jedoch schon ein Bild verschaffen können von dem außergewöhnlichen technischen Können, dem perfekt aufeinander abgestimmten Zusammenspiel und der mitreißenden Musikalität der beiden Interpreten. Abweichend vom gedruckten Programm erklang nach dem Ausflug nach Russland ein Werk des Spaniers Joaquin Rodrigo (1901-199), eine Bearbeitung seines Konzertes für zwei Gitarren und Orchester, in dem Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff nun ihre stupende Virtuosität, gepaart mit sichtlicher Spielfreude präsentieren konnten.
Beim letzten Stück vor der Pause, „Espanoletta & Canarios“ von Gaspar Sanz (1640-1710), glaubte man im ersten Teil würdig schreitende Tänzer den Schlosssaal durchmessen zu sehen, während der zweite Teil mit raschen Passagen und mitunter fast aggressiv klingenden Akkorden und seinem sehr überraschenden Schluss fast nach Neuer Musik klang. Nach der Pause präsentierte Dale Kavanagh eigene Stücke „just for fun“ - wie sie sagte – Jazzig-Modernes, das man sich gut in einer Bar erklingend vorstellen konnte.
Im folgenden Werk des bolivianischen Komponisten Jaime M. Zenamon (* 1953), dem Amadeus Guitar Duo gewidmet, erklangen nach träumerisch-melancholischem Beginn betont rhythmische Passagen, auch der Beginn des zweiten Teils wirkte minimalistisch-perkusssiv, um dann melodisch weitergeführt zu werden, durchaus das „Caprichoso“ des Titels verkörpernd. Mit dem bereits erwähnten Mandolinenkonzert von Vivaldi schloss sich dann der Kreis, dem nach begeistertem Applaus noch eine Zugabe folgte.
Heidi Siegel
Jorge Caballero
© Ruhr Nachrichten, 13. August 2019
Einer der besten Gitarristen der Welt
Am Sonntagnachmittag fand das zweite Konzert der diesjährigen Sythener Gitarrentage statt und wer von den Besuchern des Vormittagskonzerts geglaubt haben mochte, dieser hochkarätige Genuss sei nicht zu übertreffen, der wurde durch den Auftritt von Jorge Caballero eines Besseren belehrt. Der aus Lima stammende weltberühmte Gitarrist, der in New York studiert hat, hatte sein Programm mit dem Titel „Bilder einer Ausstellung“ überschrieben, jenem überaus populären, ursprünglich für Klavier komponierten Werk von Modest Mussorgsky (1839-1881), das den meisten Musikfreunden eher in der 1922 von Maurice Ravel orchestrierten Fassung im Ohr sein dürfte.
Wie Dr. Horstfried Masthoff in seinen Begrüßungsworten ausführte, präsentierte Jorge Caballero eine Transkription der ursprünglichen Klavierfassung des japanischen Gitarristen Kazuhito Yamashita (* 1961), die weltweit wohl nur von diesem selbst und eben Caballero beherrscht würde. Und es grenzte für Gitarrenliebhaber und -kenner tatsächlich an Zauberei, mit welcher Fülle verschiedenster Techniken Caballero die Illusion zu erwecken vermochte, mit einer ganzen Palette der verschiedensten Instrumente die „Bilder einer Ausstellung“ zu illustrieren, und nicht nur mit einer Gitarre und ihren lediglich sechs Saiten. Dabei wirkte sein Spiel immer konzentriert und ernsthaft, aber völlig mühelos.
Auf diesen ohne Zweifel denkwürdigen Höhepunkt des Konzerts waren die Zuhörer vor der Pause mit einer Bearbeitung von Claude Debussys (1862-1918) „Children‘s Corner“ sowie durch zwei Werke von Johann Sebastian Bach (1685-1750), einem Präludium und Fuge aus dem „Wohltemperierten Klavier“ sowie der „Chromatischen Fantasie und Fuge“ (BWV 903) vorbereitet worden, die Jorge Caballero anstelle der im Programm vermerkten Werke von Joaquin Turina ausgewählt hatte. In der Debussy-Bearbeitung begeisterte die feine Ausarbeitung der unterschiedlichen Charaktere der sechs Sätze, vom „Doctor Gradus ad Parnassum“ bis hin zum fetzigen “Golliwogg‘s cake-walk“, während die Bachinterpretationen die Zuhörer staunen ließen, mit welcher unprätentiösen Virtuosität und gleichzeitig unübertrefflichen musikalischen Einfühlung Jorge Caballero diese in ihrer Mehrstimmigkeit nun wahrlich höchst anspruchsvollen Kompositionen auf der Gitarre erklingen ließ.
So war es kein Wunder, dass nach diesem sicherlich außergewöhnlichen Programm, dargeboten von einem der weltweit besten Gitarristen, die Zuhörer begeistert stehend applaudierten und so noch eine Zugabe geschenkt bekamen, das Stück „Cordoba“ op.234, Nr. 4 von Isaac Albéniz.
Heidi Siegel
© Recklinghäuser Zeitung, 13. August 2019
Jorge Caballero sprengt die Grenzen der Gitarre
Ein Weltstar beim Festival im Saal des Sythener Schlosses
Für einen Moment war Sythen der Mittelpunkt der Gitarrenwelt. Zwei sensationelle Stunden, in denen auf der ganzen Welt niemand besser spielte, als Jorge Caballero im kleinen Saal des Sythener Schlosses. Was der Weltstar bei den Gitarrentagen zeigte, werden Sie nicht glauben, weil es eigentlich auf diesem Instrument unmöglich ist. Seine Zuhörer staunen jedenfalls immer noch. Vorher hatte das renommierte „Amadeus Guitar Duo“ das Festival eröffnet, auch sie erwischten einen ausgesprochen guten Tag.
Hätte Jorge Caballero 100 bis 150 Jahre früher gelebt, die Gitarrenliteratur sähe sicher anders aus. Denn was niemand erwartet hatte: Weder in „Bilder einer Ausstellung“ noch in „Children‘s corner“ oder in Bachs „Chromatischer Fantasie und Fuge“ vermisste man das originale Klavier oder das Orchester.
Mit solch immens schwer zu spielenden Bearbeitungen ist Caballero berühmt geworden. Da ist er nicht der erste, so spielt er Mussorgsky oder Dvoraks neunte Sinfonie in Versionen, mit denen Kazuhito Yamashita vor vielen Jahren Aufsehen erregte und die seitdem niemand aufführen konnte. Aber es geht bei Caballero gar nicht um die vordergründige Technik, nicht um die rasende Geschwindigkeit, die er so geschmeidig, mühelos und unaufdringlich zeigt. Er sprengt auf atemberaubende Weise die Grenzen der Gitarre in klanglicher Hinsicht. Viele seiner teilweise extremen Klangfarben erstaunen bereits jede für sich: Erzielt mit enorm variablen Zupfvarianten, mit zarten aber intensiven Flageolett-Linien, unterschiedlich eingesetztem Vibrato und mit Kunstgriffen, wie der Klangwirkung von heruntergestimmten gelockerten Basssaiten. Mal sind es andere Fingerteile, mal ist der Ort des Zupfens, den er immer wieder über fast die ganze Saitenlänge verteilt.
Einzigartig macht ihn, dass er diese ausgefeilten Klänge auch noch gleichzeitig übereinander schichten kann, wenn er mehrere unabhängige Linien spielt. So bestanden seine Fugen aus sehr unterschiedlich gefärbten Linien. Mit dichtem Legato und einem warmen schönen Ton ließ er sich Zeit für die harmonische Intensität und für den Charakter von melancholischen Stücken, wie „Cordoba“ aus den „Chants espagnoles“ von Albéniz. Dieser poetische Ausdruck liegt ihm sehr am Herzen, er ist Teil seines Erfolgs. Aber Caballero weiß auch sonst was er tut. So entwickelte er den Charakter von „Jimbo‘s Lullaby“ nicht nur sehr verträumt, sondern arbeitete die Themenüberlagerungen und das von Debussy zitierte Kinderlied auch noch deutlich heraus.
Im ersten Konzert bezauberte vor allem Thomas Kirchhoff mit schönen Betonungen und leichten Zäsuren, die seinen Linien in Händels 7. Suite einen Hauch von freier Sprache gaben. Die Sarabande erhielt bei aller Poesie eine tänzerische Betonung, die das Duo in den Canarios von Sanz oder dem „Concierto Madrigal“ von Joaquin Rodrigo noch stärker auslebte. Dale Kavanagh zeigte Eigenkompositionen mit einer strahlend hellen harmonischen Sprache, die Ohren zum Lächeln bringen kann.
Klaus Lipinski
Juan Carlos Arancibia Navarro
© Ruhr Nachrichten, 26. August 2019
Bestens vorbereitet und hoch konzentriert
Wer bei einem Gitarrenfestival nach Jorge Caballero auftreten muss, hat ein Problem. Das dachte sich auch Juan Carlos Arancibia Navarro, für den der weltberühmte ältere Landsmann aus Peru eine große Legende ist. Das begeisterte Publikum im Sythener Schloss nahm ihm diese Sorge allerdings schnell. Denn der immer noch junge Gitarrist präsentierte sich bestens vorbereitet, hochkonzentriert und mit einem sinnlichen Interpretationsansatz, der genau zu Licht und Stimmung des wunderschönen Tages passte.
Navarro wird als Solist schnell etwas unterschätzt, weil er in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren als Teil des „Arie Duo“ bekannt geworden ist. Zusammen mit der Flötistin Anita Farkas spielte er bereits bei den Gitarrentagen und den Halterner Museumskonzerten.
Ein Musiker, der sehr emotionale Momente erschaffen und mit seiner persönlichen Art prägen kann. Wenn das Thema in den „Asturias“ von Albéniz wiederkehrte, klingt das bei ihm wie eine weit entfernte leise Erinnerung, die gleichzeitig enorm viel Raum zur Steigerung bekommt. Navarro hat den künstlerischen Mut, solchen Momenten eine besondere inhaltliche Bedeutung zu geben. Das gilt auch für die große Innigkeit, die viele langsame Teile erhielten. Etwa in Fernando Sors „Variationen über ein Thema aus Mozarts Zauberflöte“. Nicht nur hier gab er der Melodie sehr viel Zeit und dynamischen Raum, um die Spannung im Verhältnis zum Bass auszukosten und behutsam aufzulösen.
Endlich hörten wir einen Gitarristen, der wichtige Werke spielt, die im Original für sein Instrument entstanden sind und der nicht nur andere Musik bearbeitet. Am Anfang stand mit der „Sevillana“ von Joaquin Turina ein Werk, das der Komponist für Andres Segovia schrieb und das daher entsprechend anspruchsvoll beginnt. "Rasgueado" nennt man diese virtuose Akkord-Technik, die im Flamenco populär ist und bei der die Finger effektvoll nacheinander über sämtliche Saiten schlagen. Schnell, scharf und aggressiv? Nicht für Navarro, der gleichzeitig sehr schön auf die unterschiedliche Spannung der Akkorde achtet und gar nicht versucht, den Hörer mit seiner Virtuosität und vielen schnellen Tönen zu erschlagen. Schon hier zeigte er seine beeindruckende virtuose Fähigkeit mit dem Daumen eine melodische Linie zu gestalten. Dicht und sehr gesanglich phrasiert.
Mit der „Libra Sonatina“ von Roland Dyens und Carlo Domeniconis „Koyunbaba“ setzte Navarro Musik von zwei genauso wichtigen wie bemerkenswerten Komponisten auf sein Programm. Beide sind und waren Gitarristen, kennen also alle Möglichkeiten und klanglichen Effekte ihres Instruments. Und beide zeigen, dass „Neue Musik“ auf der Gitarre einen anderen Charakter hat, als sie es oft bei anderen Instrumenten hat. Hier gibt es keine Angst vor schönen Klängen, vor impressionistisch farbigen Akkorden, vor einer musikalischen Grammatik, die noch sehr viel mit Sprache zu tun hat und vor Verwandtschaft zu Jazz und Weltmusik aller Art. Sehr effektvoll setzte Navarro die Imitationen einer Sitar und die Slap-Technik eines funkigen Basses in Szene, mit denen Dyens sein Werk beendete. Inhaltlich soll es seinen ersten Herzinfarkt zeigen. Manchmal muss man als Hörer gar nicht alles wissen, um musikalisch alles zu verstehen. Das gilt auch für die Zugaben von Francisco Tarrega: Das wunderschöne „Caprichio Arabe“ und die „Recuerdos de la Alhambra“, die bei keinem Gitarrenfestival fehlen.
Klaus Lipinski
Duo Joncol
© Ruhr Nachrichten, 27. August 2019
Wie eine einzige Person
Wenn sie nicht schon verheiratet wären, würden wir ihnen das dringend empfehlen. Denn zumindest musikalisch war beim Duo Joncol höchstes Glück garantiert. Besser kann man nicht zusammenspielen. Zum Abschluss der Sythener Gitarrentage entführten Britta Schmitt und Carles Guisado ihre Zuhörer auf eine Reise durch die spanische Musik. Dabei zeigten sie, wie beeindruckend eng zwei Musiker zu einem gemeinsamen Klang verschmelzen können.
Es gibt Duos, die ihren Klang eher wie einen spontanen Dialog zwischen zwei Persönlichkeiten entstehen lassen. Das können die Joncols natürlich auch an den passenden Stellen. Aber ihnen gelang die viel schwierigere Aufgabe, einen Gesamtklang so sorgfältig zusammen zu setzen und farblich so fein abzustimmen, dass er wie von einer Person gespielt wirkte. Dass die dann auch noch quicklebendig zu den Hörern spricht, ist höchste Kunst.
Die Übereinstimmung war dabei in vielen Bereichen enorm hoch: Schnelle Läufe und die vielen, so wichtigen kleinen Zäsuren liefen erstaunlich präzise parallel. Ein gemeinsames musikalisches Atmen. Mit Tempoveränderungen, die hier ungemein leicht und selbstverständlich erschienen. Beide sind sehr variabel, zupfen oft mit weichen, kurzen und abgedämpften Klängen. Sie erschaffen damit eine Einheit, in der die Rollenverteilung oft gleich bleibt. Schmitt übernimmt häufiger die Melodie, Guisado ist oft für die Basslinie und die Akkorde zuständig. Es könnte nicht besser funktionieren.
Besonders deutlich wurde es bei einigen der „Escenas romanticas“ von Enrique Granados. Den rückte das Duo stilistisch in die Romantik. Nicht nur im „Epilogo“, dessen zarte Melodie weit über den begleitenden leisen Arpeggien lag, wirkte es so, als würde die rechte und die linke Hand eines einzigen Pianisten spielen. Im Original sind die Stücke von Granados für Klavier entstanden, genau wie die Werke von Isaac Albéniz. Aber natürlich sind dort so viele spanische Gitarrenelemente verarbeitet, dass die Rückübertragung problemlos funktioniert.
In anderen Konzerten tritt das Duo zusammen mit einem Perkussionisten und einer Sängerin auf. Diese musikalischen Inhalte zeigen sie aber auch alleine. Guisado singt dabei die typischen Flamencolinien noch etwas intensiver, etwa in der Einleitung des „Danza del Molinero“ von Manuel de Falla. Britta Schmitt ist allerdings musikalisch schon weit mehr als eine Halb-Spanierin.
Die Bewegung von Musik wurde auch sonst zum wichtigen Inhalt. Nicht nur wegen der Verbindung zum Tanz. Guisado findet überall im Leben Rhythmus und interpretiert ihn als Tanz. Auch den ersten Herzschlag ihrer Tochter, den er in einer eigenen Komposition verarbeitete. Beide nutzten die Gitarre auch als Perkussionsinstrument, wie in „Jongo“ von Paulo Bellinati, Musik, zu der man auch Capoeira tanzen könnte. Den breiten Spagat zwischen diesem mitreißenden musikalischen Feuer und der zerbrechlichen Poesie in „Agua e vino“ von Egberto Gismonti meistern nicht viele Duos so überzeugend. Man sollte längst mehr von ihnen gehört haben.
Klaus Lipinski
2018
Jaume Torrent
© Recklinghäuser Zeitung, 28. August 2018
Perfekter Ausklang der Gitarrentage
Ein Komponist weiß meistens viel über Musik. Um so besser, wenn er auch als Musiker gut genug ist, um das auf der Bühne zu zeigen. Das gilt auch für Jaume Torrent, der zum Abschluß der Sythener Gitarrentage zeigte, daß er auch die Ideen anderer Komponisten intuitiv und präzise versteht. Der ehemalige Direktor der Musikhochschule in Barcelona ist als Komponist mindestens so bekannt wie als Gitarrist.
Auf seiner Homepage findet man nicht nur eigene Werke, sondern ein großes Repertoire. Unter anderem Villa-Lobos, Turina, Mompou jeweils komplett. Die erste Hälfte im Sythener Schloß widmete er Fernando Sor. Allerdings mit erheblichen technischen Problemen. Kein guter Tag. Es lag vor allem an der Luftfeuchtigkeit, wie er selbst sagte. Kosmetikpuder soll später den Händen geholfen haben, genauer Rouge. Ob es Auswirkungen auf die Klangfarben hatte? Jedenfalls bot er nach der Pause ein ganz anderes Niveau. Vorher verdiente er immerhin ein Lob für die gute Programmauswahl, die Fantasie „Les Adieux“ oder die Variationen über ein Thema von Paisiello.
Starke Momente hatte Torrent immer, wenn er in seine ganz eigene Welt eintauchen konnte und dabei die emotionale und klangliche Spannung von Akkorden zeigte. Als Komponist erkennt er genauer als andere Interpreten, welche Töne innerhalb eines Akkordes die Farbe und Spannung prägen. Die Akkorde verbindet er beim Greifen möglichst eng, verfolgt Entwicklungen und Verbindungen genau. Wichtig sind ihm die verschiedenen Stimmen und Schichten übereinander. Die hohen Repetitionen in „Asturias“ erhielten genau so viel Gewicht wie die eingeschobenen leisen Melodieteile in „Rumores de la Caleta“. Die traditionellen Wurzeln in den spanischen Stücken kennt er genau, etwa im dritten Satz von Turinas Sonate op 61 oder im fünften spanischen Tanz von Granados.
Was er in seinen eigenen Kompositionen beachtet, findet er auch in den Interpretationen der Werke anderer Komponisten. Ein Musiker, der sehr klangorientiert schreibt, ohne Extreme zu suchen. Wie eine Fortsetzung impressionistischer Ideen mit einigen schärferen Klangkombinationen. „Noches de verano“ hieß das frühe Werk, nach dem man gerne mehr von ihm gehört hätte.
Klaus Lipinski
© Ruhr Nachrichten, 28. August 2018
Ein Musiker der Extraklasse
Im Nachmittagskonzert widmete sich der spanische Gitarrist und Komponist Jaume Torrent ausschließlich den „Juwelen spanischer Gitarrenmusik“. Im ersten Block des Konzerts präsentierte Torrent, der selbst als Komponist unter anderem von fünf Konzerten für Gitarre und Sinfonieorchester hervorgetreten ist, ausschließlich dem spanischen Komponisten Fernando Sor, den man als den „Beethoven der Gitarre“ bezeichnet habe, so Torrent.
Erschlossen sich die Interpretationen Torrents den Zuhörern zunächst eher schwer, so sorgte er im zweiten Teil des Konzerts für Furore. Die „Dos Piezas Españolas“ von Issac Albéniz goutierten die Zuhörer mit begeisterten „Bravo“-Rufen. Die Sommernachtsstimmungen in seiner Eigenkomposition „Noches de Verano“ waren ein weiterer emotionaler Höhepunkt. Erst nach zwei Zugaben durfte der Künstler die Bühne im Schloss Sythen verlassen.
Jürgen Wolter
ensemble trioLogie
© Ruhr Nachrichten, 28. August 2018
Konzert mit viel Seele
Die große musikalische Bandbreite der Schlosskonzerte bei den Sythener Gitarrentagen wurde am zweiten Konzerttag dieses Jahres am vergangenen Sonntag wieder einmal besonders deutlich. Mit dem Ensemble „trioLogie“ und dem spanischen Gitarristen Jaume Torrent gastierten erneut Musiker der Extraklasse.
„trioLogie“, das sind drei junge Musiker aus Deutschland, die einen ungewöhnlichen Ensembleklang kreieren: Kristina Lisner und Melanie Hilker spielen Mandoline, Mandola und Barocklaute, Markus Sich ergänzt das Klangspektrum mit der Gitarre oder der Liuto Forte (starke Laute). Alle drei haben bei Gitarristen studiert, die bereits bei den Sythener Gitarrentagen gespielt haben. „Für uns schließt sich heute ein Kreis“, sagte deshalb Melanie Hilker zu Beginn des Konzerts.
Wie vielfältig die Klangkombinationen ihrer Instrumente sind, bewiesen sie mit einer Zeitreise durch mehrere Jahrhunderte der Musikgeschichte, vom Barock bis zu zeitgenössischen Komponisten. Viele Stücke, wie etwa die „Sonata a tre“ g-Moll von Antonio Vivaldi, sind für die Instrumente des Trios neu arrangiert. „Eigentlich wurde die Sonata für Violinen geschrieben, aber da die Violine genauso gestimmt ist, wie die Mandoline, ließ sie sich für uns gut übertragen“, so Melanie Hilker.
„Con anima - mit Seele“ hatten die Drei ihr Programm überschrieben. Zu allen Stücken oder ihren Komponisten haben sie besondere Bezüge, zum Beispiel zum bulgarischen Komponisten Rossen Balkanski, dessen „Arioso“ (eine Wanderung von der Arie zu bulgarischen Tänzen) sie endrucksvoll präsentierten. Bei der „Suite Buenos Aires“ von Máximo Diego Pujol wurden die Resonanzkörper der Gitarre und der Mandolinen sogar zeitweise zu Schlaginstrumenten. Es gab außerdem eine Uraufführung: Die „Tre Canzoni da Ballo“ hat Christoph Kirschbaum eigens für das Trio komponiert.
Jürgen Wolter
Friedemann Wuttke
© Ruhr Nachrichten, 14. August 2018
Von den Wiener Klassikern bis nach Südafrika
Friedemann Wuttke bestritt das zweite Konzert der Sythener Gitarrentage. Sein Programm setzte auf Kontraste der Kontinente und Epochen. Technische Perfektion und kraftvolles Spiel: Friedemann Wuttke überzeugte auf Schloss Sythen mit einem anspruchsvollen Programm.
Wuttke studierte an der Musikhochschule Stuttgart und vervollständigte seine Musikausbildung unter anderem in Meisterkursen international bekannter Solisten sowie mit dem russischen Weltklasse-Pianisten Igor Zhukov.
Sein vielseitiges Repertoire ist geprägt von klaren Inhalten. Auch in Sythen präsentierte Wuttke ein strukturiertes Programm. Im ersten Teil stellte er kontrastierend fünf Gitarrenstücke von Ferdinando Carulli (1770 bis 1841) als Beispiel der Wiener Klassik sieben Etuden und Preludien des brasilianischen Virtuosen Heitor Villa-Lobos (1887 bis 1959) gegenüber.
Im zweiten Teil nach der Pause standen Variationen aus Barock und Klassik im Mittelpunkt: Friedemann Wuttke spielte die äußerst anspruchsvolle Chaconne in d-Moll von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) in einer Perfektion, die bei manchen Zuhörern für pures Erstaunen sorgte. Federleicht und melodiös endete das Konzert mit Variationen zu Mozarts Zauberflöte von Fernando Sor (1778 bis 1839) und zwei Zugaben, ohne die die Besucher des ausverkauften Konzerts den Künstler nicht entlassen wollten.
Friedemann Wuttkes Spiel war in Sythen geprägt von kraftvollem Klang; gefühlvolle, sanfte Passagen kamen erst gegen Ende des Konzerts stärker zum Tragen.
Mit dem Stuttgarter Gitarristen war erneut ein Solist von Weltrang zu Gast in Sythen. Dr. Horstfried und Eva Masthoff schaffen es mit ihrer Kulturstiftung und der Unterstützung der Volksbank Haltern immer wieder, hervorragende Solisten ins Sythener Schloss zu holen. „Das war anfangs schwieriger, ist aber inzwischen ein Selbstläufer, viele Konzerte kommen durch persönliche Kontakte zustande“, so Horstfried Masthoff.
Der zweite Teil der Sythener Gitarrentage findet am 26. August (Sonntag) statt. Zu Gast sind dann um 11 Uhr das „ensemble trioLogie“ und um 17 Uhr der spanische Gitarrist und Komponist Jaume Torrent.
Jürgen Wolter
Borbála Seres
© Recklinghäuser Zeitung, 14. August 2018
Warmherzig und verträumt
Wie die junge Ungarin Borbála Seres das Publikum der Sythener Gitarrentage begeisterte und zu stehend dargebrachten Ovationen animierte
Schon der erste Ton offenbarte die großartige Musikerin. Die Konzentration, mit der Borbála Seres ihn vorbereitete, die Intensität, die sie dem Klang gab, die Aufmerksamkeit, mit der sie ihn genau dosierte und im Raum hinterher lauschte. Kein Wunder, dass die junge Ungarin bei den Sythener Gitarrentagen am Ende mit stehenden Ovationen gefeiert wurde.
Ihre Musik: Warmherzig, verträumt und immer am Hörer orientiert. Sie selbst drängt sich auch bei technisch schwierigen Passagen nicht in den Vordergrund, sondern vermittelt Gefühle, nimmt die Hörer mit in ihre Welt. Vor allem bei langsamer lyrischer Musik folgte an diesem Morgen jeder gerne. Etwa in Duartes „Idylle pour Ida“ oder „Julia Florida“ von Augustin Barrios.
Wunderbar frei schwebte die Oberstimme über leisen Begleitungen, etwa in der langsamen Scarlatti-Sonate K 208 und dem Largo-Teil der Elegie von Johann Kaspar Mertz. Dynamisch deutlich abgestuft; so bleibt viel Raum, um die harmonische Spannung von Dissonanzen mit großer emotionaler Wirkung aufzulösen. Seres verzögert dabei zusätzlich, gibt Scarlatti mit ihrer persönlichen Art einen stärkeren romantischen Charakter. Die Musik atmet dabei deutlich ein und aus, man fühlt sich als Hörer sehr wohl.
Wiederholt sich etwas in der Musik, dann war es bei ihr nie gleich. Sie sagt es immer anders. Zum Beispiel veränderte sie in den Wiederholungen von K 208 die Verzierungen, man blieb stets neugierig, was noch passieren könnte. Die verschiedenen Klangschichten in Fernando Sors op. 14 legte sie mühelos übereinander, sehr schön mit Blick auf die obere Stimme von Akkorden ausbalanciert. Auch mit den Tänzen, die von den Komponisten verarbeitet wurden, kennt sich Borbála Seres gut aus. Das gilt für den Walzer von Augustin Barrios und die Tarantella von Mertz genau so wie für „Tango en skai“ von Roland Dyens.
Klaus Lipinski
© Ruhr Nachrichten, 13. August 2018
Filigran und mit tänzerischer Leichtigkeit
Sie kam direkt aus Budapest, wohin sie auch am Sonntagnachmittag schon wieder zurückflog: Borbála Seres bestritt das erste Konzert der diesjährigen Sythener Gitarrentage. Sie riss das Publikum schon vor der Pause von den Sitzen.
Die 34-jährige Ungarin hat sich nicht nur durch zahlreiche Lehraufträge, sondern vor allem durch eine umfangreiche Konzerttätigkeit als Solistin einen Namen gemacht. Sie brachte ein anspruchsvolles Programm mit nach Sythen, unter anderem mit Kompositionen von Mauro Giuliani (1781 – 1829) und Fernando Sor (1778 - 1839). „Beide Komponisten haben dazu beigetragen, die Gitarre als Soloinstrument in die Konzertsäle zu bringen“, sagte Dr. Horstfried Masthoff zu Beginn des Konzerts bei der Begrüßung. „Deshalb freue ich mich besonders, dass ihre Werke heute hier zu hören sind.“ Das Instrument Gitarre zu fördern und seine vielfältigen Möglichkeiten der Öffentlichkeit bekannter zu machen - das war auch der Antrieb, der Horstfried Masthoff veranlasste, die Sythener Gitarrentage ins Leben zu rufen. Sie finden seit genau 10 Jahren im Schloss Sythen statt. „Es gab zwei Vorläuferveranstaltungen, dann entwickelte ich das Konzept der Konzerte in Kombination mit einem Picknick, bzw. später Speisen und Getränken aus dem Restaurant Pfeiffers Sythener Flora“, so Dr. Horstfried Masthoff. Das Image der Gitarre sei angekratzt gewesen; seit der Jugendbewegung Anfang des 20. Jahrhundert sei das Instrument mehr als die „Klampfe“ im Sinne der Lagerfeuerromantik verstanden worden. Dieses Image zu ersetzen, dazu tragen die Gitarrentage seit zehn Jahren bei, wofür der Förderverein und die Rentnerband des Schlosses sich bei der Kulturstiftung Masthoff bedankten.
Borbála Seres untermauerte die These eindrucksvoll, dass die Gitarre ein kleines Orchester sein kann: Ihr feinfühliges und filigranes, manchmal in sich gekehrtes Spiel kontrastierte immer wieder mit tänzerischer Leichtigkeit und kraftvollen Passagen. Dabei spannte sie den Bogen von der Klassik bis in die Neuzeit. Das Publikum honorierte ihre künstlerische Leistung mit Standing Ovations. Ein spannender Auftakt der diesjährigen Gitarrentage, der neugierig macht auf die folgenden Konzerte.
Jürgen Wolter
2017
Prof. Caterina Lichtenberg & Mike Marshall
© Ruhr Nachrichten, 29. August 2017
Hinreißende Spiellust
Zwar steht im Mittelpunkt der Sythener Gitarrentage – natürlich – die Gitarre, dennoch erlebten die zahlreichen Zuhörer, die am Nachmittag den Weg ins Schloss gefunden hatten, auch mit Verwandten aus der Familie der Zupfinstrumente – nämlich zwei Mandolinen – ein furioses Abschlusskonzert.
Als Vermittler diente der ausgezeichnete Vortrag des talentierten jungen Gitarristen Mischa Feizi (wie berichtet), der konzentriert und mit feinem musikalischen Gefühl die Fuge a-Moll, BWV Nr. 1000 von Johann Sebastian Bach präsentierte.
Das Hauptprogramm unter dem Motto „Magische Mandoline – eine Reise von Europa nach Amerika“ bestritten dann Prof. Caterina Lichtenberg, die in Köln lehrt, und der aus den USA stammende Mike Marshall. Die Reise durch Epochen und Kontinente begann in Brasilien mit einem folkloristisch gefärbten rasanten Stück von Jacob do Bandolim (1919-1969), gefolgt von einem von Mike Marshall komponierten Werk, das eine Reihe jazziger Elemente enthielt und schon die ganze Spielfreude und Vielseitigkeit der beiden Künstler aufblitzen ließ.
Die folgende Sonate in G-Dur, RV 71, von Antonio Vivaldi (1678-1741), ursprünglich für zwei Violinen komponiert, verwies dann auf die musikalische Heimat von Prof. Lichtenberg. Perfekt aufeinander abgestimmt und mit technischer Brillianz präsentierten sie das Werk, tänzerisch beschwingt im Allegro, die schon recht kühnen Harmonien Vivaldis auskostend im Largo und mit virtuoser Spritzigkeit im Schlussallegro. Mit hinreißender Spiellust in einem Blue-Grass-Werk von Mike Marshall – „Big Man From Syracuse“ verführten die Künstler das Publikum zum Füßewippen, kehrten dann mit den wohlbekannten zweistimmigen Inventionen Nr. I, III und IV von Johann Sebastian Bach in das Zeitalter des Barock zurück, um unmittelbar danach mit einem amerikanischen Traditional „Elzic's Farewell“ wieder in den USA zu landen.
Nach der Pause setzte das Duo sein Programm mit der Kanonsonate Nr. 1 von Georg Philipp Telemann (1681-1767) fort, um von da aus mit dem ihm gewidmeten Werk „Bokeh“ des zeitgenössischen Komponisten Daniel Huschert (*1977) direkt in die Moderne zu springen. Dieses Stück stellte in seiner äußerst differenzierten Struktur und die teilweise an Minimal Music oder fernöstliche Klangspektren gemahnende Charakter hohe Anforderungen an Konzentration und präzises Aufeinanderhören, was die beiden erfahrenen Künstler, die auch privat ein (Ehe)paar sind, souverän meisterten.
Das folgende Werk des unbekannten Komponisten Wenzel Pichl (1741-1805), eine Sonata in D-Dur, wurde von Prof. Lichtenberg solistisch auf einer wunderschön anzuschauenden Barockmandoline dargeboten, die, höher und in anderen Intervallen gestimmt, mit einem Naturfederkiel gespielt wird; das mit sechs (statt vier) Doppelsaiten ausgestattete Instrument bot ein ganz besonders bezauberndes Klangerlebnis. Das solistische Gegenstück Mike Marshalls stellte die mitreißende Vorstellung eines Medleys aus irischer Fiddle Musik, Blues und temporeichem Bluegrass, teilweise mit Gesang dar. Den Abschluss dieses herrlich erfrischenden Konzerts zweier internationaler Ausnahmekünstler bildete je eine Komposition von Prof. Lichtenberg – ein Wiegenlied, sowie „Borrealis“ von Mike Marshall. Die begeisterten Zuhörer entließen die Künstler erst nach zwei Zugaben.
Heidi Siegel
Tristan Angenendt
© Ruhr Nachrichten, 29. August 2017
Ganz und gar Spanisch
“Homenaje – Segovia und das Goldene Zeitalter der spanischen Gitarre” so lautete der Titel des Vormittagskonzerts des zweiten Aufführungstages der diesjährigen Sythener Gitarrentage. Mit der Einladung von Tristan Angenendt, einem in einer Vielzahl von Wettbewerben erfolgreichen Künstler und “Meisterschüler” des Kölner Gitarrenprofessors Hubert Käppel, hatte Veranstalter Horstfried Masthoff eine überaus gelungene Wahl getroffen, bekam doch das wie immer zahlreich erschienene Publikum Musik für Gitarre solo vom Feinsten geboten.
Der Künstler eröffnete sein Konzert mit einem Werk des spanischen Komponisten Manuel de Falla (1876-1946). Er gestaltete das um 1920 entstandene kurze Stück sehr ausdrucksstark, mit guter Dynamik und bester Technik. Wie Tristan Angenendt in einer seiner informativen kleinen Einführungen darlegte, handelte es sich beim nächsten Werk, einer von Segovia in Auftrag gegebenen „Sonata romantica“ von Manuel Maria Ponce (1882-1948) um eine Hommage an Franz Schubert, was nicht nur in der traditionellen Sonatenform zum Ausdruck kam, sondern auch in den eingängigen und dabei unprätentiösen Themen der vier Sätze. Sein souveränes Können niemals in den Vordergrund stellend verstand es der Gitarrist meisterhaft, dem zwischen schlichten Melodien und virtuosen Zugriff fordernden Passagen changierenden Werk Glanz zu verleihen.
Als letztes Stück vor der Pause erklang die berühmte Chaconne aus der Partita Nr. 2 BWV 1004 von Johann Sebastian Bach, die sich in ihrer gewagten Harmonik und kunstvollen Mehrstimmigkeit wunderbar für den Vortrag auf der Gitarre eignet, obgleich sie ursprünglich für Solovioline komponiert ist. Neben der sicheren Virtuosität wusste Angenendt hier vor allem auch durch die Wahl stets passender Tempi zu gefallen.
Nach der Pause ging es dann mit Ausschnitten aus der „Suite espanola“, op. 47 von Isaac Albéniz (1860-1909) ganz und gar spanisch weiter, stellen doch die gewählten, sehr populären Sätze Nr. 3 und 5 - Sevilla und Asturias - gewissermaßen den Inbegriff spanischer Gitarrenmusik dar. Auch für den meisterhaften Vortrag der folgende Sonata in D-Dur op. 61 von Joaquín Turina (1882-1949) spendete das Publikum dem ebenso ernsthaften wie begeisternden Künstler anhaltenden Beifall.
Das Konzert fand seinen krönenden Abschluss in einer Hommage an den Violinvirtuosen Paganini, ein „Capriccio diabolico“ op. 85 des italienischen Komponisten Mario Castelnuovo-Tedesco (1895-1968), in dem Tristan Angenendt noch einmal in mühelos wirkender Selbstverständlichkeit die Anforderungen des Stückes meisterte. Mit einer Zugabe von Villa-Lobos bedankte er sich für den Applaus.
Heidi Siegel
GuitArtist Quartett
© Ruhr Nachrichten, 15. August 2017
Internationale Klänge beim Quartett GuitArtist
Auch das Nachmittagskonzert der Sythener Gitarrentage 2017 fand, wie immer, im ausverkauften Hause statt und tauchte mit dem GuitArtist Quartett, bestehend aus Ingo Brzoska, Ludger Bollinger, Peter Brekau und Guy Bitan in eine ganz andere Klangsphäre ein als in die am Morgen gebotene Welt der Oper und des Tango, was nicht nur der unterschiedlichen Thematik, sondern vor allem dem ganz eigenen Klang von vier Gitarren geschuldet ist. Das seit nunmehr zehn Jahren bestehende Quartett hatte sein Programm mit „Classical Crossover“ überschrieben und bot eine bunte Vielfalt von Barock über Eigenkompositionen der Mitglieder bis hin zur Zugabe „Bon jour de la Ruhr“. Zu Beginn erklang ein Arrangement von Ingo Brzoska aus Georg Friedrich Händels „Ankunft der Königin von Saba“, der auch als Komponist der folgenden, sich an barocker Formensprache orientierenden „Pastourelle“ und „Toccatina“ fungierte – das eine, wie Brzoska es beschrieb, „Wohlfühlmusik“, in seiner Unaufgeregtheit dahin sprudelnd wie ein Wiesenbach, das andere entsprechend der formalen Vorlage eher rhythmisch betont. Auch das folgende Werk „Comme une Bourrée“ stammte aus der Feder eines Quartettmitglieds. Hier hatte der in Tunesien geborene Guy Bitan eine frische, fast jazzige Hommage an Johann Sebastian Bachs erste Lautensuite geschaffen, die in ihrem Klangspektrum die Variabilität der vier Gitarren voll nutzte und vom an E-Gitarrenklänge erinnernden Sound bis zu cembaloähnlichen Tönen und perkussiver Nutzung des Gitarrenkorpus reichte. Mit einer von Ingo Brzoska bearbeiteten Sonate von Domenico Scarlatti, in der das bekannte Klavierwerk (ursprünglich für Cembalo) in neuem, interessantem Gewand daherkam und mit Bearbeitungen der „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy endete der erste Teil des Konzerts.
Nach der Pause erklang, wiederum von Guy Bitan, eine mitreißende „Hommage à Dave Brubeck“, der das von Paul Desmond komponierte Stück „Take five“ mit seiner Band einst weltberühmt gemacht hatte. Nach langsamem, fast barock anmutendem kanonischem Beginn wandelte sich das Werk in modernere Klänge, allmählich das Tempo forcierend, begannen die vom Komponisten angedeuteten Variationen verschiedener 5-er Rhythmen, um am Schluss das Thema aufzugreifen, das durchgängig in der Textur zu erkennen war. Hier, wie auch bei den perkussiven Elementen und den präzisen Pausen, war das gediegene Aufeinanderhören der Quartettmitglieder hervorzuheben. Das folgende, vom Quartettmitglied Peter Brekau komponierte Stück „Herencia Andaluza“ (Andalusisches Erbe) sollte mit seinen drei Sätzen „Al Andalus“, „Atardecer en Sierra Nevada“ (Abenddämmerung in der Wüste) und „La fiesta de la naranja“ (Apfelsinenfest) eine Hommage an andalusische Freunde darstellen. Der in spanischem Stil eher konventionell, aber niemals banal klingende erste Abschnitt wusste ebenso zu begeistern, wie die mandolinenartigen Klänge des zweiten und die von rhythmischem Klatschen begleitete Festtagsstimmung des letzten Satzes. Als letztes Stück hatte das Quartett Ausschnitte aus einem Werk des kürzlich verstorbenen Gitarristen Roland Dyens gewählt, „Hamsa“, was auf arabisch „fünf“ bedeutet und sich auf eine mythische Interpretation der Mohammed-Tochter Fatima bezieht. Die Sätze „Première Nouvelle“, „Ballade en Fauré“ und „Tunis, Tunisie“ klangen jazzig-französisch, teils sehr lyrisch und melodiös, der letzte, entsprechend seinem Titel minimalistisch-orientalisch mit ausgesprochen rhythmischen Elementen über einem betörenden Klangteppich. Der schon erwähnten ersten Zugabe „Bon jour de la Ruhr“ folgte noch eine zweite, eine Bearbeitung der bekannten Pavane von Gabriel Fauré.
Heidi Siegel
Arie Duo
© Ruhr Nachrichten, 14. August 2017
Carmen und Tango
Mit einer furiosen Vorstellung, betitelt mit: „Carmen, die Fledermaus und der Tango“, eröffnete das Arie Duo - das sind Anita Farkas aus Ungarn und Juan Carlos Arancibia Navarro aus Peru - die diesjährigen Sythener Gitarrentage. Das interessant gestaltete Programm begann mit der „Fantaisie Brillante“ des Komponisten Francois Borne (1862-1929) über ein Thema aus der Oper Carmen, in der die Flöte in sehr einfühlsamem Zusammenspiel mit der Gitarre wahrhaft brillieren konnte, wozu die eingängigen Melodien der von Bizet komponierten Oper auch wie geschaffen erschienen. In den folgenden, auch auf eine Oper, diesmal die „Die Zauberflöte“, bezugnehmenden Variationen des Komponisten Fernando Sor (1778-1839) für Gitarre solo konnte dann Navarro solistisch glänzen. Nach getragenem Beginn erklangen die in sehr differenzierter Dynamik vorgetragenen, teils überaus virtuosen Variationen der Melodie „Das klingt so herrlich“ dergestalt, dass wohl auch Mozart selbst sich daran erfreut hätte.
Vor der Pause entführten die Künstler das Publikum mit der „Histoire du Tango“ des argentinischen Komponisten Astor Piazzolla (1921-1992) nicht nur in die Geschichte des Tangos, sondern auch an die Orte, an denen er wohl erklungen ist und wahrscheinlich immer noch erklingt. Zu Beginn etwas aggressiv, mit Klopfen auf dem Gitarrenkorpus auch perkussiv, dann eher lasziv die bekannte Tangomelodie mit der Gitarre aufgreifend, gab sich der erste Satz, „Bordel 1900“, gefolgt von „Café 1930“, bei dem das anfängliche, melancholische Gitarrensolo, gefolgt von impressionistisch gefärbter Flöte durchaus den Eindruck eines einsamen Cafébesuchers erwecken konnte. Im „Nightclub 1960“ ging es dann lebhafter zu, dem entsprach das gut aufeinander abgestimmte Zusammenspiel von Gitarre und Flöte, die sich hier auch erweiterter Spieltechniken bediente. Und im letzten Satz – überschrieben mit „Concert d’aujourdhui“ - konnte man den Einbruch der Moderne schon deutlich spüren, wie übrigens auch spürbar war, dass dieses Werk im Original für diese Besetzung komponiert worden war.
Nach der Pause erklang als Uraufführung ein vom Londoner Komponisten Alan Thomas (*1967) dem Arie Duo gewidmetes Werk, „Fantasy on Themes from „Die Fledermaus““, das in origineller Weise die wohlbekannten Melodien aufgriff und den Künstlern Raum zur Präsentation ihrer Fähigkeiten bot. Die „Suite Buenos Aires“ des Komponisten Máximo Diego Pujol (*1957) nahm die Zuhörer wieder mit auf eine Tango-Reise, diesmal in verschiedene Stadtviertel der Großstadt. So bot sich „Pompeya“ temperamentvoll und voller Dynamik an, unterbrochen von lyrisch-zarten Gitarrenpassagen. Während „Palermo“ sehr ruhig und friedvoll schien. In „San Telmo“ überwogen dann, neben einigen melodischen Passagen, die rhythmisch-perkussiven Elemente und das temperamentvoll Tänzerische.
Einen der Höhepunkte des Konzerts stellten Ausschnitte aus der von Daniel Alomía Robles (1871-1942) komponierten Zarzuela „El Cóndor Pasa“ dar. Der peruanische Komponist bezog sich in seinem Werk auf das traurige Los der Minenarbeiter in den Anden – ein Thema von durchaus aktueller Brisanz. Juan Carlos Arancibia Navarro interpretierte die bekannte Melodie gefühlvoll und sehr virtuos und betonte ihren teils traurigen Charakter, während in einem aggressiver klingenden Abschnitt eher die Rhythmik im Vordergrund stand.
Zum Schluss und den Kreis schließend, erklang eine weitere Carmen Fantasie, diesmal die bekannte Version des Geigenvirtuosen Pablo de Sarasate (1844-1908), die sich das Arie Duo in einer eigenen Bearbeitung auf ihre Instrumente zugeschnitten hatte und in der die harmonische Zusammenarbeit, aber auch die hochvirtuose Könnerschaft jedes einzelnen Künstlers noch einmal in aller Fülle zum Ausdruck kam. Mit einer Zugabe bedankten sich die Musiker bei ihrem begeisterten Publikum.
Heidi Siegel
2016
Prof. Tomasz Zawierucha
© Ruhr Nachrichten, 30. August 2016
Kunstvolle Verflechtung im Sythener Schloss
Das Abschlusskonzert der diesjährigen Sythener Gitarrentage gestaltete Tomasz Zawierucha, Professor für Gitarre an der Folkwang Universität der Künste Essen. Er begann sein Programm, das den Titel „Original und Transkription“ trug, mit Werken des spanischen Komponisten und Begründers der sogenannten Neuen spanischen Gitarrenschule, Francisco Tárrega (1852-1909) – „Endecha y Oremus“ und „Capricho árabe“ -. Prof. Zawierucha hinterließ mit dem Anfangsstück durch sein unendlich feinfühliges und musikalisch ausgewogenes Spiel einen zu Herzen gehenden Eindruck, der durch die ausdrucksstarke, aber niemals aufgesetzt wirkende Körpersprache unterstrichen wurde.
Die folgenden kurzen Stücke des ebenfalls aus Spanien stammenden Komponisten und ausgezeichneten Pianisten Enrique Granados (1867-1916) stellten, dem Programtitel gemäß, Transskriptionen von Klavierwerken dar. Überschrieben mit „Minueto“, „Villanesca“ und „La Maja de Goya“ präsentierten sie sehr unterschiedliche Klangfarben und musikalische Stimmungen, vom lebhaften, aber mit wehmütiger Melodie aufwartenden Minueto über die volkstanzähnlich schreitende Villanesca bis zum zu Beginn sehr akzentuiert rhythmisch klingenden letzten Stück. Das nun folgende Werk des polnisch-französischen Komponisten Aleksander Tansman (1897-1986), eine viersätzige „Cavatina“, nun wieder original für die Gitarre komponiert, verriet in ihrer kunstvollen Verflechtung moderner Elemente mit barock klingenden Reminiszenzen, dass ihr Schöpfer schon ganz der Musik des 20. Jahrhunderts verschrieben war, was Tomasz Zawierucha technisch perfekt, mit großartiger Bühnenpräsenz und klarer musikalischer Vorstellung zu vermitteln wusste.
Den unbestreitbaren Höhepunkt des Abends, vielleicht für den einen oder anderen Zuhörer der gesamten Gitarrentage, stellte nach der Pause Johann Sebastian Bachs (1685-1750) Chaconne aus der Partita Nr. 2 d-Moll, BWV 1004 dar, die im Original für Violine solo komponiert wurde. Das gewaltige Variationenwerk, das Bach unter dem Eindruck des Todes seiner Frau in nur zwei Wochen komponierte, habe die Form eines „Tombeaus“, sei also dreiteilig aufgebaut, erläuterte Prof. Zawierucha, wobei der erste Teil die leidenschaftliche Trauer, der zweite die lichtere Hoffnung auf Auferstehung und der dritte erneut den Tod thematisiere. Auch unter Violinisten gilt die Chaconne in ihrer von einem einzigen Instrument geforderten Polyphonie als eine absolute Herausforderung an musikalisches Verständnis und überragendes technisches Können; dies trifft auf die Gitarrenversion gleichermaßen zu. So klingen die in Arpeggien aufgelösten Doppelgriffpassagen auf der Gitarre oft noch klarer als auf der Violine und Tomasz Zawierucha begeisterte mit Virtuosität, gefühlvoll bis ins Pianissimo gespielten Passagen im Mittelteil und kühner Kraft im Schlussteil.
Zum Abschluss seines bewegenden Konzerts hatte sich der Künstler ein Originalwerk für Gitarre des englischen Komponisten Benjamin Britten (1913-1976) ausgewählt. Das „Nocturnal after John Dowland“, das, basierend auf einem Lied des Renaissancekomponisten John Dowland mit dem Titel „Come Heavy Sleep“, sowohl auf den Schlaf als auch auf den Tod Bezug nimmt, ließ das Thema anders als üblich erst zum Schluss einer Reihe unterschiedlich gefärbter Variationen erkennbar werden. Im Gegensatz zu Satzbezeichnungen wie „Very agitated“ oder „March-like“ klang die Schlusspassacaglia wiegenliedartig, an alte Lautenmusik gemahnend und doch ganz in der Moderne angekommen, ungewöhnlich zart und versöhnlich aus. Für den nicht enden wollenden Beifall erklang noch eine Zugabe.
Heidi Siegel
Duo Amasur
© Ruhr Nachrichten, 29. August 2016
"Duo Amasur" begeisterte mit großartiger Musik und artistischer Einlage
Alle, die den Weg ins Schloss Sythen gefunden hatten, um die Konzerte der diesjährigen Gitarrentage der Kulturstiftung Masthoff zu genießen, wurden mit wunderbarer Musik belohnt. Anstelle des angekündigten "Amadeus Guitar Duo" präsentierte das "Duo Amasur", bestehend aus Hans-Werner Huppertz und Thomas Kirchhoff, Werke aus Moderne und Barock.
Den Auftakt bildete die Serenade op. 96, Nr. 1 in A-Dur des italienischen Komponisten Fernando Carulli (1770-1841). Hier glänzten die beiden Duopartner mit sehr gut aufeinander abgestimmtem Zusammenspiel, vom majestätischen Beginn bis zum spielerisch-frischen Rondo allegretto des Schlusssatzes. Die folgende "Grand Ouvertüre" op. 61 sowie die Variationen op. 107 von Mauro Giuiliani (1781-1829) gestaltete · Hans-Werner Huppertz mit viel Hingabe und Virtuosität solistisch.
Aus der "Suite Spagnola" für zwei Gitarren von Mario Gangi (1923-2010) präsentierten nun wieder beide Interpreten Seite an Seite ,,Andaluza", ein zu Beginn typisch spanisch anmutendes Stück, das aber auch schon jazzig-moderne Elemente enthielt und mit einem rasanten Schluss endete.
Das letzte Stück vor der Pause, "Pongue" des US-Amerikaners Stephen Funk-Pearson (*1955), wurde von Thomas Kirchhoff launig als schwerstes je für Gitarre geschriebene Werk charakterisiert. Es vermochte nach einem populären Beginn, den der Interpret artistisch auf dem Rücken spielend wiederholte, durch den ebenso artistischen wie interessant klingenden Einsatz von Tennisbällen (!) auf der Gitarre auch noch den müdesten Zuhörer vom Stuhl zu reißen.
Nach der Pause ging es weiter mit Sätzen aus der ursprünglich für Cembalos komponierten Suite Nr. 7 in g-Moll HV 432 von Georg Friedrich Händel. Insbesondere die Passacaglia erklang im Gitarrengewand ganz neu und aufregend, bot sie doch auch den Interpreten die vielfältigsten Möglichkeiten, ihre routinierte Könnerschaft zum Ausdruck zu bringen.
Nachdem Hans-Werner Huppertz Impressionen aus Venezuela sowie einen Walzer solistisch präsentiert hatte, erklang zum krönenden Abschluss die Suite "Surama" von Alfonso Montés (* 1955, Venezuela). In ihrem Reigen von liedhaften Passagen, rhythmisch-perkussiven Elementen und minimalistisch-repetitiven Stellen und dem mitreißenden Schluss konnte das Duo Amasur noch einmal all seine Meisterschaft unter Beweis stellen. Als Dank für den Applaus beschenkten die Künstler das Publikum mit den "Recuerdos de Ia Alhambra", einem Werk des Spaniers Francisco Tárrega.
Heidi Siegel
Duo Casals
© Ruhr Nachrichten, 16. August 2016
Ungewöhnliche Kombination
Duo Casals reist bei den Gitarrentagen musikalisch von Spanien nach Südamerika
Im zweiten Konzert der Sythener Gitarrentage 2016 überraschte das Duo Casals die zahlreich erschienenen Zuhörer am Sonntag mit der besonderen Kombination aus Streich· und Zupfinstrument.
Die seit fast 20 Jahren gemeinsam musizierenden Felicitas Stephan (Cello) und Wolfgang Lebmann (Gitarre) bewegten sich mit ihrem Programm "Agua e Vinho" zwischen Spanien und Südamerika. Zu Beginn erklang Musik des berühmten katalanischen Komponisten Enrique Granarlos (1867-1916), die schon gleich das feine Wechselspiel zwischen den Melodielinien im Cello und dem mehr auf das Rhythmische fokussierte Spiel der Gitarre präsentierte. Auch mit Werken des Komponisten Manuel de Falla (1876-1946) blieben die beiden perfekt aufeinander hörenden Musiker in Spanien, wobei hier das Cello bewies, dass es auch als Perkussionsinstrument dienen kann, um gleich darauf wieder den in sicherer Intonation und mit schönem Vibrato gestalteen gesanglichen Part zu übernehmen. Die folgende "Suite Espanola" des kubanischen Komponisten Joaquin Nin (1879-1949) ließ die Zuhörer die Zimmer eines alten Schlosses durchschreiten - Vieja castilla - oder in verschiedene Landschaften Spaniens reisen, in der etwas minimalistisch anmutenden "Murciana" über die dunkel klingende ,,Asturiana" bis zu den Flamencorhythmen der "Andaluza", in der der Gitarrist seiner Virtuosität freien Lauf lassen konnte.
Nach der Pause ging es weiter mit einer Hommage an J.S. Bach - der Aria Nr. 5 aus den "Bachianas Brasileiras" des berühmtesten Komponisten Brasiliens, Heitor Villa-Lobos, ursprünglich komponiert für Stimme und 8 Celli, wobei Wolfgang Lehmann launig bemerkte, in ihrer Interpretation werde das Cello den Part der Singstimme übernehmen und seine Gitarre 8 Celli ersetzen. Das folgende Werk des ebenfalls aus Brasilien stammenden Baden Powell de Aquino (1937-2000) "O Astronauta" wurde von Wolfgang Lebmann solistisch präsentiert, ebenso wie das folgende Stück " Callejon de Ia Luna" des Spaniers Vicente Arnigo, das den Gitarristen aus einem weiten Spektrum lyrisch-langsamer und rhythmisch komplexer, virtuoser Partien schöpfen ließ.
Mit zwei Sätzen aus dem Werk ,,Die vier Jahreszeiten" des argentinischen Tangokomponisten Astor Piazolla (1921-1992) brachte sich nun Felicitas Stephan mit den sanglichen Qualitäten ihres Cellos wieder ein. Zum Schluss erklang die auch original für Cello und Gitarre geschriebene Sonate des Brasilianers Radamés Gnattali (1906-1988), in der die beiden Künstler noch einmal alle Virtuosität und ihr feines Zusammenspiel unter Beweis stellen konnten. Für den lang anhaltenden Beifall bedankte sich das Duo mit zwei Zugaben.
Heidi Siegel
Prof. Hans-Werner Huppertz
© Ruhr Nachrichten, 15. August 2016
Gitarrist bedient virtuos höchste Ansprüche
Hans-Werner Huppertz im Schloss
Das Eröffnungskonzert der diesjährigen Sythener Gitarrentage gestaltete Prof. Hans-Wemer Huppertz, der in Aachen lehrt und als Preisträger bedeutender Wettbewerbe weltweit konzertiert.
Im Torhaus des Sythener Schlosses präsentierte er auf Einladung der Kulturstiftung Masthoff ein abwechslungsreiches Programm, das unter dem Motto "Baroque et Belle Epoque" stand. Den Auftakt bildeten Werke des paraguayanischen Komponisten Agustin Barries (1885-1944) - Danza, Vals und Maxixe -, die Huppertz ihrem Charakter gemäß tänzerisch und mit technischer und musikalischer Souveränität gestaltete.
Mit der folgenden Suite in C-Dur von Johann Pachelbel (1653-1706), im Original für Tasteninstrumente geschrieben, entführte der Künstler die Zuhörer in die Welt des Barock. Hans-Werner Huppertz erläuterte fachkundig und spannend, warum Francisco Tarrega (1852-1909) mit Gitarren des Gitarrenbauers Torres als Begründer der modernen Gitarrenpraxis gilt. Eine Kopie eines Modells von Torres ist Huppertz' eigenwillige Partnerin, auch hier bei der Interpretation der anspruchsvollen Stücke "Gran Vals", "Marieta Mazurka" und "Maria Gavota" von Tarrega. In den Werken des Italieners Domenico Scarlatti (1685-1757), für Cembalo komponiert, traf Huppertz deren typischen Stil mit großer Virtuosität auch auf der Gitarre.
Nach der Pause stellte Prof. Huppertz sein Lieblingsstück vor, die ,,Aire Vasco" des spanischen Komponisten Antonio Jimenez Manjón (1866-1919), die in ihrer teils lyrisch-melancholischen Stimmung, den spanischen Rhythmen und dem zarten langsamen Schluss tatsächlich spüren ließ, dass ihr die große Liebe des Künstlers gilt. Es folgten drei Werke des bereits genannten Francisco Tarrega, bei denen vor allem das letzte, "Capricho Arabe", schon deutliche Anklänge an den späteren spanischen Nationalstil hören ließ. Als nächstes interpretierte Prof. Huppertz mit eindringlicher Intensität, gelungener Dynamik und Konzentration ein Werk von J. S. Bach: "Präludium, Fuge und Allegro" BWV 998, das höchste Ansprüche an Technik und Musikalität stellte.
Zum Schluss ging es wieder in die jüngere Vergangenheit. Manuel Maria Ponces (1882-1948) "Sonatina Meridional" klang sowohl in den ruhigen wie in den rhythmisch akzentuierten raschen Passagen spanisch, wenngleich der Komponist aus Mexiko stammt. Für den begeisterten Applaus bedankte sich der Künstler mit einem Stück des Zeitgenossen A.R. Pipo, das die Zuhörer beschwingt in den Sommertag entließ.
Heidi Siegel
2015
Prof. Gerhard Reichenbach
© Ruhr Nachrichten, 18. August 2015
Eindringlich und wunderbar
Zum Abschluß der diesjährigen Gitarrentage erwartete die Besucher mit dem Konzert von Prof. Gerhard Reichenbach etwas ganz Besonderes. Prof. Reichenbach, der bereits zum dritten Mal in Sythen weilte, sei in Fachkreisen und darüber hinaus eine derart bekannte und geschätzte Künstlerpersönlichkeit, daß sich weitere Worte erübrigten, führte Dr. Horstfried Masthoff in seiner Begrüßungsansprache aus. Das Wort ergriff allerdings der Künstler selbst, der dem Publikum darlegte, warum das Programm aus - für solistisch gestaltete Gitarrenkonzerte eher unüblich - lediglich zwei Werken bestand, die dafür jedoch mit ihrer ungewöhnlichen Länge die Konzentration der Zuhörer herausforderten. Um eine zeitliche Balance zwischen der zu Beginn präsentierten Sonate in C-Dur von Johann Sebastian Bach (1685 -1750) BWV 1005, die der berühmten Sammlung von drei Partiten und drei Sonaten für Violine solo entstammt und die Prof. Reichenbach für die Gitarre transkribiert hat und einer ihm gewidmeten Sonate des zeitgenössischen bulgarischen Komponisten Rossen Balkanski (geb. 1968) herzustellen, stellte er seine Erläuterungen zu den Werken vor den Beginn seines Spiels, und erklärte, warum er aus sich aus der musikalischen Intention des zweiten Werkes ergebenden Gründen keine Zugabe geben werde. In sehr lebendiger Weise führte der Künstler die Zuhörer dann in die Bach-Sonate ein, gab Hinweise auf die überaus kunstvolle Konstruktion, die technisch höchste Anforderungen fordernde Polyphonie in den verschiedenen Sätzen und verwies darauf, daß Bach einen Großteil seiner unvorstellbaren Schaffenskraft aus seiner tiefen Religiosität bezogen habe. Insbesondere die beiden langsamen Sätze, Adagio und Largo entführten dann auch die Zuhörer in eine andere Welt, aus der heraus die Fuga, deren Thema einen Pfingsthymnus zur Grundlage hat, mit ihrer stürmischen Lebendigkeit -meisterhaft umgesetzt durch den Gitarristen - sowie der Schlußsatz Allegro assai wieder herauszuleiten vermochten. Derart auf ein Stück vorbereitet, das aus der Welt heraus nicht nur in EINEN Kosmos, sondern in Kosmen führen werde, gingen die Zuhörer in die Pause, um dann der Sonata Nr. 2, der Balkanska Sonata von Rossen Balkanski, ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Der erste Satz, Spirituoso, der in symphonischem Ausmaß angelegt ist, schildert unter Verwendung bulgarischer Volksmusik das Leben eines "Helden" beginnend mit der spielerischen Kindheit über die Kämpfe des Daseins, die Liebe, Gefahren und schließlich den Tod. Diese Stationen werden in den melodiösen Anfangspassagen, den Gefahr und Kampf symbolisierenden perkussiv-repetitiven Elementen ebenso bildhaft interpretiert wie in den mit Hingabe gespielten Partien von Liebe und Tod. Der Klagegesang des "Lamentation" betitelten zweiten Satzes wird vom Komponisten in einer Art Fugentechnik gestaltet. Den das dissonante Zusammenklingen orthodoxer Kirchenglocken imitierenden und in besonderer Gitarrentechnik - die Saiten werden mit der Oberseite der Fingernägel gestrichen, was einen obertonführenden, sphärischen Klang erzeugt - gespielten Passagen ist ein eindringlicher Trauermarsch zur Seite gestellt. Im dritten Satz ist mit der Überschrift " Diaboloco" nicht etwas Teuflisches gemeint, sondern der Komponist bezieht sich auf die in der Balkankultur auch in heutigen Zeiten noch präsenten Wesenheiten, die für unsere Sinne nicht sichtbar sind, die es aber dennoch zu beschwichtigen gilt. Neben extrem rhythmischen perkussiven Elementen leitet dann eine unglaublich lange, in ständig wechselndem ungeraden Taktmaß gehaltene Toccata, in deren Verlauf der Künstler die Gitarre allmählich in eine tiefere Stimmung bringt, über in den abschließenden Epilog - Canto - . Hier scheinen noch einmal schemenhaft Melodiefetzen der übrigen Sätze auf, bevor die Musik im absoluten Pianissimo gewissermaßen ins Nichts verschwindet. Prof. Reichenbach vermochte die ganze Bandbreite dieses wunderbaren Stückes - vom brachialen Fortissimo des Diabolico-Satzes bis zum Verhauchen am Schluß - so überzeugend zu übermitteln, daß die Zuhörer tatsächlich noch minutenlang in völligem Schweigen verharrten, bis der verdiente Beifall losbrach.
Heidi Siegel
ARTIS GitarrenDuo
© Ruhr Nachrichten, 17. August 2015
Fein aufeinander abgestimmt
Der zweite Konzertsonntag im Rahmen der Sythener Gitarrentage wurde eingeleitet vom, wie Konzertveranstalter Dr. Masthoff bei seiner Begrüßung vermerkte, bisher jüngsten Gitarrenduo der Veranstaltungsreihe, dem ARTIS GitarrenDuo mit Julia und Christian Zielinski. Die beiden sympathischen Künstler, die schon auf beachtliche Wettbewerbserfolge zurückblicken können und derzeit ihre Studien in Hamburg vervollkommnen, hatten ihr Programm unter das Motto "Mediterráneo" gestellt und schlugen einen weiten Bogen vom frühen 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die beiden Gitarristen, die ihr Programm nicht nur mit gleichermaßen lehrreichen wie unterhaltsamen Informationen über Komponisten und Werke sehr professionell moderierten, spielten zudem - was für kammermusikalische Interpretationen nicht die Regel ist - alles auswendig. Den Anfang machte ein Werk des zu seiner Zeit "Der Göttliche" genannten Francesco da Milano (1497 - 1543), dessen Präsentation schon einen Vorgeschmack auf das außergewöhnlich fein aufeinander abgestimmte Zusammenspiel der beiden Künstler bot. In den darauf folgenden drei Sonaten von Domenico Scarlatti (1685 - 1757), drei von über 500 ursprünglich für Cembalo komponierten Sonaten, bestachen die beiden durch sehr schön herausgearbeitete Dynamik und die treffend wiedergegebene temperamentvolle Tonsprache des Komponisten. Das dreisätzige "Duo Concertant" op. 31 Nr. 3 des ursprünglich aus Frankreich stammenden Komponisten Antoine de L'Hoyer (1768 - 1852) sei, wie Julia Zielinski erläuterte, das erste Werk, in dem beide Gitarrenstimmen in gleichberechtigten Partien eingesetzt würden, was das Artis Duo im einfühlsam aufeinander abgestimmten Mittelsatz ebenso perfekt demonstrierte wie in den raschen Ecksätzen. Vor der Pause erklangen dann noch zwei kurze Bearbeitungen von Opern des spanischen Komponisten Manuel de Falla (1876 - 1946), die vom Gegensatz der temperamentvollen Flamencorhythmen und perkussiver Elemente auf dem Gitarrenkorpus und lyrisch-leiser Passagen lebten.
Nach der Pause erklang das Werk "Tonadilla" des wohl bekanntesten Gitarrenkomponisten, Joaquin Rodrigo (1901 - 1999), das alle Klang-möglichkeiten der Gitarre auszuschöpfen ermöglichte und hohe Anforderungen an die Virtuosität der Künstler stellte. Dem als Teil einer Klaviersuite komponierten "Clair de Lune" von Claude Debussy (1862 - 1918) stellte Julia Zielinski das dem Werk zugrundeliegende, ausdrucksvoll rezitierte gleichnamige Gedicht von Paul Verlaine voran, um dann mit ihrem Duopartner eine sehr einfühlsame Interpretation dieses impressionistischen Werkes zu präsentieren. Den vorletzten beiden Stücken von Mario Castelnnuovo-Tedesco (1895 - 1868), Fuga Elegiaca und Präludium und Fuge in E-Dur, war in ihrer effektvollen Spannung zwischen kraftvoll akkordischen und lyrisch zarten Abschnitten durchaus anzuhören, daß der Komponist mit dem Genre Filmmusik vertraut war. Das fulminante Finale dieses wunderbaren Gitarrenkonzertes bildete die Bearbeitung der sehr populären Ouvertüre zu Gioachino Rossinis Oper "Die diebische Elster", in der Julia und Christian Zielinski eindrucksvoll ihre beiden Instrumente in ein veritables Opernorchester verwandelten, was das begeisterte Publikum im ausverkauften Saal mit anhaltendem Beifall bedachte. Mit einer sehr melodiösen Zugabe, einer Cavatina von Stanley Myers, bedankten sich die jungen Künstler für den Applaus.
Heidi Siegel
Guitar Duo KM
© Ruhr Nachrichten, 04. August 2015
Ein perfektes Duo
Wenn sie nicht auch schon privat ein Paar wären, man müsste ihnen genau das empfehlen. Denn Katrin Klingeberg und Sebastián Montes bilden ein in jeder Hinsicht erstaunliches Duo. „Gitarrenduo KM“ nennen sie sich, leben und lehren mittlerweile in Chile, und kennen sich daher bestens mit dem Repertoire des Abends im Sythener Schloss aus. Bei den dortigen Gitarrentagen führten die beiden am Sonntagabend ihre Hörer auf eine musikalische Rundreise durch Südamerika: Brasilien und Argentinien, aber auch Bolivien, Venezuela und natürlich Chile.
Ein perfekteres Duo im kammermusikalischen Sinn kann man sich kaum vorstellen. Die beiden setzen ihren gemeinsamen Klang so sensibel zusammen, dass die Illusion eines einzigen großen Instruments entsteht. Ein Pianist oder guter Dirigent würde den Klang auch nicht anders und besser ausbalancieren, als sie es gemeinsam auf zwölf Saiten machten.
Das gilt für das Präludium aus Villa-Lobos „Bachianas Brasileiras Nr. 4“ genau so wie für die Holzbläsermelodien aus Arturo Marquez „Danzon Nr. 2“ oder die hohen Flageoletts, die in Sergio Assads „Farewell“ strahlend hell über der Begleitung aufleuchteten. Wenn es überhaupt leichte Unterschiede gab, dann spielte Klingeberg an diesem Abend die deutlicher betont singenden Linien, während Montes bei Zäsuren das Tempo stärker veränderte und fast zum Stehen brachte.
Oft sind es Originale für Klavier oder Orchester, die die beiden zum großen Teil selbst so farbig und ideenreich auf zwei Gitarren übertragen haben, dass man sie auch für reine Gitarrenwerke halten könnte, etwa Piazzollas Oblivion, Libertango und Escolaso. Nur ein Duo, das diese Tänze auch zusammen tanzen könnte, spielt sie auch so wunderbar zusammen. Die rhythmische Struktur prägte zwar den gesamten Klang, etwa die Clave-Rhythmen, sie dominierte aber nicht die Stimmung. Auch nicht, wenn die Musik sehr lebendig wurde. Nur gelegentlich nutzten die beiden Perkussionseffekte des Holzes, etwa in Piazzollas Escolaso.
Denn südamerikanische Musik ist viel mehr als das rhythmische Feuerwerk, das oft ausschließlich mit ihr verbunden wird. Deswegen zeigten die beiden vor allem eine andere Seite: Lichtdurchflutet strahlt die Musik ein Zufriedenheit mit dem Moment aus. Wie jemand, der irgendwo in einer schönen Landschaft sitzt. Mit dem Leben zufrieden, sanft bewegt im Spiel der Natur. So kann man Glück beschreiben und klingen lassen.
Nur sehr selten spielen Kammermusikformationen komplett auswendig. Den meisten Musikern ist es zu riskant, weil sie nicht wie ein Solist flexibel reagieren können, wenn etwas passiert. Klingeberg und Montes wagen es über das ganze Konzert und erreichen damit ein ganz anderes Niveau des Zusammenspiels. Als ob sie nicht nacherzählen, sondern mit der Freiheit einer persönlicheren Aussage ihre eigenen Geschichten schreiben.
Klaus Lipinski
Lucasz Kuropaczewski
© Ruhr Nachrichten, 03. August 2015
Von der Weltstadt New York ins kleine Sythen
Lucasz Kuropaczewski ist ein Mann der Kontraste. Musikalisch und auch sonst imLeben. Auf New York folgte bei ihm das kleine Sythener Schloss. Zwar gilt der Pole immer noch als Geheimtip unter den weltbesten Gitarristen, der Auftakt der Sythener Gitarrentage gestern Vormittag zeigte aber eindeutig, dass er nicht lange geheim bleiben wird. Würde er ein anderes Instrument spielen, er wäre längst weltbekannt. Aber klassische Gitarristen werden selten zum allgemeinen Star. Für das Sythener Festival ein Glücksfall. Denn würden sonst Musiker kommen, die wie Kuropaczewski bereits auf den berühmtesten Bühnen standen, von der Carnegie Hall bis zum Concertgebouw Amsterdam?
„Die Gitarre gilt nicht als seriös“, beschreibt er selbst, und eins seiner großen Ziele sei, das zu ändern. Mit seriös meint er unter anderem, dass die prominentesten Komponisten nur selten für das Instrument schreiben. Das war schon immer so, und Gitarristen haben daher keine Hemmungen, andere Musik zu arrangieren. An diesem Vormittag waren es zwei Stücke, Aria und Cadenza, die Krysztof Penderecki ursprünglich für Viola schrieb. Der berühmte Komponist gab allerdings Kuropaczewskis sensibler Gitarrenversion ausdrücklich seinen Segen. Bei Krysztof Meyer, der auch zu den sehr bekannten zeitgenössischen Komponisten zählt, bettelte Kuropaczewski so nachdrücklich, bis er nach einem Gitarrenkonzert auch ein Solowerk bekam. „Tryptich“ heißt die Musik, die ihm auch gewidmet ist. In der vergangenen Woche spielte er die Uraufführung in New York, in Sythen gab es die erste europäische Aufführung.
Nicht nur in diesem Stück dehnt Kuropaczewski die klanglichen Möglichkeiten der Gitarre bis in extremste Bereiche aus. Vom fast unhörbaren zarten Flüstern bis zu brutal angerisssenen Saiten. Atemberaubend wild, voller Energie, aber seine Klangbalance bleibt immer perfekt. Wunderschön integrierte er dabei leise Töne in lautere, lang verklingende Akkorde.
Rasend schnell ist er ohnehin, eine Selbstverständlichkeit in der Spielklasse. Doch wichtiger war etwas anderes: Zwischen zwei Tönen entstehen bei ihm immer eine Verbindung und eine sehr persönliche Art von Spannung, die sich entwickelt und nie abreißt. Nie klingt etwas gleich. Das gilt auch für einstimmige Passagen. Mit dichtem Legato spielt er dann so emotional wie ein guter Sänger. Klänge werden zu seiner eigenen Sprache. Man konnte gar nicht anders, als gebannt zuzuhören. Harmonisch ist er stets bestens orientiert, nutzt Dissonanzen zur Spannung, löst sie wunderschön auf. Lässt sich Zeit, bevor er etwas Neues beginnt. Atmet mit der Musik ruhig ein und aus.
Wenn sich Musik wiederholt, so wie in Manuel Ponces zehn Preludes, kann Kuropaczewski sie unterschiedlich charakterisieren wie ein guter Schauspieler. Was erst burschikos und kraftvoll vorwärts drängt, verwandelt sich mit den gleichen Tönen plötzlich in einen verträumten Rückblick oder ein resigniertes Ausatmen. Giulianis „Rossiniana“ Nr.3 profitierte davon genau so wie Tansmans „Prelude und Interlude“, Albéniz „Asturias“ oder die berühmte spanische Romanze eines anonymen Komponisten.
Es gibt keinen Grund, warum Kuropaczewski nicht in einigen Jahren doch ein Weltstar sein sollte. Ob er dann noch nach Sythen kommt?
Klaus Lipinski
2014
Jorge Caballero
© Recklinghäuser Zeitung, 19. August 2014
Einer wie kein Zweiter
Das Staunen dauerte zwei Stunden, und eigentlich hätten sich nachher die Zuhörer verbeugen müssen. Vor einem Musiker, der auf seiner Gitarre Dinge beherrscht, die niemand sonst auf der Welt so spielen kann. Mit Jorge Caballero gastierte zum Abschluss der Gitarrentage ein Weltstar im kleinen Sythener Schloss, den man einfach einmal gehört haben muss.
So einiges, was der Mann aus Peru auf seinem Instrument zauberte, würde auch als Arrangement für Gitarrenduo durchgehen. Natürlich ist er enorm schnell, aber einzigartig ist seine Fähigkeit, immer noch einige Stimmen mehr zu spielen, als man eigentlich für möglich hält. Das gilt für seine Bearbeitung von Mozarts Klaviersonate KV 311, wo er immer wieder eine komplette Begleitung und mehrere Gegenstimmen unter die Melodie legen konnte. Es gilt aber erst recht für sein Markenzeichen: Unglaubliche Bearbeitungen von Orchesterwerken. Dvoraks 9 Sinfonie hat ihn berühmt gemacht; in Sythen spielte er Rimsky-Korsakoffs „Capriccio Espagnol“.
Zwar ist Caballeros Phrasierung manchmal deutlich von körperlicher Bewegung beeinflusst, aber das führte auch musikalisch zu schönen Ergebnissen und wirkte nie rein technisch. Dafür gibt ihm diese manuelle Leichtigkeit eine große Klarheit in der Grifftechnik und sehr viele Klangfarben.
Die Bindungen in seiner Griffhand sind großartig, sowohl im Spiel gesanglicher Linien wie bei dichten Verbindungen von Akkorden. Vier Sätze aus Albeniz „Iberia“ erschienen wunderbar vielfarbig, weil alle Finger der Zupfhand wunderbar ausgeglichen bleiben. Egal, ob er mit ihnen Ort und die Intensität des Zupfens verändert, Flageoletts in einen stehenden Klang hinein spielt, oder den Klang der Daumenstimme enorm abwechslungsreich gestaltet.
Gerade frisch verheiratet, gab Caballero eine Kostprobe aus der seiner neusten Komposition, der seiner Frau gewidmeten „Midsummer Love Serenade“. Die Musik klingt ein bisschen nach Alban Berg. Dissonanzen, deren Spannung sich mit einem Hauch von Sehnsucht auflöst, und deren Energie und Reibung er geschickt zum Aufbau nutzt. Aber auch für andere langsame Sätze ihres Mannes kann man Frau Caballero ein Kompliment machen. Etwa die hinreißende Sarabande aus Bachs Partita BWV 1013, der langsame Mozart-Satz oder Antonio Lauros venezolanischer Walzer mit sich reizend drehendem Mittelteil.
Die Frage wie er das eigentlich macht, lässt sich nur mit harter konsequenter Arbeit beantworten. Große Meister beseitigen ständig ihre Schwächen, bis sie keine mehr haben und die Grenzen des Unmöglichen verschieben.
Klaus Lipinksi
© Ruhr Nachrichten, 19. August 2014
Gitarrist Jorge Caballero überzeugte
Ein Saal voller fachkundiger Zuhörer, darunter solche, die schon viele Jahre immer wieder kommen, wartete am Sonntagnachmittag im Schloss Sythen auf den Gitarristen Jorge Caballero, der im Rahmen der diesjährigen Gitarrentage „Virtuose Kontraste“ versprach.
Horstfried Masthoff, zusammen mit seiner Frau Eva Organisator des Gitarrenfestivals, sprach von „dem zweiten Highlight des Tages.“ Damit meinte er den Auftritt des noch nicht einmal 14 Jahre alten Kuang Junhong, ein aufgehender Stern am Gitarrenhimmel, am Sonntagvormittag. Doch Jorge Caballero sollte die hohen Erwartungen nicht enttäuschen. Immerhin kündigte ihn Horstfried Masthoff als „Weltstar“ an. Jorge Caballero wurde seinem Ruf gerecht, als er mit der „Partita a-Moll“ von Johann Sebastian Bach, von ihm selbst transkribiert, begann. Sein weicher Anschlag und das flüssige Spiel ließen den schwer zu spielenden Bach ganz leicht erscheinen. Ebenso beim nächsten Stück, die „Sonata in D-Dur“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Heiter und beschwingt klang es, sehr melodiös, scheinbar leicht zu spielen und doch höchst anspruchsvoll. Jorge Caballero verzauberte die Zuhörer. Nach der Pause begann Caballero mit vier Stücken der „Suite Iberia“ von Isaak Albéniz, den man den „Meister der Gitarre“ nannte, obwohl er nur Klavierstücke komponierte, die allerdings alle transkribiert wurden. Dann sollte die „Midsummer Love Serenade“, komponiert von Jorge Caballero, folgen, doch der Gitarrist spielte nur den Satz „Quasi alla Habanera, languido amoroso“. „Es ist der Satz, den ich zuerst geschrieben habe“, erklärte er, „es ist gewissermaßen die Genesis des Stückes. Es ist ein Liebeslied, das für meine Frau gedacht ist, die ich gerade geheiratet habe. Die anderen Sätze sind noch nicht fertig, daher spiele ich das ganze Stück für Sie, wenn sie fertig sind.“ Die Zuhörer applaudierten begeistert. Als letztes Stück spielte er die fünf Sätze von „Capriccio Espagnol“ Op. 34 von Nicolay Rimsky-Korsakov. Der Applaus war so andauernd, dass Jorge Caballero gleich zwei Zugaben gab.
Werner Wenig
Kuang Junhong
© Recklinghäuser Zeitung, 19. August 2014
Wunderknabe aus China
Erst 14 Jahre jung ist der Chinese Kuang Junhong, der das Vormittagskonzert beim Finale der Sythener Gitarrentage bestritt. Er hat die musikalische Reife, die Sensiblität, die Technik und das Wissen eines doppelt so alten Musikers. Seitdem er vor zwei Jahren in Iserlohn für Aufsehen sorgte, hat sich sein Gefühl für Stimmungswechsel durch lyrische Einschübe genau so weiterentwickelt, wie sein reduziertes Vibrato, und die dadurch klareren Strukturen. Seine Klänge baut er meist ausgehend vom tiefsten Ton auf. Das gilt für die Klangbalance und die Spannung, die bei ihm oft über eine Steigerung des Basses läuft. Kein Wunder, dass ihm dann Rodrigos Passacaglia aus den drei spanischen Stücken und Bachs berühmte Chaconne besonders liegen oder er in Barrios „Sueño en la floresta“ sehr prägnante Stimmen unter das Tremolo zauberte. Man darf auf seine Zukunft gespannt sein.
Klaus Lipinksi
© Ruhr Nachrichten, 18. August 2014
Kommender Weltstar an der Gitarre
Höchstwahrscheinlich zwei Weltstars der Konzertgitarre waren am Wochenende bei den Sythener Gitarrentagen zu Gast: Einer, der es schon ist – Jorge Caballero – und einer, der es werden wird – Kuang Junghong. Der junge Chinese eröffnete am Sonntagmorgen die zweite Runde der diesjährigen Schlosskonzerte.
Diese Erwartungen an den jungen 14-jährigen Musiker dürften kaum zu hoch gegriffen sein. Als „Lang Lang der Gitarre“ stellte Dr. Horstfried Masthoff von der Kulturstiftung Masthoff das Ausnahmetalent in seiner kurzen Begrüßung den Gästen vor, eine Bezeichnung, die durchaus bald zutreffen könnte. Kuang Junhong verzauberte die Gäste mit seinem virtuosen Spiel. Ungläubiges Kopfschütteln war nach einigen Stücken noch die zurückhaltendste Reaktion des Publikums. Zurufe wie „Fantastisch, Wahnsinn!“ gaben schon eher die Stimmung im Sythener Schloss mit zunehmender Konzertdauer wieder.
Kuang Junhong tritt sehr zurückhaltend auf, sein Spiel wirkt fast introvertiert. Im ersten Teil des Programms bot er den Zuhörern eine Hommage an Bach mit zwei Transkriptionen von Johann Sebastian Bach: Präludium, Fuge und Allegro Es-Dur, Werksverzeichnis 998, und fünf Sätze der Partita II d-Moll, Verzeichnis Nr. 1004. Die Stücke sind ursprünglich für Laute bzw. Violine geschrieben. Anfangs näherte sich Kuang Junhong seinem Bach nur zögerlich, in den ersten Minuten hatte man das Gefühl, der Künstler müsse sich in sein Konzert erst einfühlen. Mit zunehmender Dauer wuchs allerdings seine Sicherheit und immer öfter kam seine unglaubliche Virtuosität zum Tragen. Die hochentwickelte Mehrstimmigkeit der Partita meisterte Kuang Junhong bravourös.
Nach der Pause nahm der entspannter aufspielende junge Gitarrist die Zuhörer mit auf eine Reise durch mehrere Epochen der Musikgeschichte von der Romantik bis zur Gegenwart. Nicht von ungefähr überwogen dabei spanische, italienische und lateinamerikanische Komponisten, aber auch die ungarische Fantasie des Österreichers Johann Kaspar Mertz gehörte zum Programm von Kuang Junhong.
Seit seinem achten Lebensjahr wird er am „Sichuan Conservatory of Music“, der größten Musikhochschule Chinas, von Professor Xu Bao unterrichtet und nimmt zurzeit an einem Gitarrensymposium in Iserlohn teil. Nur so war es möglich, den bisher jüngsten Virtuosen in der Reihe der Sythener Gitarrentage zu verpflichten. Man darf sehr gespannt sein, welchen Weg dieses Ausnahmetalent noch nehmen wird. Die Kulturstiftung Masthoff hat mit Hilfe der Volksbank Haltern und unterstützt durch die Stadtagentur ein absolut außergewöhnliches Konzertereignis möglich gemacht.
Jürgen Wolter
Duo Ahlert & Schwab
© Halterner Zeitung, 05. August 2014
Die Ära der Virtuosen
Während das morgendliche Konzert im Rahmen der Sythener Gitarrentage noch eine Reise durch die Jahrhunderte angekündigt hatte, konzentrierte sich das Duo Ahlert & Schwab beim Nachmittagskonzert auf die Epoche der Romantik und beschwor mit der eher seltenen Kombination von Mandoline und Gitarre die Ära der Virtuosen.
Die sympathischen Künstler, die nun schon zum zweiten Mal in Sythen zu Gast waren, eröffneten ihr Programm mit der Komposition "4 Duetti" des Dänen Henrik Rung (1807 -1871), der zu seiner Zeit als Opernkomponist populär war. Nach den innig und freundlich klingenden ersten beiden Sätzen erinnerte das Andante lento nach madrigalartigem Beginn etwas wehmütig an einem Abschied nehmenden Wanderer um mit einem sehr temperamentvollen tänzerischen Satz zu enden. Die fein herausgearbeiteten dynamischen Differenzierungen begeisterten ebenso wie der sensibel bewältigte Part der Gitarre, den Birgit Schwab darbot. Von Napoleon Coste (1805 - 1883) stammte das folgende Werk " Le Montagnard", Op. 34, ein Stück, in dem sowohl Daniel Ahlert die Mandoline mit großer Virtuosität einsetzen als auch Birgit Schwab in solistischen Gitarrenabschnitten ihr feines Spiel unter Beweis stellen konnte. Den aus Neapel stammenden Raffaele Calace, Komponist der nächsten Werke Danza dei Nani Op.43, Meditation Op.76 sowie Polonese, Op. 36, stellte Daniel Ahlert als exquisiten Mandolinisten, hervorragenden Pädagogen, genialen Mandolinenbauer und als Erbauer der von ihm genutzten Mandoline aus dem Jahre 1924 vor. Gemäß den Titeln präsentierten sich die Stücke tänzerisch, mit fast jazzartigen Anklängen, sehr melodiös in der Meditation und sehr dynamisch in der Polonese.
Nach der Pause ging es weiter mit Werken des Dänen Frederik Rung (1854-1914), einem Sohn des Henrik Rung, von dem Birgit Schwab zu berichten wusste, dass Vater und Sohn ihre Duetti stets abwechselnd notierten. Den beschwingt und frisch klingenden ersten beiden Duetti folgte das temperamentvolle dritte mit ungewöhnlichen Harmonien um im vierten in gemächlicherem Tempo auszuklingen. Im dann folgenden Preludio Nr. 8, Op. 104 des schon erwähnten Raffaele Calace war ein sehr seltenes Instrument zu hören, ein Liuto moderno, das nicht, wie der Name vermuten lassen könnte, eine Art Laute, sondern vielmehr eine Art Cello-Mandoline - sehr viel größer und mit einer zusätzlichen E-Doppelsaite bestückt- darstellt und dessen Spiel nur sehr wenige Mandolinisten beherrschen. Daniel Ahlert schöpfte die ganze Klangfülle dieses Instruments mit den sonor klingenden tiefen Saiten und der in wunderbarer Mehrstimmigkeit darüber liegenden hohen Stimme virtuos und sensibel aus, wobei ihm auch extreme Lagenwechsel mit Bravour gelangen. Im nun erklingenden Werk Julián Arcas' (1832-1882) Punto de la Habana entführte Birgit Schwab mit der Sologitarre die Zuhörer ins romantische Spanien; die Variationen über ein Volkslied mit seinen typischen Rhythmen trug sie voll konzentriert und mit wunderbarer Dynamik, vor allem auch in den leisen Partien, vor. Seinen Abschluss fand das ungewöhnliche Konzert mit einem Werk von Carlo Munier (1859 - 1911) , mit der Mazurka als einer Referenz an Chopin, der Reverie, die als ein Verlobungsgeschenk an ein Paar gedacht war sowie dem Capriccio Spagnuolo; all diese Werke ließen sehr deutlich auf ihr Thema schließen und boten den Künstlern noch einmal Gelegenheit, ihr fein abgestimmtes Zusammenspiel und ihre je instrumententypische Virtuosität zum Ausdruck zu bringen. Nach dem mit vollem Einsatz gespielten Schlussstück empfingen die beiden Künstler tosenden Applaus, für den sie sich mit einer Zugabe bedankten.
Heidi Siegel
© Recklinghäuser Zeitung, 05. August 2015
Harmonien wie ein breites Lächeln
Zwei Duos, zwei unterschiedliche Klangkonzepte. Die Sythener Gitarrentage begannen so abwechslungsreich wie eh und je. Zum Auftakt das Amadeus Guitar Duo, eines der renommiertesten Duos, das mit seiner temperamentvollen Spielweise viele moderne Komponisten inspiriert hat. Danach das Duo Ahlert & Schwab, das auf historischen Instrumenten aus der Zeit der Komponisten eine sensible Reise in die Vergangenheit unternahm. Sonst war in Sythen alles wie immer, heiß, aber sehr nah an Natur und Musikern.
Das Amadeus Guitar Duo begann jedenfalls so, wie man es an einem wunderschönen Morgen erwartet. Rodrigos Fanfare und Fandango aus dem Madrigal-Konzert mit lichtdurchfluteten Klängen. Nicht nur hier profitierte die Musik von den sehr variablen Klangfarben des Duos.
Ausgehend von einem eher kräftigen Ton, ist Dale Kavanaghs Klang etwas heller und brillanter als der von Thomas Kirchhoff, ihre Phrasierung etwas quirliger und lebendiger. Dadurch wirkten ausgelassen heitere Themenwechsel besonders reizvoll, so als ob sie den anderen anstupsen, ihn mitnehmen oder freundschaftlich übertreffen wollten. Das galt auch für die anderen spanischen und südamerikanischen Kompositionen, Mario Gangis „Suite Spagnola“ und Alfonso Montes „Amasur“. Harmonien wie ein breites Lächeln, mit denen das Duo ohne große Schnörkel die Bewegung der Musik wirken läßt.
Es hat Vorteile für die Hörer, wenn Musiker als Paar zusammenleben und einerseits nach mehr als 20 Jahren natürlich genau wissen, was der andere macht, aber immer noch füreinander spielen und ihrem Partner etwas zeigen wollen. Der Hörer wird zum stillen Profiteur, wenn Steigerungen so gut funktionieren wie in der Passacaglia von Händels Suite HWV 432. Dass Dale Kavanagh auch eine außergewöhnlich gute Solo-Gitarristin ist, zeigte sie in der eigenen Komposition „Toronto 98“ und in Domeniconis „Trilogy“. Auch hier sehr sensibel, wenn sich Linien innerhalb eines Akkordes bewegten, und generell mit viel Gefühl für den wie improvisiert wirkenden Aufbau der Musik.
Sollten Birgit Schwab und Daniel Ahlert noch kein Paar sein, könnte man es ihnen empfehlen. Musikalisch passen sie jedenfalls großartig zusammen. Bei ihnen ist die Klangstruktur schon durch die Besetzung vorgegeben. Die Mandoline führt fast immer die Melodie in der Oberstimme, die Gitarre setzt einen sanften Gegenpol mit Bassstimme und Akkorden. Nicht vorgegeben ist allerdings, wie gut sie beides zu einer perfekten Einheit verbinden.
Die sorgfältige Auswahl der Instrumente ist einer der Schlüssel für ihren Klang. Schwabs Gitarre stammt genauso aus der Zeit der Musik wie Ahlerts Mandolinen. So spielte er unter anderem eine Mandoline von Raffaele Calace, von dem mehrere Werke auf dem Programm standen, oder erläuterte die Besonderheit der von Calace entwickelten „Liuto moderno“ mit einem Instrument jener Zeit.
Zwar hieß der Abend „Ära der Virtuosen“, wirkte aber gar nicht so. Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn Technik da ist, aber nicht auffällt. Sie stand nie im Vordergrund, weil beide die Musik mit deutlichen Zäsuren atmen lassen, auf diese Art wunderschön harmonische Spannung auflösen, die sie vorher genau so schön aufgebaut haben. Die Tonrepetitionen der Mandoline wirkten dabei bewegt, aber nie unruhig. Musik von Henrik und Frederik Rung, Carlo Munier oder Calace begegnet man außerhalb der Mandolinenliteratur eigentlich nie. Um so interessanter für die Hörer.
Klaus Lipinksi
Amadeus Guitar Duo
© Halterner Zeitung, 04. August 2014
Duo ließ auf Gitarrentagen sein Können aufblitzen
Bei strahlendem Sommerwetter warteten die zahlreichen Zuhörer geduldig im Torbogen des Schlosses Sythen auf Einlaß zum Eröffnungskonzert der diesjährigen Sythener Gitarrentage. Erneut hatte die Kulturstiftung Masthoff das international renommierte Amadeus Guitar Duo für diese Konzertreihe gewinnen können. Unter dem Motto "Jahrhundertreise" präsentierten die aus Kanada stammende Dale Kavanagh und Thomas Kirchhof ihr abwechslungsreiches Programm.
Die beiden Professoren der Detmolder Musikhochschule musizieren seit 1991 zusammen; diese lange Vertrautheit kommt in der wunderbaren Perfektion, mit der das Duo aufeinander abgestimmt ist, beeindruckend zum Ausdruck. Nach der kurzen Begrüßung durch Dr. Horstfried Masthoff eröffneten die Künstler ihr Programm mit der Madrigal-Suite des spanischen Komponisten Joaquín Rodrigo (1901 -1999), deren zwei Sätze Fanfare und Fandango die typische Formsprache Rodrigos mit ihren Rückgriffen auf traditionelle Rhythmen und Themen repräsentierte. In der von ihnen gewohnten Sensibilität und Ausdrucksstärke präsentierte das Duo dieses originäre Gitarrenstück. Das mit einer kurzen Moderation von Thomas Kirchhoff vorgestellte folgende Werk Johann Sebastian Bachs (1685 - 1750) stellt eines der berühmtesten Stücke für Violine solo dar - nämlich die Chaconne aus den Solopartiten und -sonaten, BWV 1004. Kirchhoff attestierte dem Werk eine wohl aus dem Zeitpunkt seiner Entstehung herleitbare Ernsthaftigkeit, die in der von Ferruccio Busoni (1866-1924) geschaffenen Bearbeitung für zwei Klaviere zwar etwas abgemildert wurde, aber in der nun weiteren Bearbeitung für zwei Gitarren doch noch zu hören war. Gemäß dem Motto "Jahrhundertreise", aber von der Programmreihenfolge abweichend, schloss sich ein von Dale Kavanagh solistisch vorgetragenes Werk des zeitgenössischen italienischen Komponisten Carlo Domeniconi (1947) an , dessen Sätzen - Calata- Intonazione -Ragtime teilweise deutlich anzuhören war, dass ihr Schöpfer orientalische Eindrücke verarbeitet hatte; die in freien Rhythmen dahinfließenden Klänge ließen, abgesehen vom Ragtime, eine fast schon meditative Stimmung aufkommen. Das letzte Stück vor der Pause, das Dale Kavanagh als "mit Feuer!" ankündigte, wurde nun wieder von beiden Gitarristen dargeboten; die von Mario Gangi (1923 - 2010) im Jahr 1948 komponierte Suite Spagnola bot den Zuhörern in ihren beiden Sätzen Andaluza und Sevillana an spanische Tradition anknüpfende, moderat moderne Gitarrenmusik.
Nach der Pause erläuterte Dale Kavanagh den Zuhörern sehr kurzweilig die Bedeutung der mit konkreten Adressen überschriebenen Sätze des von ihr 1998 komponierten Stückes Toronto 98. Die ebenso einfühlsam wie temperamentvoll gestalteten Sätze ließen lebendige innere Bilder entstehen. Nun ging es auf der Jahrhundertreise mit Georg Friedrich Händel (1685 - 1759) wieder ins Zeitalter des Barock. Aus seiner ursprünglich für Cembalo solo geschriebenen Suite Nr. 7 in g-Moll HWV 432 präsentierten Kavanagh und Kirchhoff vier Sätze, neben der Ouvertüre , dem lebendig-tänzerischen Allegro und der gemächlich schreitenden Sarabande die überaus bekannte Passacaglia, deren vielfältige Variationenfolge erhebliche technische Herausforderungen bereithält. Das Schlussstück aus Venezuela, ein mit " Amasur" betiteltes und eigens dem Amadeus Guitar Duo gewidmetes Werk Alfonso Montes' (1955) entführte dann mit seinen fünf kurzen sehr kontrastreichen Sätzen wieder in einen ganz anderen Klangkosmos und ließ in einigen sehr schnellen Passagen die außergewöhnliche Virtuosität der beiden Interpreten zur vollen Entfaltung kommen. Mit einer eingängigen Zugabe wurden die begeisterten Zuhörer in den wunderbaren Sommermittag im Schlossgarten entlassen.
Heidi Siegel
© Recklinghäuser Zeitung, 05. August 2015
Harmonien wie ein breites Lächeln
Zwei Duos, zwei unterschiedliche Klangkonzepte. Die Sythener Gitarrentage begannen so abwechslungsreich wie eh und je. Zum Auftakt das Amadeus Guitar Duo, eines der renommiertesten Duos, das mit seiner temperamentvollen Spielweise viele moderne Komponisten inspiriert hat. Danach das Duo Ahlert & Schwab, das auf historischen Instrumenten aus der Zeit der Komponisten eine sensible Reise in die Vergangenheit unternahm. Sonst war in Sythen alles wie immer, heiß, aber sehr nah an Natur und Musikern.
Das Amadeus Guitar Duo begann jedenfalls so, wie man es an einem wunderschönen Morgen erwartet. Rodrigos Fanfare und Fandango aus dem Madrigal-Konzert mit lichtdurchfluteten Klängen. Nicht nur hier profitierte die Musik von den sehr variablen Klangfarben des Duos.
Ausgehend von einem eher kräftigen Ton, ist Dale Kavanaghs Klang etwas heller und brillanter als der von Thomas Kirchhoff, ihre Phrasierung etwas quirliger und lebendiger. Dadurch wirkten ausgelassen heitere Themenwechsel besonders reizvoll, so als ob sie den anderen anstupsen, ihn mitnehmen oder freundschaftlich übertreffen wollten. Das galt auch für die anderen spanischen und südamerikanischen Kompositionen, Mario Gangis „Suite Spagnola“ und Alfonso Montes „Amasur“. Harmonien wie ein breites Lächeln, mit denen das Duo ohne große Schnörkel die Bewegung der Musik wirken läßt.
Es hat Vorteile für die Hörer, wenn Musiker als Paar zusammenleben und einerseits nach mehr als 20 Jahren natürlich genau wissen, was der andere macht, aber immer noch füreinander spielen und ihrem Partner etwas zeigen wollen. Der Hörer wird zum stillen Profiteur, wenn Steigerungen so gut funktionieren wie in der Passacaglia von Händels Suite HWV 432. Dass Dale Kavanagh auch eine außergewöhnlich gute Solo-Gitarristin ist, zeigte sie in der eigenen Komposition „Toronto 98“ und in Domeniconis „Trilogy“. Auch hier sehr sensibel, wenn sich Linien innerhalb eines Akkordes bewegten, und generell mit viel Gefühl für den wie improvisiert wirkenden Aufbau der Musik.
Sollten Birgit Schwab und Daniel Ahlert noch kein Paar sein, könnte man es ihnen empfehlen. Musikalisch passen sie jedenfalls großartig zusammen. Bei ihnen ist die Klangstruktur schon durch die Besetzung vorgegeben. Die Mandoline führt fast immer die Melodie in der Oberstimme, die Gitarre setzt einen sanften Gegenpol mit Bassstimme und Akkorden. Nicht vorgegeben ist allerdings, wie gut sie beides zu einer perfekten Einheit verbinden.
Die sorgfältige Auswahl der Instrumente ist einer der Schlüssel für ihren Klang. Schwabs Gitarre stammt genauso aus der Zeit der Musik wie Ahlerts Mandolinen. So spielte er unter anderem eine Mandoline von Raffaele Calace, von dem mehrere Werke auf dem Programm standen, oder erläuterte die Besonderheit der von Calace entwickelten „Liuto moderno“ mit einem Instrument jener Zeit.
Zwar hieß der Abend „Ära der Virtuosen“, wirkte aber gar nicht so. Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn Technik da ist, aber nicht auffällt. Sie stand nie im Vordergrund, weil beide die Musik mit deutlichen Zäsuren atmen lassen, auf diese Art wunderschön harmonische Spannung auflösen, die sie vorher genau so schön aufgebaut haben. Die Tonrepetitionen der Mandoline wirkten dabei bewegt, aber nie unruhig. Musik von Henrik und Frederik Rung, Carlo Munier oder Calace begegnet man außerhalb der Mandolinenliteratur eigentlich nie. Um so interessanter für die Hörer.
Klaus Lipinksi
2013
Prof. Gerhard Reichenbach
© Recklinghäuser Zeitung, 27. August 2013
Die schnellsten Finger, die schönsten Sätze
Wären die Sythener Gitarrentage ein Wettbewerb über mehrere Disziplinen, Gerhard Reichenbach hätte sie alle gewonnen. Die schnellsten Finger, die breiteste Palette an Klangfarben, gespielt mit der besten Balance, die lebendigsten Akzente, schönsten langsamen Sätze und das interessanteste Programm. Eine Weltklasseleistung im Sythener Schloss.
„Die Hörer haben sich verändert“, bemerkte er selbst, und schob das auf die Pause. Dabei vergaß er allerdings die eigene Rolle und seine ausgeprägte Fähigkeit, musikalische Spannung an die Hörer weiterzugeben. Wenn ein Musiker die Musik selbst so intensiv mit geschlossenen Augen durchlebt, überträgt sich immer eine Menge davon auf das Publikum. Das gilt nicht nur für körperlich fühlbare Akzente, auch wenn er in dieser Hinsicht an diesem Abend ab und zu richtig Gas gab. Reichenbach hielt die Spannung auch in der Stille hoch. Etwa mit der wunderschön gespielten Oberstimme in de Fallas „Serenata andaluza“. Auch später noch, als darunter Akkorde lagen, die auf der Gitarre schwieriger sind als in der originalen Klavierversion. Die verschiedenen Schichten von Rodrigos Passacaglia lassen sich kaum sorgfältiger und weiter gestaffelt trennen, und vier der Epitaphe von Theodorakis klangen in seiner Fassung beeindruckender als im Original.
Griechenland und seine Volksmusik mit den ungeraden zusammengesetzen Taktarten liegt Reichenbach ohnehin sehr am Herzen. Gespielt hat er sie so reizend, dass man fast bedauerte, von seinen mühsam erworbenen Tanzkünsten nur zu hören. Diese enorm lebendige Akzentuierung prägte allerdings das gesamte Konzert. Nicht nur deswegen wurde Rossen Balkanskis erste Gitarrensonate mit ihren scharfen Kontrasten und effektvollen Bassakzenten die große Überraschung des Abends.
Klaus Lipinski
© Halterner Zeitung, 29. August 2013
Zwischen zwei Gitarrenwelten
Mit Prof. Gerhard Reichenbach und seinem restlos ausverkauften Konzert „Zwischen zwei Gitarrenwelten“ fanden die Sythener Gitarrentage 2013 einen würdigen Abschluss.
„Prof. Gerhard Reichenbach gehört zur Elite der Gitarristen“, sagte Veranstalter Horstfried Masthoff in seiner Anmoderation. „Er hat in Thessaloniki eine Gitarrenschule gegründet. Überhaupt hat er eine große Affinität zu Griechenland, was sich auch im Programm des Konzerts niederschlägt.“ In der Tat hatte der Solist für den ersten Teil seines Konzerts griechische und südosteuropäische Komponisten ausgewählt, dessen Werke er allerdings in eigenen Transkriptionen vortrug.
„Italien und Spanien gelten als die Heimat der Gitarrenmusik, aber nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich in Südosteuropa eine wichtige Gitarrenszene entwickelt“, erläuterte Prof. Reichenbach. Er begann mit „To Triandafyllo (Die Rose) des bekannten griechischen Komponisten Manos Chatzidakis ein Stück mit „asymmetrischer Rhythmik und zusammengesetzten Taktarten.“ Zwei Volkslieder im „Zehnvierteltakt“ aus Serbien und Bulgarien schlossen sich an. Dann folgte die „Sonata Nr. 1“ von Rossen Balkanski, diesmal, wie Prof. Reichenbach verkündete, „im Neunachteltakt“. „Ich bin fasziniert von Balkanski. Die Sonata führt in eine Stadt der krassesten Gegensätze.“
Die Zuhörer dagegen ließen sich verzaubern von dem Solisten. Er überzeugte mit ausgefeilter Technik, Spielfreude und perfekter Beherrschung der Stücke. Er erfreute die Zuhörer mit zuweilen gewagten Überraschungen seiner Transkriptionen. Er spielte mit schwindelerregender Fingerfertigkeit und meisterte locker und entspannt auch die schwierigsten Passagen.
Mit vier Epitaphen von Mikis Theodorakis beendete er den ersten Teil, bevor er im zweiten Teil eher gewohnte Stücke von Frederico Torroba, Isaac Albéniz, Manuel de Falla und Joaquin Rodrigo präsentierte. Es war ein fulminanter Höhepunkt des Festivals, mit dem die Organisatoren mehr als zufrieden sein konnten. „Eigentlich hatten wir ja ‚Musikgenuss und Gaumenfreuden‘ als Motto“, verriet Horstfried Masthoff, „aber eine Gastronomie mit Bänken und Zelten im Hof des Schlosses ging schon wegen des Wetters nicht.“ Der Freude an der Gitarrenmusik tat das keinen Abbruch.
Werner Wenig
Niehusmann GitarrenDuo
© Recklinghäuser Zeitung, 27. August 2013
Die schnellsten Finger, die schönsten Sätze
Wären die Sythener Gitarrentage ein Wettbewerb über mehrere Disziplinen, Gerhard Reichenbach hätte sie alle gewonnen. Die schnellsten Finger, die breiteste Palette an Klangfarben, gespielt mit der besten Balance, die lebendigsten Akzente, schönsten langsamen Sätze und das interessanteste Programm. Eine Weltklasseleistung im Sythener Schloss.
„Die Hörer haben sich verändert“, bemerkte er selbst, und schob das auf die Pause. Dabei vergaß er allerdings die eigene Rolle und seine ausgeprägte Fähigkeit, musikalische Spannung an die Hörer weiterzugeben. Wenn ein Musiker die Musik selbst so intensiv mit geschlossenen Augen durchlebt, überträgt sich immer eine Menge davon auf das Publikum. Das gilt nicht nur für körperlich fühlbare Akzente, auch wenn er in dieser Hinsicht an diesem Abend ab und zu richtig Gas gab. Reichenbach hielt die Spannung auch in der Stille hoch. Etwa mit der wunderschön gespielten Oberstimme in de Fallas „Serenata andaluza“. Auch später noch, als darunter Akkorde lagen, die auf der Gitarre schwieriger sind als in der originalen Klavierversion. Die verschiedenen Schichten von Rodrigos Passacaglia lassen sich kaum sorgfältiger und weiter gestaffelt trennen, und vier der Epitaphe von Theodorakis klangen in seiner Fassung beeindruckender als im Original.
Griechenland und seine Volksmusik mit den ungeraden zusammengesetzen Taktarten liegt Reichenbach ohnehin sehr am Herzen. Gespielt hat er sie so reizend, dass man fast bedauerte, von seinen mühsam erworbenen Tanzkünsten nur zu hören. Diese enorm lebendige Akzentuierung prägte allerdings das gesamte Konzert. Nicht nur deswegen wurde Rossen Balkanskis erste Gitarrensonate mit ihren scharfen Kontrasten und effektvollen Bassakzenten die große Überraschung des Abends.
Am Vormittag zeigte das Niehusmann Gitarren Duo sein bemerkenswert gutes Zusammenspiel, auch wenn sie verhältnismäßig wenig riskierten. Beide lassen die Musik eher verträumt lächeln. Oft reicht ein langer Blick in die Augen, um ein Rubato präzise gemeinsam zu spielen. Akkorde setzen sie auf beiden Gitarren so eng zusammen, als wäre es ein Instrument, und die Ähnlichkeit in der Phrasierung ist so groß, dass man oft kaum hörte, wer von beiden gerade die Melodie führte. Der intime Klang ihrer Weißgerber-Gitarren passt dabei sehr gut zu ihrer stillen Art.
Klaus Lipinski
© Halterner Zeitung, 26. August 2013
Fröhliche, dahinschreitende Musik voller Leben
Wie sollte das dritte Konzert des Gitarrenfestivals auf Schloss Sythen das Niveau der ersten beiden Konzerte mit Cristiano Poli Cappeli und dem GutArtist Quartett halten? Das Niehusmann Gitarren-Duo mit Judith und Volker Niehusmann konnte problemlos mithalten. Dr. Horstfried Masthoff, Organisator der Gitarrentage, zeigte sich zufrieden: „Gute Künstler zu verpflichten, ist für mich kein Problem.“ Das zeige, dass sich die Sythener Gitarrentage weit über die Region hinaus einen hervorragenden Ruf erworben haben. Auch die Besucherzahlen belegen das. „Alle Konzerte sind restlos ausverkauft“, verkündete Eva Masthoff stolz.
Horstfried Masthoff versprach nicht zu viel: „Sie können ihren Gitarren eine besonders einschmeichelnde Musik entlocken.“ Recht hatte er. Gleich das erste Stück, das Duo op. 34 Nr. 3 von Ferdinando Carulli, spielten sie weich, fast träumerisch. Noch schöner klangen die „drei Stücke für zwei Gitarren“ von Johann Kaspar Mertz, über den Volker Niehusmann sagte, dass er „dafür gesorgt hat, dass es die Romantik auch in der Gitarrenmusik gibt.“ Mertz habe diese Stücke für Klavier und Gitarre komponiert, benutzt wurde damals eine Terzgitarre. „Wir behelfen uns mit einer Klammer“, so Niehusmann. Zuerst spielten sie „Unrühe“, ein lebhaftes Stück, leise, mit Bedacht und weicher Intonation. Es folgte „Barcarole“, es schien den Musikern auf den Leib geschrieben zu sein – fließend und melodiös. Endlich ertönte die „Mazurka“, eine fröhlich dahinschreitende Musik, voller Leben und unzweideutig zum Tanz auffordernd. Grandios war die Musik „Grand Duo“, von Napoleon Coste, ein Zeitgenosse Johann Kaspar Mertz‘, der 1856 in einem Wettbewerb gegen ihn antrat und verlor.
Nach der Pause ertönte eine Eigenkomposition „Tableaux francaises, Sonate für zwei Gitarren“ und vier Sätze von Ennio Morricone, „Nuovo Cinema Paradiso for two Guitars“. Das Konzert endete mit „Prélude e Danse D’Avila“ von Ida Presti.
Werner Wenig
GuitAritst Quartett
© Halterner Zeitung, 13. August 2013
Eine musikalische Zeitreise
Das GuitArtist Quartett zu Gast bei den Sythener Gitarrentagen
Wenn das GuitArtist Quartett spielt, dann ist das Musik auf höchstem Niveau. „Ich habe das Quartett unter einem sternenübersäten Nachthimmel gehört – im Planetarium“, verriet Dr. Horstfried Masthoff, der Organisator der Gitarrentage, seinem zahlreichen Publikum am Sonntagabend im Schloss Sythen. Er war von den Musikern so überzeugt, dass er sie gleich zu den Gitarrentagen einlud. Guy Bitan, Ludger Bollinger, Peter Brekau und Ingo Brzoska sind professionelle Virtuosen, die in Sythen Gitarrenmusik aus unterschiedlichen Epochen vortrugen. „Zeitreise“ nannten sie daher ihr Programm, mit dem sie ihre Zuhörer in die Zeit der Renaissance, des Barock und der Moderne entführten. Zur Einstimmung gab es das Stück „Pavane“ von Gabriel Fauré. Arrangiert wurde es von Ingo Brzoska, ebenso wie „Dowland‘s Delight“ von John Dowland. „Dowland hat verschiedene Lieder komponiert, ich habe daraus eine eigene kleine Suite gemacht“, erläuterte Ingo Brzoska. Die vier Musiker spielten die drei Sätze der Suite interessant und ausdrucksvoll, die Zuhörer lauschten gespannt, so wie bei der ebenfalls von Ingo Brzoska komponierten „Pastourelle“. „Mehrere Komponisten haben eine Pastorale komponiert, zum Beispiel Bach“, erklärte Brzoska. Die Pastourelle entpuppte sich als ruhiges, stilles Stück mit einem Hauch von Bach. Ganz anders war das nächste Stück, ein Neuarrangement von Ravels „Le Tombeau de Couperin“ von Peter Brekau. „Es ist ein Nachruf auf Couperin“, so Brekau. „Ursprünglich für Klavier komponiert, wurde es dann von Ravel zu einer Orchesterversion umgeschrieben. Daran orientiert sich dann meine Fassung für Gitarre.“ Wunderschön waren die Wechsel der Tempi, die Variationen im Ausdruck und die unterschiedliche Dynamik zu hören. Wieder anders war die Gitarrenfassung des „Concerto Grosso D-Moll“ von Vivaldi, geschrieben ebenfalls von Peter Brekau. „Es ist aus unserem Barockprogramm“, erläuterte er. „Man hört die Orgel heraus.“ Was dann auch tatsächlich so war. Ein bemerkenswertes Arrangement war auch das von Guy Bitan: „Der Tod und das Mädchen“ von Franz Schubert. Das Stück „Kanon und Gigue“ von Johann Pachelbel in der Fassung von Peter Brekau klang auf der Gitarre erstaunlich modern. Als Zugabe spielten sie „Bonjour de la Ruhr“, ein Musette-Walzer, den „wir sonst eigentlich immer als Begrüßungsstück spielen“, und das Stück „Be Four“ in B-Moll als Anspielung auf die Anfangsbuchstaben ihrer Namen. Musiker und Zuhörer hatten dabei viel Spaß.
Werner Wenig
© Recklinghäuser Zeitung, 13. August 2013
Zeitreise mit charmantem Augenzwinkern
Sythener Gitarrentage zwischen andächtiger Stille und Lebendigkeit
Als er den letzten venezolanischen Walzer von Antonio Lauro mit einem inneren Lächeln beendete, waren Musik und der Blick in die Natur längst im Einklang. Die Stille, das Spiel der Blätter mit Wind und Licht. Cristiano Poli Cappelli schaute zwar nicht aus dem Sythener Schloss nach draußen, gehört aber zu den Musikern, die auf so etwas achten würden. Mit seiner ruhigen Art lieferte der Mann aus Rom einen bezaubernden Auftakt der Sythener Gitarrentage.
Schnell fiel auf, wie schön Poli Cappelli die Farbe von Akkorden zum Wechsel der Stimmung nutzt, wie er versucht, ihre unterschiedliche Farbwirkung zu suchen und zu nutzen. Ein Musiker, der selbst in Klängen versinkt und ihnen aufmerksam zuhört. Dieses Nachhören prägte auch seine Phrasierung und sein Rubato. Er ließ sich treiben, statt die Musik zu zwingen. Den Klang von Akkorden kann er dabei sehr schön dämpfen, ohne dafür den Ort des Anzupfens deutlich zu wechseln. Auf diese Weise boten die stillen Stücke die schönsten Momente des Konzertes. Das gilt für die melancholischen Werke Máximo Diego Pujols genau so wie für Mirtos „Nocturno“, Piazzollas „Oblivion“ oder die Einleitung von Barrios „La Catedral“.
Die Klangbalance baute er fast immer über einem leicht hervortretenden Bass auf. Poli Cappelli spielte eine ganz neue Gitarre von Allessandro Marseglia, ein Instrument mit kräftigem Fundament, dessen Ton sehr lange stand, und damit ideale Voraussetzungen für sein schönes Legatospiel lieferte. Auffallend war sein sensibles Tremolo, auch in Mirtos sechster Etüde, die Poli Cappelli gewidmet ist.
Auch das zweite Konzert bot eine Menge Spaß. Ludger Bollinger, Guy Bitan, Peter Brekau und Ingo Brzoska absolvieren als „GuitArtist-Quartett“ ihre musikalische Zeitreise stets mit einem charmanten Augenzwinkern. Nicht nur weil sie zum Schluss zu viert auf einem Instrument spielten. Ihr Klangkonzept lebt davon, dass jeder seine Stimme sehr lebendig einbringt. Die vier Gitarristen aus dem Ruhrgebiet boten viele eigene Arrangements, bei denen manchmal erstaunlich war, wie gut die Werke auch in der Gitarrenversion wirken. Etwa Faures „Pavane“ oder das Prelude aus Ravels „Tombeau de Couperin“. Trotzdem lieferten originale Kompositionen wie Carlo Domeniconis „Oyun“ oder Guy Bitans reizender Musette-Walzer „Bonjour de la Ruhr“ die stärksten Momente des Abends.
Klaus Lipinski
Cristiano Poli Cappelli
© Halterner Zeitung, 12. August 2013
Gelungener Auftakt der Sythener Gitarrentage
„Endlich wieder Gitarrenmusik“, äußerte sich einer der Gäste des Konzerts „Spannende Gegensätze“ im Sythener Schloss. „Endlich wieder Sythener Gitarrentage“ könnte man hinzusetzen, denn die garantieren Gitarrenmusik der Spitzenklasse. Wieder hat Horstfried Masthoff mit seiner Frau Eva vier Konzerte mit Spitzenmusikern organisiert, die am 11. und 25. August die Zuhörer verzaubern. „Es ist das Baby meines Mannes“, verriet Eva Masthoff, „und er freut sich riesig, wieder so gute Gitarristen verpflichtet zu haben.“ Der erste ist Cristiano Poli Cappelli, der aus Ostia bei Rom nach Haltern kam. „Als Mitglied eines Trios oder Quartetts war er schon einmal in Deutschland, doch dies ist sein erster Auftritt als Solist“, verriet Horstfried Masthoff, und er empfahl: „Lassen Sie sich von seiner wunderschönen Musik einfangen.“ Das taten die Zuhörer dann auch, als Poli Cappelli mit fünf Stücken aus „Historias Sin Palabras“ des zeitgenössischen Komponisten Máximo Diego Pujol begann. Zunächst das bedächtige Stück „El Destierro del Jerarca“, dann die konzertant klingenden Stücke „La Rosa Eterna“ und „Los Sueňos Reales Son“, das sehr lebhafte Stück „Vendaval De Pavor“ und schließlich das sehr ruhige „Muerte En Primavera.“ Poli Cappelli spielte sich mit diesen Stücken in das Konzert ein. Seine Griffe wurden zunehmend sicherer, bis er mit wahrer Spielfreude das Instrument perfekt beherrschte. Da kamen die „Die Variationen über ein Thema aus der Zauberflöte opus 9“ von Fernando Sor gerade recht. „Eine Legende für unser Instrument“, nannte Poli Cappelli den Komponisten. Er spielte die Variationen sehr melodisch mit viel Einfühlungsvermögen und wahrer Leidenschaft. Den noch vergleichbar jungen Gitarristen und Komponisten Giorgio Mirto machte Cappelli mit seinen „Six Studies“ bekannt. Es sind sehr schnelle, komplizierte Stücke, die Cristiano Poli Cappelli mühelos meisterte, dafür vom Publikuim mit frenetischem Beifall bedacht. Auch die drei Stücke „La Catedral“, „Mazurka Apasionata“ und „El Ultimo Tremolo“ von Augustin Barrios Mangoré lagen Poli Cappelli; geradezu verzückt spielte er das erste Stück, das er als „eines der schönsten Werke“ bezeichnete. Schließlich erfreute er mit den „Vier Venezolanischen Walzern“ von Antonio Lauro die Zuhörer. Deren Beifall war so groß, dass Poli Cappelli sich zu zwei Zugaben genötigt sah, darunter eine Transkription auf dem Film „Love Affair“.
Werner Wenig
© Recklinghäuser Zeitung, 13. August 2013
Zeitreise mit charmantem Augenzwinkern
Sythener Gitarrentage zwischen andächtiger Stille und Lebendigkeit
Als er den letzten venezolanischen Walzer von Antonio Lauro mit einem inneren Lächeln beendete, waren Musik und der Blick in die Natur längst im Einklang. Die Stille, das Spiel der Blätter mit Wind und Licht. Cristiano Poli Cappelli schaute zwar nicht aus dem Sythener Schloss nach draußen, gehört aber zu den Musikern, die auf so etwas achten würden. Mit seiner ruhigen Art lieferte der Mann aus Rom einen bezaubernden Auftakt der Sythener Gitarrentage.
Schnell fiel auf, wie schön Poli Cappelli die Farbe von Akkorden zum Wechsel der Stimmung nutzt, wie er versucht, ihre unterschiedliche Farbwirkung zu suchen und zu nutzen. Ein Musiker, der selbst in Klängen versinkt und ihnen aufmerksam zuhört. Dieses Nachhören prägte auch seine Phrasierung und sein Rubato. Er ließ sich treiben, statt die Musik zu zwingen. Den Klang von Akkorden kann er dabei sehr schön dämpfen, ohne dafür den Ort des Anzupfens deutlich zu wechseln. Auf diese Weise boten die stillen Stücke die schönsten Momente des Konzertes. Das gilt für die melancholischen Werke Máximo Diego Pujols genau so wie für Mirtos „Nocturno“, Piazzollas „Oblivion“ oder die Einleitung von Barrios „La Catedral“.
Die Klangbalance baute er fast immer über einem leicht hervortretenden Bass auf. Poli Cappelli spielte eine ganz neue Gitarre von Allessandro Marseglia, ein Instrument mit kräftigem Fundament, dessen Ton sehr lange stand, und damit ideale Voraussetzungen für sein schönes Legatospiel lieferte. Auffallend war sein sensibles Tremolo, auch in Mirtos sechster Etüde, die Poli Cappelli gewidmet ist.
Auch das zweite Konzert bot eine Menge Spaß. Ludger Bollinger, Guy Bitan, Peter Brekau und Ingo Brzoska absolvieren als „GuitArtist-Quartett“ ihre musikalische Zeitreise stets mit einem charmanten Augenzwinkern. Nicht nur weil sie zum Schluss zu viert auf einem Instrument spielten. Ihr Klangkonzept lebt davon, dass jeder seine Stimme sehr lebendig einbringt. Die vier Gitarristen aus dem Ruhrgebiet boten viele eigene Arrangements, bei denen manchmal erstaunlich war, wie gut die Werke auch in der Gitarrenversion wirken. Etwa Faures „Pavane“ oder das Prelude aus Ravels „Tombeau de Couperin“. Trotzdem lieferten originale Kompositionen wie Carlo Domeniconis „Oyun“ oder Guy Bitans reizender Musette-Walzer „Bonjour de la Ruhr“ die stärksten Momente des Abends.
Klaus Lipinski
2012
Carlo Marchione
© Halterner Zeitung, 28. August 2012
Konzert ohne Programm
Prof. Carlo Marchione begeisterte bei den Gitarrentagen
Es war Gitarrenspiel, wie man es nur selten hört. Prof. Carlo Marchione, der "Poet der klassischen Gitarre", wurde seinem Ruf wieder einmal gerecht.
Damit überraschten die Organisatoren der Sythener Gitarrentage, Horstfried Masthoff und seine Frau Eva, ihre Gäste mit ihrem letzten Konzert am Sonntagabend noch einmal auf besondere Weise. Es begann damit, dass es kein Konzertprogramm gab. "Was ich spiele, denke ich mir erst kurz vor oder sogar während des Konzertes aus", verriet Carlo Marchione. Dazu kam die Art seines Spiels: unprätentiös, unspektakulär, fast bescheiden. Doch gerade dadurch gewinnt es eine besondere Kraft und Intensität. Er sitzt vor seinen Zuhörern, als wäre er mit dem Instrument verwachsen. In sich gekehrt, nur ab und an einmal aufschauend, konzentriert er sich und offenbart eine beispiellose Leidenschaft für die Gitarre.
Sein Spiel, das in der Lautstärke mit dem Rauschen des Regens, der draußen vor den Fenstern des Schlosses in dicken Tropfen zur Erde fiel, wetteiferte, ist verhalten und ausdrucksvoll, geeignet, sich in die Lieder hinein zu träumen. Er ist, wie es ein Zuhörer ausdrückte, ein Zauberer der Gitarre.
Still ist es im Publikum, kein Rascheln, kein Hüsteln, man könnte eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Doch kaum ist der letzte Ton eines Stückes verklungen, brandet Beifall auf, untermalt von "Bravo"-Rufen. Was immer er spielt, Francesco Molinos "Grand Ouverture", eine Sonate von Domenico Scarlatti oder "Caprichio Catalan" von Isaac Albéniz, alles ist eine Offenbarung der Gitarrenmusik. Und wenn er Lieder von Schumann spielt, rührt er an das Herz der Zuhörer, indem er jede Note so spielt, als wäre sie die einzige des Stückes.
Die Zuhörer klatschten ihn zu gleich zwei Zugaben, wobei besonders das schwer zu spielende "Finale aus der 1. Rossiniana op. 119" von Mauro Giuliani, das er mit großer Fingerfertigkeit spielte, erstaunte.
Werner Wenig
© Recklinghäuser Zeitung, 29. August 2012
Atemberaubende Momente
Er beherrscht die Magie des perfekten Augenblicks. Das gilt nicht nur für die hohe Konzentration, die Carlo Marchione vor jedem Stück lange sucht und findet. Sogar über sein Programm entscheidet der großartige Gitarrist spontan während des Konzerts und wählt die genau zur Stimmung passende Musik. Zum Abschluss der Sythener Gitarrentage reihte er so einen atemberaubenden Moment an den anderen. Ein großer Musiker, bei dem man immer das Gefühl hatte, diese Stücke noch nie so schön gehört zu haben.
Schnell fällt seine Vorliebe für die historische Aufführungspraxis auf. Harnoncourt nennt er selbst als wichtigen Einfluss. Auch bei Marchione wirken die Linien wie sorgfältig artikulierte Sprache. Löst er Spannung auf, dann überträgt es sich körperlich auf den Hörer, weil er deutliche Betonungen setzt, harmonisch bestens orientiert, und dann wirklich so lange wie nötig wartet, bis sich die Spannung abgebaut hat. Wie ein nie abreißender Energiefluss, aus dem keine Note raus fällt. Spätestens nach „Chôro de Saudade“ und „Un Sueño en la Floresta“ von Augustin Barrios hätte man ihn dafür umarmen können.
Die klangliche Staffelung kann man kaum weiträumiger gestalten. Seine wunderschönen gesanglichen Linien lagen weit über der unglaublich fein nuancierten Begleitung. Dabei wechselten die Klangfarben schneller als bei vielen anderen Gitarristen, selbst innerhalb eines Griffs und eines Akkords. Flageoletts integrierte er extrem feinsinnig in die Klänge hinein, und die filigranen Tremoli erschienen als besonders abgehobene Klangschicht.
Geprägt wurde der Abend von der großen Ruhe melancholischer Stücke. Mit ihnen tauchte er tief ein in Traumwelten, denen der ganze Saal gebannt lauschte, egal ob Scarlatti, Albéniz, die eigenen Transkriptionen von Schumann Liedern oder Sors grandiose „Fantasie elegiaque“. Mit ihr betrauert Sor den Tod seiner Partnerin. Auch hier zeigte sich Marchione als Poet, der viel über Leben und Liebe gelernt hat. Ein Musiker von Weltrang.
Die Gitarre hört man erstaunlich selten als Begleitinstrument. Verstehen kann man das nach der reizvollen Kombination der Flötistin Wally Hase mit Thomas Müller-Pering nicht. Wer hätte gedacht, dass Schubert-Lieder in Bearbeitungen so verführerisch mediterran klingen können. Das Duo passte nicht nur klanglich gut zusammen, folgte dem anderen auch bei Veränderungen des Tempos problemlos und aufmerksam. Müller-Pering benutzt erfreulich wenig Vibrato, strukturiert den Klang über einer deutlichen Basistimme. Wally Hase hatte so eine Menge Raum, um ihr Temperament zu entfalten. Das kam um so mehr zum Zug, je länger die Stücke und das Konzert dauerten. Zwar wirkten einige südamerikanische Rhythmen bei ihr sehr lebendig, hoppelten aber ein wenig unruhig, ein bisschen wie von jemand der sich zu diesen Rhythmen nicht bewegen kann. Aber auch das wurde gegen Ende bei Astor Piazzolla immer überzeugender. Celso Machado entpuppte sich ohnehin als reizende Entdeckung. Auch dieses Konzert hatte seine zauberhaften Momente.
Klaus Lipinski
Thomas Müller-Pering & Wally Haase
© Halterner Zeitung, 27. August 2012
Im Bann des magischen Zirkels
„Círculo Mágico“, der magische Kreis, nannten der Gitarrist Thomas Müller-Pering und die Flötistin Wally Hase ihr Konzert, das sie am Sonntagmittag im Rahmen der Sythener Gitarrentage im Schloss Sythen vor ausverkauften Haus gaben.
Beide Musiker sind Professoren an der Hochschule Franz Liszt in Weimar und arbeiten seit vielen Jahren künstlerisch zusammen. Horstfried Masthoff, der Organisator der Gitarrentage, zeigte sich zufrieden. „Ich bin mit der Szene verbunden“, erklärte er, „so gelang es mir, diese Musiker von Rang zu verpflichten.“
Die Zuhörer freute es, denn das Konzert war voller Überraschungen. Der magische Kreis führt auf eine Reise in unterschiedliche musikalische Stile, von Schubert-Liedern über eine Fantasie von Pietro Pettoletti, eine Fantasie von Ernesto Cordero, zwei Sätze einer Sonate des Amerikaners Lowell Liebermann zu Stücken des Tango-Altmeisters Astor Piazzolla, alles auf der Gitarre und der Querflöte.
Thomas Müller-Pering spielte die Gitarre gekonnt und sicher, nur selten waren Griffgeräusche zu hören. Er variierte und betonte, dem jeweiligen Stück perfekt angepasst. Wally Hase zauberte auf der Querflöte. Stellenweise klang es, als beherrschte die Flöte das Spiel, von der Gitarre begleitet. Thomas Müller-Pering gab Erläuterungen zu den Stücken. Er ließ die Zuhörer insbesondere bei den schwierig zu spielenden Schubert-Liedern „Gute Nacht“, „Ständchen“ und „Das Fischermädchen“ staunen.
Dann spielten beide das Stück, das dem Konzert den Namen gab: „Círculo Mágico“ von Sérgio Assad, das Müller-Pering mit den Worten „Das Stück läuft nicht rund, es führt aber zum Schluss wieder zum Anfang zurück“ kommentierte.
Zum Träumen regten die Lieder von Celso Machado an, einen Komponisten, der „eher dem Bossanova und dem Samba verschrieben“ ist. „Sambamar“ beschreibt die Stimmung zwischen Strand und Meer, „Paçoca“ eine Zuckerspeise, und „Chorinho pra loria“ entpuppte sich als munteres Tänzchen.
Völlig anders präsentierte sich die Fantasia Mulata von Ernesto Cordero, die mit afrikanisch-karibischen Rhythmen sehr modern klangen. Lowell Liebermanns Sonate op. 25 mit den Sätzen „Adagio comodo“ und „Allegro“ kam in einem Stil daher, der „die amerikanische Herkunft nicht verbergen konnte“, wie Müller-Pering erläuterte.
Den Schluss bildeten vier Stücke von Astor Piazzolla, die den Tango von einer anderen musikalischen Seite beleuchteten.
Werner Wenig
© Recklinghäuser Zeitung, 29. August 2012
Atemberaubende Momente
Er beherrscht die Magie des perfekten Augenblicks. Das gilt nicht nur für die hohe Konzentration, die Carlo Marchione vor jedem Stück lange sucht und findet. Sogar über sein Programm entscheidet der großartige Gitarrist spontan während des Konzerts und wählt die genau zur Stimmung passende Musik. Zum Abschluss der Sythener Gitarrentage reihte er so einen atemberaubenden Moment an den anderen. Ein großer Musiker, bei dem man immer das Gefühl hatte, diese Stücke noch nie so schön gehört zu haben.
Schnell fällt seine Vorliebe für die historische Aufführungspraxis auf. Harnoncourt nennt er selbst als wichtigen Einfluss. Auch bei Marchione wirken die Linien wie sorgfältig artikulierte Sprache. Löst er Spannung auf, dann überträgt es sich körperlich auf den Hörer, weil er deutliche Betonungen setzt, harmonisch bestens orientiert, und dann wirklich so lange wie nötig wartet, bis sich die Spannung abgebaut hat. Wie ein nie abreißender Energiefluss, aus dem keine Note raus fällt. Spätestens nach „Chôro de Saudade“ und „Un Sueño en la Floresta“ von Augustin Barrios hätte man ihn dafür umarmen können.
Die klangliche Staffelung kann man kaum weiträumiger gestalten. Seine wunderschönen gesanglichen Linien lagen weit über der unglaublich fein nuancierten Begleitung. Dabei wechselten die Klangfarben schneller als bei vielen anderen Gitarristen, selbst innerhalb eines Griffs und eines Akkords. Flageoletts integrierte er extrem feinsinnig in die Klänge hinein, und die filigranen Tremoli erschienen als besonders abgehobene Klangschicht.
Geprägt wurde der Abend von der großen Ruhe melancholischer Stücke. Mit ihnen tauchte er tief ein in Traumwelten, denen der ganze Saal gebannt lauschte, egal ob Scarlatti, Albéniz, die eigenen Transkriptionen von Schumann Liedern oder Sors grandiose „Fantasie elegiaque“. Mit ihr betrauert Sor den Tod seiner Partnerin. Auch hier zeigte sich Marchione als Poet, der viel über Leben und Liebe gelernt hat. Ein Musiker von Weltrang.
Die Gitarre hört man erstaunlich selten als Begleitinstrument. Verstehen kann man das nach der reizvollen Kombination der Flötistin Wally Hase mit Thomas Müller-Pering nicht. Wer hätte gedacht, dass Schubert-Lieder in Bearbeitungen so verführerisch mediterran klingen können. Das Duo passte nicht nur klanglich gut zusammen, folgte dem anderen auch bei Veränderungen des Tempos problemlos und aufmerksam. Müller-Pering benutzt erfreulich wenig Vibrato, strukturiert den Klang über einer deutlichen Basistimme. Wally Hase hatte so eine Menge Raum, um ihr Temperament zu entfalten. Das kam um so mehr zum Zug, je länger die Stücke und das Konzert dauerten. Zwar wirkten einige südamerikanische Rhythmen bei ihr sehr lebendig, hoppelten aber ein wenig unruhig, ein bisschen wie von jemand der sich zu diesen Rhythmen nicht bewegen kann. Aber auch das wurde gegen Ende bei Astor Piazzolla immer überzeugender. Celso Machado entpuppte sich ohnehin als reizende Entdeckung. Auch dieses Konzert hatte seine zauberhaften Momente.
Klaus Lipinski
Ian Watt
© Halterner Zeitung, 6. August 2012
Ian Watt beeindruckt mit Hingabe und Klarheit
Viele Gesichter konnte man beim zweiten Konzert der Konzertreihe „Sythener Gitarrentage 2012“ am Nachmittag wiedersehen, bot sich doch nun die Gelegenheit, solistische Gitarrenmusik vom Feinsten zu hören, präsentiert von dem erst 21-jährigen Schotten Ian Watt.
Dieser hat trotz seiner Jugend schon international Karriere gemacht. Der sympathische Künstler gab kurze Erläuterungen zu den einzelnen Stücken, die er ausnahmslos auswendig mit beeindruckender Musikalität, Klarheit und Hingabe präsentierte.
Nach der zu Beginn gebotenen, ursprünglich für Solovioline komponierten Bachsonate, die Ian Watt für sein Instrument transkribiert hatte und bei der er sich nach eigenem Bekenntnis auch einige gestalterische Freiheiten erlaubt hatte, erklangen vom spanischen Komponisten Fernando Sor eine Fantasie und eine Sonate, in der Watt mit seinem überaus feinfühligen Gitarrenspiel vor allem in dem Piano- und Pianissimo-Passagen stets zu überzeugen wußte.
Nach der Pause führte Watt die Zuhörer mit zwei ursprünglich für Laute komponierten Fantasien von John Dowland in die Welt der Renaissance. Der Zeitsprung in die Gegenwart erfolgte mit der deutschen Erstaufführung einer Fantasie über Themen aus Benjamin Brittens Oper „Gloriana“, deren Handlung in der Zeit Elisabeth I spielt, und die, so klagte Watt, viel zu selten aufgeführt werde. Watt hatte das Werk des Schotten McLeod im Sommer in Ungarn uraufgeführt und zeigte hier dem Publikum, dass er nicht nur ein Meister leiser Töne ist. Eine Sonate des Italieners Castelnuovo-Tedesco beendete das abwechslungsreiche Programm. Wie McLeod sich auf Britten bezieht, ist Tedescos Sonate eine Hommage an Luigi Boccherini, das Thema eines Menuetts blitzt immer wieder auf. Für den üppigen Beifall des Publikums im restlos ausverkauften Saal bedankte sich Watt mit drei (!) Zugaben, in denen noch einmal seine ganze Musizierfreude zum Ausdruck kam, und die das Herz der Gitarrenfreunde höher schlagen ließen.
Heidi Siegel
© Recklinghäuser Zeitung, 7. August 2012
Pulsierend lebendig
Wer nicht weiß, dass sie schon lange verheiratet sind, könnte Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff genau das empfehlen. Denn musikalisch funktioniert das Paar als Amadeus Guitar Duo schon seit mehr als 20 Jahren großartig. Warum man sie in aller Welt kennt und schätzt, zeigte ihr Auftritt im Sythener Schloss, mit dem dort die diesjährigen Gitarrentage begannen.
Die beiden Gitarristen suchen keine künstlerischen Extreme, aber ihre Musik transportiert jede Menge Lebensfreude und musikalischen Spaß. Je spanischer die Musik wurde, um so mehr war davon zu spüren. Als Duo suchen sie dabei keine Perfektion, sie schätzen eher das Leben als die Artistik. Wenn Musik so pulsierend lebendig ist, muss sie nicht bis ins kleinste Detail synchron sein. Wechselten die Themen zwischen den Partnern, zeigten sich die kleinen Unterschiede, die so ein Duo interessant machen. Kavanagh spielt impulsiver, quirliger und liebt spontane Ideen aus dem Moment heraus, während Kirchhoff seine Linien eher überlegt ordnet und die Spannung der Bögen logisch aufeinander bezieht. Die schönsten Momente ihres Auftritts brachten zwei Solo-Kompositionen Kavanaghs. Harmonien, so weich wie ein melancholisches Lächeln, sanft umspielt von bewegten Linien, die zwar die Überschrift Etüde verdienten, die aber zum Glück nicht danach klangen.
Der junge Schotte Ian Watt entpuppte sich im zweiten Konzert mit seinem ganz persönlichen Stil als große Entdeckung. Watt gibt sich und den Hörern sehr viel Zeit, um Akkordspannung aufzulösen, oder um einen neuen Bogen wie einen ruhigen Atemzug zu beginnen und zu beenden. Unendlich sanft und poetisch, sei es in Bachs Sonate BWV 1001, Fantasien von Dowland oder der deutschen Erstaufführung einer Fantasie von John McLeod. Verstärkt wurde diese Wirkung durch sein dichtes gesangliches Legato und die großartige dynamische Staffelung. Die Melodielinie stand immer sehr weit über der leisen Begleitung, ohne dass er den Zusammenhang der begleitenden Linien verlor. Bei gebrochenen Strukturen hielt er zusätzlich den Akkord sehr lange und erzielte so eine deutlichere harmonische Wirkung. Wiederholen sich thematische Motive, dann verändert Watt sofort den Klang, zupft an einer anderen Stelle des Instruments. Ganz leise direkt über dem Schallloch, am Griffbrett oder mit scharfem Akzent weit unten am Steg. Tonrepetitionen wirkten in Sors Sonate op. 22 etwas statisch, aber er nutzte auch dabei seine große dynamische Bandbreite zur Steigerung der Intensität. Denn wer Spannung so schön auflöst, muss sie erst einmal aufgebaut haben. Von ihm wird man noch viel hören.
Klaus Lipinski
Amadeus Guitar Duo
© Halterner Zeitung, 6. August 2012
Vom Barock bis zur Moderne
Im Rahmen der von der Kulturstiftung Masthoff veranstalteten Gitarrentage 2012 eröffnete am Sonntag das Amadeus Guitar Duo – gebildet von den Detmolder Professoren Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff – den Reigen erlesener Gitarrenmusik.
Die international renommierten Gitarristen hatten ihr Programm unter das Motto „Through the Centuries – Von Barock bis Moderne“ gestellt und so erklagen zu Beginn drei Sätze aus dem Concierto Madrigal des bekannten spanischen Komponisten Joaquín Rodrigo, in denen die beiden perfekt aufeinander abgestimmten Künstler ihre Virtuosität ausspielen konnten. In der nun folgenden Chaconne entführte das Amadeus Guitar Duo die Zuhörer ins Zeitalter des Barock.
In interessantem Kontrast dazu stand dabei dann die Serenade für zwei Gitarren des Franzosen André Jolivet, einem zeitgenössischen Komponisten, der mit Olivier Messiaen befreundet war. 1956 komponiert und im Wechsel eher aggressiv-rhythmischer Sätze und melancholisch-verhangener Passagen – Kirchhoff charakterisierte den dritten Satz als „sphärisch“ – war sie trotz fremd klingender Harmonien durchaus gut anzuhören. Vor der Pause ging es dann mit der Suite Spagnola des 1923 geborenen Italieners Mario Gangi eher traditionell spanisch zu. Während der Pause konnten sich die Zuhörer bei unerwartetem Sonnenschein mit Getränken und kulinarischen Kleinigkeiten des Hotels Pfeiffer erfrischen und kräftigen.
Es ging weiter mit zwei Kompositionen von Dale Kavanagh für Gitarre solo, einem sehr kontrastreichen Werk, das das Heimweh zum Thema hatte und einer Konzertetüde, bei der die Künstlerin darauf verwies, dass dies Stück weniger etwas mit „Etüde gleich Technikübung“, sondern eher mit Spaß an der Musik zu tun habe.
Nun wieder als Duo präsentierten Kavanagh und Kirchhoff als nächstes Werk ein Gedicht von Federico Garcia Lorca, in dem es um den Tod eines Mannes geht, der einer Frau im Stierkampf zu imponieren versucht – dies Geschehen war in der Musik gut hörbar. Nach diesem zeitgenössischen Stück erfolgte nun mit der Partita Polonaise von Georg Philipp Telemann wieder ein Ausflug in die tänzerische Welt des Barock.
Beendet wurde das Programm mit der Serenade Amadé des Venezuelaners Alfonso Montes, hier waren neben spanisch anmutenden Passagen auch an Jazz oder Blues erinnernde Elemente zu hören.
Für den herzlichen Beifall im ausverkauften Saal des Schlosses Sythen bedankte sich das Duo mit einer Zugabe, die Thomas Kirchhoff einem treuen Konzertbesucher widmete.
Heidi Siegel
© WAZ, 6. August 2012
Wenn der Stierkämpfer verliert
Anfang August, wenn das Kulturleben Pause macht, die ersten Urlauber zurückgekehrt sind, freut sich die Klassikgemeinde auf „ein kleines, aber feines Open-Air“mit „supercooler Stimmung“, wie eine Besucherin sagt. Die Sythener Gitarrentage, von der Stiftung Masthoff 2007 ins Leben gerufen, sind ein Kleinstfestival, ganz ohne Glamour und große Gesten, ohne großes Budget und viel PR und ohne horrende Eintrittspreise. Dafür mit hochkarätigen Künstlern.
Den Auftakt machten am Sonntag Prof. Dale Kavanagh und Prof. Thomas Kirchhoff, die seit 1991 das Amadeus Guitar Duo bilden. Zu ihren Konzerten pilgert man. So wie Georg, der am Sonntagmorgen in der ersten Reihe sitzt, und dem das Duo zum Dank für den 20. Besuch die Zugabe widmet. Boston, New York, Landsberg, Schottland, China, Haltern am See – so lesen sich die Stationen ihrer Auftritte. Das Duo präsentierte ein komplett neues Programm: „Through the Centuries“, von Barock bis Modern. Einige Werke, die zu hören sind, spielen sie in eigenen Bearbeitungen, so die Madrigal Suite aus dem Concierto Madrigal von Joaquin Rodrigo. Gleich zu Anfang stecken die beiden ihren Spielraum für den Rest des Vormittages ab: Stücke des 20. Jahrhunderts überwiegen, „dennoch sehr traditionell“, nimmt Kirchhoff dem durchweg älteren Publikum die Sorge, ausschließlich moderne Klänge zu hören. Die gab es auch. André Jolivets „Serenade pour deux guitares“ (1956). Obwohl Kirchhoff das Publikum vor den seiner Meinung nach „aggressiven zwei Sätzen“ warnte, erlebte man eine packend dargestellte Mischung aus Virtuosität und großer Rasanz. So überzeugend, dass es im Publikum Lacher gab, weil es „wie ein Ehestreit klingt“, gestand Dale Kavanagh.
Zunächst wurde aber wieder einen Gang zurückgeschaltet. Bei Händels Chaconne in G-Dur, HV 435, ursprünglich für Cembalo geschrieben, kümmerte sich das Duo zwar nicht so sehr um die Maßstäbe der historischen Aufführungspraxis. Einfach drauflos spielten sie allerdings auch nicht. Ihre Interpretation gab jedem Satz einen eigenen Charakter, ihr wunderbares Zusammenspiel begeisterte.
Nach der Pause, in der Pfeiffer‘s Sythener Flora kleine Köstlichkeiten servierte, wurde es solistisch: Kavanagh, die den leidenschaftlicheren Part des Duos besetzt, formulierte ihre Etuden (1998). Fein abgestufte Töne, meditative Klänge und lebhaft rhythmische Figuren konzentrierten die Aufmerksamkeit und schufen Raum für Assoziationen. Ein aparter Satz von Gerald Garcia (1949) aus Volksliedthemen des Dichters Garcia Lorca (1898-1936), der mal eindringlich, dann wieder munter daherkam, stieß danach auf offene Ohren. Auch wegen seiner Geschichte, in der es um einen Stierkämpfer geht, der sein Leben verliert. „Eine traurige Geschichte, aber warum soll immer der Stier verlieren?“, kommentierte Kirchhoff launig.
Die zeitgenössische Komposition „Serenade Amadé“ des Uruguayers Alfonso Montes, die dieser dem Duo widmete, brachte das gitarristische Kernrepertoire zu Gehör: blitzsauber gespielt, mit einem feinen Gespür für Flamenco, Cha Cha und andere folkloristische Einflüsse umgesetzt. Für Bravo-Rufe und Applaus gab es eine Zugabe.
Irene Stock
© Recklinghäuser Zeitung, 7. August 2012
Pulsierend lebendig
Wer nicht weiß, dass sie schon lange verheiratet sind, könnte Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff genau das empfehlen. Denn musikalisch funktioniert das Paar als Amadeus Guitar Duo schon seit mehr als 20 Jahren großartig. Warum man sie in aller Welt kennt und schätzt, zeigte ihr Auftritt im Sythener Schloss, mit dem dort die diesjährigen Gitarrentage begannen.
Die beiden Gitarristen suchen keine künstlerischen Extreme, aber ihre Musik transportiert jede Menge Lebensfreude und musikalischen Spaß. Je spanischer die Musik wurde, um so mehr war davon zu spüren. Als Duo suchen sie dabei keine Perfektion, sie schätzen eher das Leben als die Artistik. Wenn Musik so pulsierend lebendig ist, muss sie nicht bis ins kleinste Detail synchron sein. Wechselten die Themen zwischen den Partnern, zeigten sich die kleinen Unterschiede, die so ein Duo interessant machen. Kavanagh spielt impulsiver, quirliger und liebt spontane Ideen aus dem Moment heraus, während Kirchhoff seine Linien eher überlegt ordnet und die Spannung der Bögen logisch aufeinander bezieht. Die schönsten Momente ihres Auftritts brachten zwei Solo-Kompositionen Kavanaghs. Harmonien, so weich wie ein melancholisches Lächeln, sanft umspielt von bewegten Linien, die zwar die Überschrift Etüde verdienten, die aber zum Glück nicht danach klangen.
Der junge Schotte Ian Watt entpuppte sich im zweiten Konzert mit seinem ganz persönlichen Stil als große Entdeckung. Watt gibt sich und den Hörern sehr viel Zeit, um Akkordspannung aufzulösen, oder um einen neuen Bogen wie einen ruhigen Atemzug zu beginnen und zu beenden. Unendlich sanft und poetisch, sei es in Bachs Sonate BWV 1001, Fantasien von Dowland oder der deutschen Erstaufführung einer Fantasie von John McLeod. Verstärkt wurde diese Wirkung durch sein dichtes gesangliches Legato und die großartige dynamische Staffelung. Die Melodielinie stand immer sehr weit über der leisen Begleitung, ohne dass er den Zusammenhang der begleitenden Linien verlor. Bei gebrochenen Strukturen hielt er zusätzlich den Akkord sehr lange und erzielte so eine deutlichere harmonische Wirkung. Wiederholen sich thematische Motive, dann verändert Watt sofort den Klang, zupft an einer anderen Stelle des Instruments. Ganz leise direkt über dem Schallloch, am Griffbrett oder mit scharfem Akzent weit unten am Steg. Tonrepetitionen wirkten in Sors Sonate op. 22 etwas statisch, aber er nutzte auch dabei seine große dynamische Bandbreite zur Steigerung der Intensität. Denn wer Spannung so schön auflöst, muss sie erst einmal aufgebaut haben. Von ihm wird man noch viel hören.
Klaus Lipinski
2011
Rafael Aguirre Miñarro
Das Abschlusskonzert gestaltete der junge und doch schon international gefeierte Rafael Aguirre Miňarro. Er lässt sein Instrument förmlich „singen“, sensibel und zugleich atemberaubend. Seine Art zu musizieren weist ihn als ehemaligen Schüler von Joaquín Clerch aus. Die gebannt lauschenden Zuhörer spürten, dass sie ein ganz ungewöhnliches Konzert erlebten. Für den tosenden Applaus bedankte sich dieser großartige Gitarrist mit vier Zugaben.
© Ruhr Nachrichten, 30. August 2011
Gitarrenvirtuose verlockte zum Träumen
„Ich fühle mich sehr wohl auf dem Schloß Sythen“, begrüßte Rafael Aguirre Miñarro die rund 100 Zuhörer im Schloßinnern. Er gastierte mit „saitenweisem“ Programm mit Melodien von Robert Schumann. „Er ist ein großer Gitarrist. Allein die Tatsache, daß er Dozent an der Robert Schumann-Hochschule ist und Schüler von Joaquin Clerch, der auch schon hier spielte, beweist dies eindrucksvoll“, stellte Horstfried Masthoff von der KulturStiftung Masthoff den Künstler vor. Mit einem kleinen Vorspiel gab Miñarro den Zuhörern mit „Austria“ von Isaac Albéniz einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Nachdem er sich den begeisterten Zuhörern vorgestellt hatte, zeigte er sein ganzes Können an den Saiten seiner Konzertgitarre.
„Stellen Sie sich vor, Sie seien in Venedig“, gab er den gespannten Hörern einen Anreiz zum Träumen mit auf den Weg zur musikalischen Rundreise. „Barcarola Venezian“, ein melancholisches und langsames Lied von Felix Mendelssohn-Bartholdy, bei dem einzelne Töne herausstachen, versetzte ins Land der Träume.
Nach dem stürmischen Applaus setzte sich die träumerische Reise fort. „Ein Künstler bleibt immer ein Kind. Versetzten Sie sich bei dem nächsten Stück in ihre Kindheitstage zurück“, forderte Miñarro das Auditorium auf und blendete zu dem wohl bekanntesten Stück von Robert Schumann („Kinderszenen op. 15“) über. Abwechslungsreiche Melodienfolgen und ein grandioses Spiel mit atemlos machenden schnellen Tonfolgen ließen alte Kindheitsträume aufleben und verzauberten das Publikum. „Es war einfach nur wunderbar. Ich habe meine Augen geschlossen und in den schönsten Jahren meiner Kindheit geschwelgt“, begeisterte sich ein Gast für das furiose Gitarrenkonzert. fwi
© Marler Zeitung, 31. August 2011
Ein zukünftiger Star
Seinen Namen muss man sich merken: Auch wenn Rafael Aguirre Miňaro nicht gesagt hätte, wie wohl er sich im Sythener Schloss fühlt, man hätte es an den vielen atemberaubend schönen Momenten gemerkt.
Der junge Spanier, der bereits in der Carnegie Hall und im Moskauer Tschaikowsky-Saal auftrat, verzauberte das kleine Sythen und stellte alle anderen Konzerte der dortigen Gitarrentage in den Schatten. Ein zukünftiger Star. Magie liegt in der Dynamik. Seine Musik lächelt, als würde er den Hörer von Anfang an umarmen. Selten hört man einen Gitarristen, der so feine dynamische Schattierungen beherrscht, der die Begleitung so zart und leise unter eine weit im Vordergrund stehende, strahlend hell gefärbte Oberstimme legt. Die singt bei ihm in wunderschönen Bögen. Löst er sie auf, dann lässt er sich dabei alle Zeit der Welt. Das gilt auch für einige Dissonanzen bei Gershwin. Manchmal bringt er die Musik damit fast zum Stillstand, verliert aber nie die Konzentration und die kontinuierliche Spannung.
Auffallend ist bei Miňarro die hohe klangliche Qualität des Flageoletts. Er spielt ein Instrument von Stephen Connor aus Boston, auf dem einerseits die Bach Sarabande aus BMV 825 sehr schön abgerundet klang, auf dem er andererseits aber auch die perkussiven Effekte von Tárregas „Gran Jota“ spektakulär inszenieren konnte.
Auch darin ist seine Technik auf Weltklasse-Niveau. Das Tempo hoch, die Leichtigkeit auch in Rodrigos schwieriger Toccata frappierend. Im Programm hatte er viele Transkriptionen von Klavierwerken: Schumanns kompletten Kinderszenen, Gershwins Preludes, von Albéniz die „Asturia“, Mendelssohns Venetianisches Gondellied und Debussys „Clair de lune“. Nicht nur dort spiegelte sich Miňarros liebenswerte Art in der Musik und man vermisste tatsächlich kein Klavier.
Schon vorher begeisterte im Sythener Schloss das Münchner Gitarrentrio. Drei Gitarristen, die durch ihr präzises Zusammenspiel einen kräftigen orchestralen Klang erzeugen. In mitreißendem Tempo genau zusammen, aber trotzdem jeder mit eigener Persönlichkeit und individueller Phrasierung, wenn die Themen zwischen den Musikern hin- und hergereicht werden.
Für die erfrischende Wirkung sind auch die geschickten Bearbeitungen von Vivaldi, Bizets Carmen Suite, Boccherinis Fandango oder der Zugabe von Astor Piazzolla verantwortlich.
Eine Eigenkomposition von Thomas Etschmann verriet genau so eine Sympathie für Jazz wie Paulo Bellinatis „Baião de Gude“.
Klaus Lipinski
Münchner Gitarrentrio
Am 28. August gastierten Thomas Etschmann, Alexander Leidolph und Mikhail Antropov im Schloss Sythen. Sie bilden das Münchner Gitarrentrio. Aufgrund ihrer hervorragenden Programmgestaltung konnten sie die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der klassischen Gitarre demonstrieren. Es gelang den Musikern in dieser reizvollen Besetzung einen fast orchestralen Klang entstehen zu lassen. Hohe Präzision und Intensität gepaart mit großem Ein-fühlungsvermögen und Spielwitz kennzeichnen das Musizieren dieses Trios.
© Ruhr Nachrichten, 29. August 2011
Schnelle Tonfolgen und südländischer Rhythmus
Eine musikalische Reise mit südlichem Repertoire setzte die Sythener Gitarrentage fort. 100 Zuschauer lauschten fasziniert dem „Münchner Gitarrentrio“.
„Stellen Sie sich blauen Himmel vor und genießen Sie die Reise in den Süden“, begrüßte Veranstalter Dr. Horstfried Masthoff (Kulturstiftung) die Zuhörer. Alexander Leidolph, Thomas Etschmann und Mikhail Antropov konnte Masthoff für die Gitarrentage gewinnen. „Jeder ist für sich ein herausragender Gitarrist“, stellte er die drei Musiker vor. Leidolph begann mit dem Gitarrenspiel im Alter von elf Jahren, er gewann seitdem mehrere Musikpreise. Etschmann studierte Gitarre am Mozarteum in Salzburg und ist ein international bekannter Künstler. Das Trio wird durch den Russen Antropov vervollständigt. Auch er studierte Gitarre und nahm bereits an mehreren TV- und Radioproduktionen teil.
„Eine Gitarre ist ein kleines Orchester, drei Gitarren sind schon fast wie ein großes Orchester“, sagte Masthoff abschließend und machte die Bühne für die drei Star-Gitarristen frei. Da es wenig Literatur für Trios in der klassischen Musik gibt, schrieben die drei Musiker Musikstücke um. Mit klangvollen Tönen und einem wahren Ohrenschmaus zogen sie die Zuhörer, die den schnellen Griffen der Gitarristen mit ihren Augen kaum folgen konnten, in ihren Bann. Luigi Boccherinis Introduction et Fandango, ein Stück, das auch für Streicher geschrieben ist, war dem außergewöhnlichen Trio wie auf den Leib geschnitten.
Schnelle Tonfolgen und südländischer Rhythmus machen dieses Stück aus. Die Kastagnetten-Geräusche wurden dabei durch Fingernagelklopfen auf den Gitarren-Korpus täuschend echt imitiert. In „Carnaval“ des kanadischen Komponisten Patrick Roux zeigte das Trio, was es an Zupf- und Schlagtechnik, an rhythmischer Sicherheit, überhaupt an Virtuosität, zu bieten hat. Nach einer kurzen Pause folgte ein selbstkomponiertes Stück von Thomas Etschmann. Am Nachmittag beschloß Rafael Aguirre Miñarro mit „Saitenweise Robert Schumann“ die Gitarrentage. fwi
Weißgerber Gitarrenduo
Am Abend traten Katrin Simon und Susanne Hilker als Weißgerber Gitarrenduo auf. Unter dem Titel „Sommerserenade“ boten sie ein unterhaltsames, von mediterranen Klängen geprägtes Programm. Sie verzauberten die Zuhörer durch ihr perfektes und ausgewogenes Zusammenspiel in äußerst sympathischer Bühnenpräsenz.
© Ruhr Nachrichten, 16. August 2011
Weißgerber Gitarrenduo bei den Sythener Gitarrentagen
Das zweite Konzert bei den diesjährigen Sythener Gitarrentagen wurde am Sonntagabend vom „Weißgerber Gitarrenduo“ bestritten. Susanne Hilker und Katrin Simon hatten im August 2007 die seither jährlich stattfindende Konzertreihe aus der Taufe gehoben. Beide haben an der Folkwang Hochschule in Essen studiert und spielen seit 2003 zusammen.
Der Name „Weißgerber“ ist zurückzuführen auf den Gitarrenbaumeister Richard Jacob, der 1921 beim Reichspatentamt in Berlin für seine Gitarren dieses Warenzeichen eintragen ließ. Katrin Simon und Susanne Hilker spielen auf Instrumenten aus seiner Werkstatt und dürfen für ihr Ensemble exklusiv den Namen Weißgerber benutzen.
Einige Besucher haben beide Gitarrenkonzerte des Tages erlebt – das war ein Kontrast. Natürlich ist es schwer nach Gerhard Reichenbach aufzutreten. Dennoch wirkten die „Sommerserenaden“ vom Duo Weißgerber weniger mitreißend, „braver“ und strenger. Das hat nichts zu tun mit der Meisterschaft in der Beherrschung des Instruments – das können sie alle.
Vielleicht lag es an der Programmgestaltung? Oder lag es an den Notenpulten, die sich zwischen Publikum und Interpret schoben? Das erste Stück von Mauro Giuliani klang beinahe wie bayerische Volksmusik. Es dauerte ein bißchen, bis die beiden Musikerinnen zu einer Einheit verschmolzen. Dabei waren die Rollen im Konzert meistens gleich verteilt: Katrin Simon spielte die Oberstimme, Susanne Hilker die tiefere Begleitung. Synchrones Anziehen oder Abebben der Tempos funktionierte bei häufigem Blickkontakt sehr gut.
Während man vorher bei Reichenbach die Vielfalt der Klangfarben und Spieltechniken erlebte, wendete das Duo Weißgerber davon nur wenige Elemente an. Bei den „Valses Poeticos“ von Enrique Granados fielen einige Glissandi auf. Katrin Simon spielte die Oberstimme manchmal nah am Steg, so daß ein dünnerer, metallischer Klang entstand.
Das modernste Stück, das leicht jazzige Harmonien enthielt, war „Danse D’Avilia“ von Ida Presti. Bei melancholischer Grundstimmung und abrupten Tempowechseln stachen laute Triller auf den Ansätzen einiger Melodiebögen sehr hervor. Etwas temperamentvoller wurde es bei den schwungvollen Tänzen von Béla Bartók, die fast orientalische Assoziationen erweckten. Nach der Pause interpretierte das Duo Sonaten von Domenico Scarlatti – schön gespielte Barockmusik, technisch perfekt, aber nichts Überraschendes. Die „Suite España“ von Isaac Albéniz brachte Farbe ins Bild: Sie enthielt Kontraste zwischen sehr hoher und sehr tiefer Lage und gelegentlich geschlagene Akkorde. Das Leib- und Magenstück der beiden Gitarristinnen scheint jedoch das „Souvenir de Russie“ von Fernando Sor zu sein, das besonders gut gelang. Sabine Bornemann
© Marler Zeitung, 17. August 2011
Gitarren-Träume im Schloss
Sythener Festival begeistert
Schon der Name sagt alles über den Klang. Mit dem Weißgerber Gitarrenduo kehrten die Sythener Gitarrentage an ihren Anfang zurück.
Susanne Hilker und Katrin Simon waren die ersten Musikerinnen, die vor fünf Jahren beim Festival im Sythener Schloss auftraten. Benannt haben sie sich nach dem Firmennamen des berühmten Gitarrenbauers Richard Jacob, dessen Instrumente auch heute noch für ihren warmen singenden Ton berühmt sind. Eine innere Harmonie und Ruhe, die auch das Spiel des Duos prägte.
Bei ihnen hört man nicht die Gegenüberstellung von zwei verschiedenen Persönlichkeiten, sondern den gemeinsamen Aufbau des Gesamtklangs. Wie von einer Person. Die prägnante Basslinie fiel dabei besonders auf. Oft kurz und trocken, ohne Vibrato. Das Duo sucht auch sonst keine spektakulären Effekte, akzentuiert Dissonanzen sehr zurückhaltend und verwendet Vibrato angenehm sparsam. Selbst Bartóks „Rumänische Volkstänze“ wurden zu einer reizvoll verspielten Angelegenheit. Aber trotzdem bleibt das manchmal etwas harmlos und oberflächlich.
In solchen Momenten retteten die Instrumente ihre Musikerinnen. Denn natürlich spielen beide Gitarren von Weißgerber. Ihre Instrumente stammen aus den 20er Jahren, Torres-Modelle, die sich am Vorbild des berühmten spanischen Gitarrenbauers orientieren. Passend dazu hinterließ das Duo den stärksten Eindruck mit spanischer Musik: Granados „Valses Poeticos“, Sors „Souvenir de Russie“ und von Albéniz die „Suite Espaňa“.
Mit einem Stück aus genau dieser Suite, dem „Capriccio Catalan“, hatte vorher Gerhard Reichenbach sein großartiges Konzert beendet. Als er die letzten zarten Töne in den Saal schickte, erreichte er eine verträumte Stimmung, die seinem Spiel gut bekam, und mit der er die Hörer endgültig verzauberte. Spannung hatte er schon vorher sehr schön aufgelöst, und je mehr Zeit er sich bei den Zäsuren ließ, umso näher kam er seinen Hörern.
Bereits im Studium war er für seine feinen, präzise absolut gestimmten Ohren bekannt. Auch an diesem Nachmittag bestaunte man, wie unterschiedlich er die einzelnen Stimmen färben kann. Die Oberstimme oft mit breitem Vibrato hervorgehoben, bevorzugt er stilistisch die romantische Gitarrenschule. Fingertechnisch geht er dabei nie den leichtesten Weg, sondern bemüht sich, Töne und gebrochene Akkorde lange zu halten, um dicht verschmelzende Linien zu erzeugen. Das wirkte bei Scarlatti genau so gut wie in der „Reverie“ von Giulio Regondi.
Dass Reichenbach noch eine ganz andere Seite hat, zeigte der ausgiebige Ausflug nach Südamerika: Piazzolla, Villa-Lobos und viele Sambas, darunter einer, den Buck Wolters ihm gewidmet hat. Bei allem Temperament zeigten auch hier die vielen unterschiedlichen Klangschichten, warum er als einer der technisch versiertesten Gitarristen gilt.
Klaus Lipinski
Gerhard Reichenbach
Mit einem wundervollen Konzert eröffnete Prof. Gerhard Reichenbach am 14. August die Sythener Gitarrentage 2011. Der seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten deutschen Konzertgitarristen zählende Musiker faszinierte sein Publikum durch ein ebenso brillantes wie einfühlsames Spiel, wobei die stilistische Bandbreite seines Programms beeindruckend war. In amüsanter Weise moderierte Reichenbach sein Konzert selbst.
Foto: Sabine Bornemann
© Ruhr Nachrichten, 16. August 2011
Vielsaitige Musikerlebnisse
Am Sonntagnachmittag begannen die Sythener Gitarrentage auf dem Schloß mit einem der erfolgreichsten deutschen Konzertgitarristen. Die KulturStiftung Masthoff konnte Gerhard Reichenbach präsentieren.
Er ist Professor für klassische Gitarre an der Musikhochschule Köln/Wuppertal. In seinen Soloprogrammen setzt er Schwerpunkte in Barockmusik und Kompositionen aus dem spanischen und brasilianischen Kulturraum. Außerdem ist es ihm ein Anliegen, das Publikum mit zeitgenössischer Musik vertraut zu machen. Das Sythener Konzert begann mit einer Transkription dreier Sonaten des Cembalisten Domenico Scarlatti. Angesichts des trüben Regenwetters tauschte er kurzerhand das melancholische zweite Stück gegen ein fröhliches aus. Überhaupt war sein ganzer Auftritt absolut natürlich und unkapriziös, dabei aber unglaublich souverän. Reichenbach spielte alles auswendig und führte auch in jedes Stück mit einer kurzen Erläuterung ein. Einzelne Besonderheiten hat er vorher demonstriert, z.B. die Übertragung des Tremolos aus der Mandolinentechnik auf die Gitarre bei Giulio Regondis „Reverie“. So hatte auch der ungeschulte Konzertbesucher die Chance, das Spezielle eines Stückes wiederzuerkennen.
Der geschickte Pädagoge wagte auch einen Abstecher in die avantgardistische Musik mit Stücken von Buck Wolters und Marco Pereira. Er erzählte die Geschichte von Burkhard Wolters, der nach einem Studium der klassischen Gitarre frustriert das Instrument an den Nagel hängen wollte. Er fühlte sich durch den im Konzertbetrieb geforderten Perfektionismus völlig blockiert – bis er die Jazz-Gitarre für sich entdeckte. Hier gibt es nicht mehr „richtig“ und „falsch“. Bei einem Festival spielte er Reichenbach eine eigene Komposition vor – und der war fasziniert und interpretiert seither viele Stücke von Wolters. Die Konzertbesucher kamen in den Genuß von „Samba de lobo“, eine „federnde“ Komposition, die Wolters Reichenbach „in die Finger geschrieben“ hat – „so schwer wie möglich“.
Reichenbach erklärte auch, was den Samba ausmacht: Zweiertakt, langsamer Bass zum Schreiten in Vierteln, eine Begleitung in Sechzehnteln und eine Melodie, die oft „nicht auf Schlag“ kommt. Mit „Sambadalu“ von Marco Pereira mutete Reichenbach dem Publikum noch eine Steigerung zu: Hier gab es fast keine Note mehr “auf der Zeit“. Schließlich streifte er sogar seinen Ehering ab, denn beim „Jongo“ von Paulo Bellinati wurde der Klangkörper auch noch als Trommel benutz.
Nach der Pause entschuldigte sich der Gitarrenprofessor für diesen wilden Ausflug ins Percussive und versöhnte einige irritierte Gemüter mit der „singenden Gitarre“ in zwei Stücken von Heitor Villa-Lobos. Natürlich durfte auch der Tango von Astor Piazzolla im Programm nicht fehlen, obwohl er in dem Stück „Campero“ nur noch in wenigen Elementen stilisiert vorkam. Zum Schluß des Konzerts brach noch einmal das Bedürfnis durch, dem Publikum die große Bandbreite der Klangtechniken einer Gitarre zu vermitteln – das Stück von Gran Jota „Aragonesa“ war wirklich spannend und überraschend. Sabine Bornemann
© Marler Zeitung, 17. August 2011
Gitarren-Träume im Schloss
Sythener Festival begeistert
Schon der Name sagt alles über den Klang. Mit dem Weißgerber Gitarrenduo kehrten die Sythener Gitarrentage an ihren Anfang zurück.
Susanne Hilker und Katrin Simon waren die ersten Musikerinnen, die vor fünf Jahren beim Festival im Sythener Schloss auftraten. Benannt haben sie sich nach dem Firmennamen des berühmten Gitarrenbauers Richard Jacob, dessen Instrumente auch heute noch für ihren warmen singenden Ton berühmt sind. Eine innere Harmonie und Ruhe, die auch das Spiel des Duos prägte.
Bei ihnen hört man nicht die Gegenüberstellung von zwei verschiedenen Persönlichkeiten, sondern den gemeinsamen Aufbau des Gesamtklangs. Wie von einer Person. Die prägnante Basslinie fiel dabei besonders auf. Oft kurz und trocken, ohne Vibrato. Das Duo sucht auch sonst keine spektakulären Effekte, akzentuiert Dissonanzen sehr zurückhaltend und verwendet Vibrato angenehm sparsam. Selbst Bartóks „Rumänische Volkstänze“ wurden zu einer reizvoll verspielten Angelegenheit. Aber trotzdem bleibt das manchmal etwas harmlos und oberflächlich.
In solchen Momenten retteten die Instrumente ihre Musikerinnen. Denn natürlich spielen beide Gitarren von Weißgerber. Ihre Instrumente stammen aus den 20er Jahren, Torres-Modelle, die sich am Vorbild des berühmten spanischen Gitarrenbauers orientieren. Passend dazu hinterließ das Duo den stärksten Eindruck mit spanischer Musik: Granados „Valses Poeticos“, Sors „Souvenir de Russie“ und von Albéniz die „Suite Espaňa“.
Mit einem Stück aus genau dieser Suite, dem „Capriccio Catalan“, hatte vorher Gerhard Reichenbach sein großartiges Konzert beendet. Als er die letzten zarten Töne in den Saal schickte, erreichte er eine verträumte Stimmung, die seinem Spiel gut bekam, und mit der er die Hörer endgültig verzauberte. Spannung hatte er schon vorher sehr schön aufgelöst, und je mehr Zeit er sich bei den Zäsuren ließ, umso näher kam er seinen Hörern.
Bereits im Studium war er für seine feinen, präzise absolut gestimmten Ohren bekannt. Auch an diesem Nachmittag bestaunte man, wie unterschiedlich er die einzelnen Stimmen färben kann. Die Oberstimme oft mit breitem Vibrato hervorgehoben, bevorzugt er stilistisch die romantische Gitarrenschule. Fingertechnisch geht er dabei nie den leichtesten Weg, sondern bemüht sich, Töne und gebrochene Akkorde lange zu halten, um dicht verschmelzende Linien zu erzeugen. Das wirkte bei Scarlatti genau so gut wie in der „Reverie“ von Giulio Regondi.
Dass Reichenbach noch eine ganz andere Seite hat, zeigte der ausgiebige Ausflug nach Südamerika: Piazzolla, Villa-Lobos und viele Sambas, darunter einer, den Buck Wolters ihm gewidmet hat. Bei allem Temperament zeigten auch hier die vielen unterschiedlichen Klangschichten, warum er als einer der technisch versiertesten Gitarristen gilt.
Klaus Lipinski
2010
Irina Kulikova
Das Abschlusskonzert am 29. August gestaltete die hoch talentierte Gitarristin Irina Kulikova. Sie verstand es, durch ihr äußerst sensibles Spiel, das Publikum in ein wahrhaft verzauberndes Musikerlebnis hineinzuziehen. Geradezu andächtig lauschten die Zuhörer den warmen, vollen Klängen. Durch das vielseitige Programm präsentierte die junge Künstlerin in einer hinreißenden Weise ihr Instrument in seiner ganzen Vielfalt.
© Recklinghäuser Zeitung, 31.08.2010
Klänge, die es auf Rezept geben sollte
Zwei großartige Konzerte zum Abschluss der Sythener Gitarrentage
Es gibt Musik, die sollte es auch auf Rezept geben. Klänge, in denen stets ein inneres Lächeln zu stecken scheint, und die ihre Heiterkeit unwiderstehlich auf die Hörer übertragen. Wer in Deutschland über die Mandoline spricht, denkt automatisch an Caterina Lichtenberg. Die einzige Mandolinen-Professorin Europas begeisterte bei den Sythener Gitarrentagen im Duo mit dem in den USA nicht weniger renommierten Mike Marshall.
Zwei Welten begegnen sich: Während in Europa vor allem die klassische Tradition gepflegt wird, ist die Mandoline in den USA dank der Bluegrass-Musik ein enorm populäres modernes Instrument. Im Duo sorgte das für spannende Kontraste. Bach traf auf eigene Kompositionen der beiden Musiker, auf bulgarische Folklore oder auf die lebendigen Rhythmen von Jacob do Bandolim aus Brasilien und Jose Antonio Zambrano aus Venezuela.
Mike Marshall ist der improvisierende Musiker in diesem großartigen Duo. Immer wieder suchte er den emotional direkten Dialog mit seiner Partnerin. Manchmal mit einem Augenzwinkern, manchmal am Mandocello mit von ihm genau so effekt- wie geschmackvoll geschriebenen, sehr dynamischen Kontrapunkten zu Bachs Partiten für Solo-Violine. Lichtenberg sorgte für genau so expressive Oberstimmen, gab Bachs Linien mit präzise gesetzten Betonungen ihre Mehrschichtigkeit, oder ließ einen Solosatz von Carl Friedrich Abel mit barocker Rhetorik atmen.
Wer den höchstdotierten deutschen Gitarrenwettbewerb gewonnen hat, dem eilen Ruhm und Erwartungen voraus. Irina Kulikova, die vor zwei Jahren in Iserlohn siegte, führte im Sythener Schloss am Abend einen ganz anderen, aber nicht weniger schönen Stil vor. Als die junge Russin den langsamen Satz der Sonatine von Moreno-Torreba in völliger Ruhe zur Auflösung brachte, hatte sie sich endgültig freigespielt und den Raum verzaubert. Für ihr ungewöhnlich klangschönes Instrument hätte der Australier Simon Marty einen Extra-Beifall verdient. Der Ton steht sehr lange und eignet sich ideal für Kulikovas sanftes Legato-Spiel. In ihrer Version einer Cello-Suite von Bach verbinden sich gebrochene Akkorde stets zu einem gesamten Klang. Dabei baute sie ihre Balance immer auf einem sehr deutlichen Bass auf, schuf damit sowohl eine eigene Stimme wie eine geordnete Struktur der Linien. Hebt sie eine Oberstimme mit stärkerem Vibrato hervor, zeigt sich, dass sie die alte romantische Gitarrenschule sehr schätzt. Es passte sehr zu ihrer gesanglichen Phrasierung. Man wird noch viel von ihr hören.
Klaus Lipinski
© Ruhr Nachrichten, 31. August 2010
Geheimnisse zwischen den Tönen
Die russische Gitarristin Irina Kulikova ist eine außergewöhnlich begabte Musikerin. Sie brachte die Gitarre zum Klingen, verzauberte die Ohren ihrer Zuhörer. „Ich bin etwas nervös“, gestand Kulikova vor ihrem Auftritt am Sonntagnachmittag im Schloß. Ihre Ausbildung beendete sie am Salzburger „Mozarteum“ mit Auszeichnung und gewann mehrere erste Preise bei wichtigen Wettbewerben. „Kulikova versteht es, die Konzertbesucher in ein tiefes und verzauberndes Musikerlebnis hineinzuziehen und begeistert so nicht nur Menschen, die mit Gitarrenmusik bisher weniger vertraut sind, sondern auch Gitarristen-Kollegen“, urteilte ein Gitarrist im Publikum. Die junge Musikerin wurde in Chelyabinsk im Süden des Urals geboren. Gefördert und begleitet von ihrer Mutter, der Cellistin Vinera Kulikova, dem Komponisten, Gitarristen und Musikwissenschaftler Victor Koslov und Alexander Volgusnov entwickelte sie ihre Musikalität bereits in jungen Jahren. Als Zwölfjährige reiste sie durch ganz Rußland und ins Ausland zu Konzerten und Festivals. So auch zu den Sythener Gitarrentagen. Mit Applaus lief sie in den Saal, setzte sich auf ihren Stuhl und begann zu spielen. Kein Wort sagte sie dabei. „Die Töne sagen doch mehr als Tausende Worte“, flüsterte ein Zuschauer. Er hatte recht.
Eindrucksvoll glitten ihre Finger über den Gitarrenhals. Mit der „Cellosuite no. 1“, von Johann Sebastian Bach eröffnete sie ihr Konzert. Weitere Klassik-Stücke spielte sie auf ihrer Gitarre. „Stille ist normalerweise unheimlich, doch sie macht die Stille zu etwas Wunderbarem“, sagte ein Besucher. fwi
Caterina Lichtenberg und Mike Marshall
Mit Caterina Lichtenberg und Mike Marshall stießen zwei musikalische Welten aufeinander. Lichtenberg steht für die klassische, Marshall für die moderne amerikanische Mandoline. Es war das erklärte Ziel dieser beiden Vollblutmusiker, diese beiden Welten zusammen zu führen. Und es gelang ihnen überzeugend und mit Bravour. In einem ebenso hörbaren wie auch sichtbaren Dialog zogen sie ihre Zuhörer in ihren Bann und machten so das Konzert zu einem spannenden Musikereignis. Die nahezu unglaubliche Fingerfertigkeit und rasante Dynamik, die exakte Rhythmik und wunderschöne Melodik ihres Spiels begeisterten das Publikum.
© Recklinghäuser Zeitung, 31.08.2010
Klänge, die es auf Rezept geben sollte
Zwei großartige Konzerte zum Abschluss der Sythener Gitarrentage
Es gibt Musik, die sollte es auch auf Rezept geben. Klänge, in denen stets ein inneres Lächeln zu stecken scheint, und die ihre Heiterkeit unwiderstehlich auf die Hörer übertragen. Wer in Deutschland über die Mandoline spricht, denkt automatisch an Caterina Lichtenberg. Die einzige Mandolinen-Professorin Europas begeisterte bei den Sythener Gitarrentagen im Duo mit dem in den USA nicht weniger renommierten Mike Marshall.
Zwei Welten begegnen sich: Während in Europa vor allem die klassische Tradition gepflegt wird, ist die Mandoline in den USA dank der Bluegrass-Musik ein enorm populäres modernes Instrument. Im Duo sorgte das für spannende Kontraste. Bach traf auf eigene Kompositionen der beiden Musiker, auf bulgarische Folklore oder auf die lebendigen Rhythmen von Jacob do Bandolim aus Brasilien und Jose Antonio Zambrano aus Venezuela.
Mike Marshall ist der improvisierende Musiker in diesem großartigen Duo. Immer wieder suchte er den emotional direkten Dialog mit seiner Partnerin. Manchmal mit einem Augenzwinkern, manchmal am Mandocello mit von ihm genau so effekt- wie geschmackvoll geschriebenen, sehr dynamischen Kontrapunkten zu Bachs Partiten für Solo-Violine. Lichtenberg sorgte für genau so expressive Oberstimmen, gab Bachs Linien mit präzise gesetzten Betonungen ihre Mehrschichtigkeit, oder ließ einen Solosatz von Carl Friedrich Abel mit barocker Rhetorik atmen.
Wer den höchstdotierten deutschen Gitarrenwettbewerb gewonnen hat, dem eilen Ruhm und Erwartungen voraus. Irina Kulikova, die vor zwei Jahren in Iserlohn siegte, führte im Sythener Schloss am Abend einen ganz anderen, aber nicht weniger schönen Stil vor. Als die junge Russin den langsamen Satz der Sonatine von Moreno-Torreba in völliger Ruhe zur Auflösung brachte, hatte sie sich endgültig freigespielt und den Raum verzaubert. Für ihr ungewöhnlich klangschönes Instrument hätte der Australier Simon Marty einen Extra-Beifall verdient. Der Ton steht sehr lange und eignet sich ideal für Kulikovas sanftes Legato-Spiel. In ihrer Version einer Cello-Suite von Bach verbinden sich gebrochene Akkorde stets zu einem gesamten Klang. Dabei baute sie ihre Balance immer auf einem sehr deutlichen Bass auf, schuf damit sowohl eine eigene Stimme wie eine geordnete Struktur der Linien. Hebt sie eine Oberstimme mit stärkerem Vibrato hervor, zeigt sich, dass sie die alte romantische Gitarrenschule sehr schätzt. Es passte sehr zu ihrer gesanglichen Phrasierung. Man wird noch viel von ihr hören.
Klaus Lipinski
© Stadtspiegel Haltern, 01. September 2010
Zwei Welten harmonieren
Sie stammten aus zwei verschiedenen Welten, betonten die Mandolinisten Caterina Lichtenberg und Mike Marshall mehrmals während ihres Konzertes im Rahmen der Gitarrentage. Doch haben sie so gut zueinander gefunden, dass sie mit ihrer Musik enorm begeisterten.
Und so hätte der von einer Pause unterbrochene, mit zwei Stunden ungewöhnlich lange Auftritt für den Geschmack des Publikums wohl noch länger weitergehen können. Von Anfang an war klar, dass sich hier zwei Musiker präsentierten, die mit viel Freude an der Sache und aneinander ihre Zuhörer an dieser Freude teilhaben lassen wollten. Da war auf der einen Seite die angesehene klassische Musikerin und Hochschulprofessorin Caterina Lichtenberg. Immer hoch konzentriert wirkend, der perfekten Übertragung der geschriebenen Musik verpflichtet, häufiger einen Blick auf die Notenblätter werfend.
Ihr Duettpartner Mike Marshall dagegen, in der amerikanischen Bluegrass- und Jazzszene groß geworden, bewegte sich während des Spielens wippend auf seinem Stuhl, schloss träumerisch die Augen, lächelte fast durchgängig, nahm flirtend Blickkontakt mit seiner Mitmusikerin auf.
Passte das zusammen? Und wie! Denn die zwei verschiedenen Spielweisen ergaben eine ganz eigene Anmutung der Musik. Die Auswahl der vorgetragene Stücke, die ohne vorher ausgedrucktes Programm relativ spontan stattgefunden hatte, spiegelte die Herkunft aus verschiedenen Musikwelten durch ihre enorme Bandbreite wieder. Brasilianische Kompositionen von Jacob do Bandolim gehörten dazu, ein Allegretto des italienischen Romantikers Raffaele Calace – „der Puccini der Mandoline“, wie Caterina Lichtenberg ihn nannte -, Eigenkompositionen und solche vom beiderseitigen Favoriten Johann Sebastian Bach.
Stille Momente, in denen Caterina Lichtenberg zur rhythmischen Begleitung Marshalls einzelne Töne langsam hintereinander zupfte, wechselten sich mit feurigen bulgarischen Tänzen und melancholischen Tremoli ab. Und es gab die Gelegenheit für jeweils ein Solo, das die verschiedenen Welten zeigte. Caterina Lichtenberg spielte eine Komposition von Carl Friedrich Abel auf einer Barockmandoline und benutzte dazu, wie im 18. Jahrhundert üblich, eine Vogelfeder. Mike Marshall hingegen zeigte mit einem Medley verschiedene Einflüsse, die ihn und die amerikanische populäre Musikrichtung Bluegrass beeinflusst haben: vom Blues der schwarzen Sklaven über die Folklore der irischen Einwanderer bis zum Jazz. Und als er dann beim Bluegrass angekommen war, sang er auch noch ein paar Zeilen eines Liedes. „I’m sitting on top of the world”, hieß es darin und das Hochgefühl, das darin beschrieben wird, vermittelte auch Marshall selbst. Er hatte offenbar, genau wie Caterina Lichtenberg, einen Riesenspaß an dem Konzert.
Passend dazu gab das Duo auch gleich zwei Zugaben, sichtlich angetan von dem großen Applaus, der ihm zuteil wurde. Der Weg in die an diesem Sonntag wettermäßig graue Realität fiel zwar nicht leicht, aber etwas von dem Strahlen, das die Musiker ins Schloss gezaubert hatten, nahm das Publikum gewiss mit nach Hause.
Die diesjährigen Sythener Gitarrentage, veranstaltet von der Kulturstiftung Masthoff mit Unterstützung der Volksbank, endeten mit dem Solokonzert der jungen russischen Künstlerin Irina Kulikova.
Hubert Lohrmann
Amadeus Guitar Duo und Duo Gruber & Maklar
Am Nachmittag machte Prof. Joaquín Clerch in seinem Konzert mit dem Titel Tangos y caprichos deutlich, dass er zu den großen Gitarristen unserer Zeit gehört. Als Schüler von Eliot Fisk steht er in der Tradition des legendären Andrés Segovia. Mit seinem technisch hervorragenden und sehr poetischen Spiel fesselte Clerch seine Zuhörer und beeindruckte mit einem außergewöhnlich warmen Gitarrenton und einer Fülle von Klangfarben. Als Duo faszinierten Clerch und die brillante junge Geigerin Nadja Kuprev, die den Part der Flöte aus der Originalfassung übernahm, mit Piazzollas „Histoire du Tango“.
© Stadtspiegel Haltern, 25. August 2010
Gala wird Anspruch gerecht
Als Galavorstellung wurde das Konzert des „Amadeus Guitar Duo“ und des „Duo Gruber & Maklar“ angekündigt, und diesem Anspruch wurde der Auftritt vollständig gerecht. Ob solo, im Duett oder als Quartett, die Gitarristen feierten ein großes Fest der Musik.
Ihr Programm gestalteten sie derart, dass unzählige Spielarten und Nuancen der Gitarrenmusik zu hören waren und das Publikum im ausverkauften Saal des Schlosses begeisterten.
Zu Beginn und zum Schluss traten dabei alle Teilnehmer gemeinsam als Quartett auf. Mit dem Stück „Oyun“ des zeitgenössischen Komponisten Carlo Domeniconi eröffneten sie die Gala recht temperamentvoll, und wieder einmal passten bei den Gitarrentagen der Kulturstiftung Masthoff die akustischen und optischen Eindrücke zusammen: während sich ein heftiges Regenschauer ergoss, prasselten auch die Töne aus den Gitarren nieder. Virtuosität und Tempo der Instrumentalisten beeindruckten das Publikum schon direkt zu Beginn des Konzerts.
Danach überließ das Duo (Christian) Gruber und (Peter) Maklar die Bühne dem „Amadeus Guitar Duo“ (Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff). Das erfreute zunächst mit der G-Dur Chaconne von Georg Friedrich Händel und deren zahlreichen, oft tänzerischen Themavariationen, um dann vor der Pause schwerere Kost darzubieten. Durch die Erläuterungen Thomas Kirchhoffs vorgewarnt, ließ sich das Publikum auf die „Sérénade pour deux guitars“ von André Jolivet ein, die ungewöhnliche Harmonien bietet. Besonderen Reiz erhielt dieses Musikstück durch das perfekte Timing von Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff. Gerade in den langsamen Passagen war deutlich hör- und sichtbar, wie gut sie aufeinander abgestimmt sind.
Kontraste auch nach der Pause: mit einer Eigenkomposition und ruhigen bis meditativen Klängen schaffte Dale Kavanagh einen vorsichtigen Einstieg ins Programm, das vom Duo Gruber und Maklar allerdings mit temperamentvollen spanischen Kompositionen fortgesetzt wurde. Unterschiedlichste Klangfarben, Techniken und Spielstile waren zu hören, und die Freude, mit der die zwei ihre Musik darboten, steckte die Zuhörer an. Dabei hatte das Duo auch noch eine Programmänderung in petto, die das spanische Flair mit Kompositionen von Albeniz und De Falla beibehielten.
Passend zum Gala-Anspruch beendeten die Musiker als Quartett und mit dem ersten Satz aus dem sechsten Brandenburgischen Konzert von Johann Sebastian Bach das Konzert. Nicht ganz natürlich, denn der laute Applaus veranlasste sie zu einer Zugabe. „Wer Komponist und Titel errät, bekommt eine CD geschenkt“, spornte Thomas Kirchhoff die Zuhörer zum Denksport an. Ein Stück erklang, das sehr leise begann und endete und offenbar schwierig einzuordnen war. Vermutungen gab es danach viele, doch keinen Treffer. Doch dann löste Kirchhoff auf: der Komponist war Alexander Borodin, die Musik aus „Eine Steppenskizze aus Mittelasien“. Wichtiger jedoch: damit setzten die Musiker einen passenden Schlusspunkt unter ihre Galavorstellung.
Die Sythener Gitarrentage enden am 29. August mit Auftritten von Caterina Lichtenberg und Mike Marshall (11:00) und Irina Kulikova (17:00).
Hubert Lohrmann
© Ruhr Nachrichten, 10. August 2010
Musikalischer Volltreffer
Während am Sonntag im Sythener Schloßgarten der Regen unaufhörlich zu Boden fiel, konnte man im Saal entspannt den Klängen virtuoser Gitarrenmusik lauschen.
Traditionell finden im August, gefördert durch die KulturStiftung Masthoff, an zwei Wochenenden die Sythener Gitarrentage statt. Nachdem im vergangenen bereits Größen wie Joaquin Clerch oder das Weißgerber Gitarrenduo dem Schloß die Ehre erwiesen, präsentierten sich in diesem Jahr die kanadische Gitarristin Dale Kavanagh mit einem Soloprogramm (wir berichteten) sowie das Amadeus Guitar Duo (auch Kavanagh) sowie „Gruber & Maklar“.
Musikalisch boten beide Duos, die solistische Einlagen boten und auch als Gitarrenquartett auftraten, ein breites musikalisches Spektrum. Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 6 (B-Dur BWV 1051) für Quartett fehlte ebenso wenig wie ein Ausflug in die Romantik mit Händels Chaconne in G-Dur (HWV 435). Aber auch den ein oder anderen Ausflug in moderne Komposition trauten die Musiker ihren Zuhörern zu und landeten damit Volltreffer.
Besonders Dale Kavanaghs „Three Pieces“ aus dem Jahre 1999 war ein Highlight moderner Komposition. Die Gitarristin brillierte mit interessanten technischen Kompositionen, kombinierte in ihren Stücken (Melissa, Contemplation, Fueco) Portamentos und perkussive Spielweisen mit zarten Vibrati stets virtuos. Dabei reichten sich jedoch Virtuosität und hohes musikalisches Einfühlungsvermögen stets die Hand.
Ein weiteres Highlight lieferten Christian Gruber und Peter Maklar mit Manuel de Fallas „Liebeszauber (El amor brujo)“. Geisteraustreibung und ritueller Feuertanz fanden hier ihre musikalische Interpretation und offenbarten neben der noch deutlichen Verwurzelung im Impressionismus auch einige aufregende Ausflüge in die Musik der Sinti und Roma. So bot sich mit einem zeitweisen Gitarrenquartett ein besonderes Hörerlebnis, das Lust und Freude auf die Konzerte am letzten Augustsonntag macht. das
Dale Kavanagh
Dale Kavanagh eröffnete am 8. August die diesjährigen Sythener Gitarrentage mit einem bravourösen Konzert. Erneut stellte sie unter Beweis, dass sie zu den weltbesten Gitarristen gehört. Sie profilierte sich als Preisträgerin bedeutender internationaler Wettbewerbe. Ihre CDs werden von der Kritik mit überschwenglichem Lob bedacht. Seit 2003 ist sie Professorin an der Musikhochschule Detmold. In ihren Solo-Konzerten tritt sie besonders als Interpretin zeitgenössischer Musik hervor; sie spielt neben aufsehenerregenden Original-und Transkriptionswerken auch eigene Kompositionen. Auch in ihrem Konzert in Sythen zeigte Kavanagh mit einem anspruchsvollen Programm höchste Virtuosität, technische Perfektion und klangliche Brillanz.
© Recklinghäuser Zeitung, 11.08.2010
Große Künstler im Kleinen Saal
Ein Blick auf die Sythener Gitarrentage
Wenn Musiker in einen zeitlosen Zustand geraten, entstehen oft ganz besondere Momente. Dale Kavanagh verwechselte zwar vorübergehend Morgen und Nachmittag, eröffnete aber vielleicht gerade deswegen die Sythener Gitarrentage mit einem begeisternden Solokonzert.
Zeitlos im Jetzt. Wie von selbst nahm sich die Musik ihre Zeit, wenn die kanadische Gitarristin wunderschön Bögen ausklingen ließ, den Vorhalten mit großer Ruhe Spannung und entspannende Auflösung gab, und die Linien damit sehr gesanglich zeichnete. Für moderne Musik ist sie weltweit bekannt. Was immer sie auswählt oder selbst komponiert, zeigt einen leicht verständlichen Bezug zu Klangsinn und Farben, zu Charakteren und Emotionen. Eine Poetin, deren Zauberhände mühelos leicht Gefühle auf die Hörer übertragen. Deswegen gehen die schließlich ins Konzert.
Staunen durfte man über ihre eigenen Kompositionen: Tales of Greiffenberg, Contemplation, Melissa und einige Preludes entpuppten sich als zauberhaftes Spiel mit Harmonien, in denen ein inneres Lächeln zu stecken scheint. Leicht melancholische Stücke wechselten mit quicklebendigem Bewegungsdrang, der bei aller Virtuosität nie aufdringlich wirkt. Stattdessen unterscheidet sie dort mehrere Klangschichten, verfolgt sie konsequent und konzentriert, bettet Akkorde behutsam zwischen Flageolett-Klänge. Diese durch moderne Musik wie den zehn Etüden von Leo Brouwer und der für Kavanagh geschriebenen "Toccata in Blue" von Carlo Domeniconi gewonnene Klangsensibilität, nutzte sie auch in Bachs Lautensuite BWV 995.
Weltklasse-Gitarristen im kleinen Saal des Sythener Schlosses, das ist nicht selbstverständlich. Ein großes Lob an die Masthoff-Stiftung, die Musiker und Hörer so eng zusammenbringt. Der Abend bot dort die Begegnung zweier Duos. Das Amadeus-Duo mit Kavanagh und Thomas Kirchhoff traf auf das Duo Gruber & Maklar. Interessant war der klangliche Unterschied der einzelnen Gitarristen. Peter Maklar etwa versah seine Melodielinien mit starkem Vibrato, während Kavanagh und Kirchhoff eher den Zupfpunkt variierten. Viele Gitarren klingen beeindruckend "vielsa(e)itig", egal ob die Musik dafür konzipiert wurde wie Domeniconis "Oyun" oder sie arrangiert wurde, wie der erste Satz von Bachs 6. Brandenburgischem Konzert oder die prägnanten Stimmungen in Albeniz Porträits von Cordoba, Aragon und Cataluna.
Weiter geht es im Sythener Schloss am 29.8. Dann gastieren dort in zwei Konzerten die Mandolinistin Caterina Lichtenberg und die Gitarristin Irina Kulikova.
Klaus Lipinski
© Ruhr Nachrichten, 09. August 2010
Dale Kavanagh begeisterte auf sechs Saiten
Zum Auftakt der beliebten Sythener Gitarrentage gastierte dieses Mal die kanadische Gitarristin Dale Kavanagh für ein vielseitiges Soloprogramm.
Die aus Halifax stammende Kanadierin, die auch eine Professorenstelle für Gitarre an der Hochschule für Musik in Detmold inne hat, begeisterte mit ihrer Fingerfertigkeit und einem ausgewogenen Spiel zwischen technischer Brillanz und großer Spielfreude.
Unter dem Motto „Through the Centuries“ interpretierte Kavanagh Gitarrenmusik aus drei Jahrhunderten.
Als modernes Urgestein zeitgemäßer Gitarrenliteratur durfte dabei der kubanische Komponist Léo Brouwer nicht fehlen. Kavanagh eröffnete mit seinen „Zehn Etüden“ das Konzert und erwies diesen dabei mit virtuoser Interpretationsfähigkeit und technischer Brillanz große Ehre.
Im Anschluß wagte die Gitarristin sich an einen weiteren der ganz großen Komponisten. Johann Sebastian Bachs „Suite für Laute (BWV 995)“ spielte sie mit großer Musikalität und begeisterte das Publikum dermaßen, daß ein Großteil gar das Bedürfnis nicht verbergen konnte, auch zwischen den einzelnen Sätzen zu applaudieren.
Weitere Höhepunkte des Konzertes waren gewiß sowohl die Eigenkompositionen Kavanaghs als auch Joaquin Rodrigos „Invocacion et Danse“. So stellte sich trotz des Regens doch ein gelungener Nachmittag ein, der Vorfreude auf das Konzert am Abend machte und das schlechte Wetter für eine ganze Zeit vergessen ließ. dsc
2009
Duo Ahlert und Schwab
Im Abschlusskonzert entführten Daniel Ahlert (Mandoline) und Birgit Schwab (Gitarre) musikalisch in die Welt der Götter und Gnome, den Titeln der einzelnen Stücke entsprechend. Das Duo hat den Ruf, Gitarre und Mandoline in ihrer ungemein reizvollen Kombination im internationalen Konzertleben bekannt gemacht zu haben. Viele Komponisten haben ihnen Werke gewidmet. So konnten sie im Schloss Sythen sogar eine Komposition zur Uraufführung bringen: „Indigo Trails“ von Jeffrey Harrington. Das hervorragende Zusammenspiel beider Künstler war von einer mitreißenden Intensität. Als Solist brachte Ahlert sein Publikum zum Staunen über die nuancierte klangliche Palette seines kleinen Instrumentes.
© Ruhr Nachrichten, 25. August 2009
Klingende Mythologie
Musik der Romantik traf in Sythen auf moderne Kompositionsstile
Musik von Göttern und Gnomen, das klingt zuallererst nach einem eher seltsamen Sujet, gab es am vergangenen Sonntagabend im Sythener Schloss zu hören.
Hier bot das Duo Ahlert & Schwab an Mandoline und Gitarre ein sorgfältig ausgewähltes Programm einzelner Kompositionen, deren roten Faden der Kontext mythologischer Figuren bildete.
Während im Auftakt des Konzertes unterschiedliche Stücke der Romantik aufgegriffen wurden, bildete der zweite Teil einen musikhistorischen Kontrast, indem hier ausschließlich moderne Kompositionen zu Gehör gebracht wurden.
Den Reiz des Konzertes bildete indes nicht nur die Kombination aus Mandoline und Gitarre, sondern auch die Verarbeitung mythologischer Themen in musikalischer Romantik und Gegenwartsliteratur.
Während die Sythener Gitarrentage im abendlichen Sonnenschein ein angemessenes Ende fanden verzückten die beiden Instrumentalisten mit einer Kombination aus sphärischen Mandolinenklängen und Gitarre das Publikum mit Ernest Shands Danse Bacchique oder Raffaele Calaces „Ballet de Fée“ (op. 27) und dem Danza die Nani (Tanz der Zwerge, op. 43). Selbstverständlich durfte auch ein Mandolinen-Solostück nicht fehlen, um die eigenständige Klangqualität dieses Instrumentes zu illustrieren.
Besonderes Interesse weckten sicher auch im zweiten Teil Claude Engels Variationen eines populären Volksliedes. Diese basierten auf einem Lied, welches Engels Mutter ihm in Kindheitstagen als Schlaflied vorsang, und welches er nun in einer eigenen Komposition aufarbeitete. Wunderbar gesetzte Dissonanzen machten dieses Stück für Sologitarre zu einem besonderen Hörerlebnis, dessen Melodieläufe sicher auch nach dem Konzert als Ohrwurm weiterlebten.
Der moderne US-amerikanische Komponist Tyler Kaiser stellte Schicksalgöttinen aus nordischer und griechischer Mythologie gegenüber während Morgan Roberts ein Thema für J.R.R. Tolkiens „Der Hobbit“ schrieb, welches das besonders aus der Herr der Ringe-Trilogie bekannte Wesen Gollum behandelte.
Als Abschluss spielte das Duo als Uraufführung (!) die Komposition „Indigo Trails“ des in Florida auf einer Insel zurückgezogen lebenden Musikers Jeffrey Harrington sowie einige Stücke des Bulgaren Ivan Shekov.
Auch um eine Zugabe ließ man sich nicht lange bitten und so kam noch ein Stück des wohl bekannteren Astor Piazolla zu Gehör.
Daniel Schlichter
Roman Viazovskiy
Mit Roman Viazovskiy trat am Vormittag des 23. August ein Gitarrist der jungen Generation auf. Zahlreiche Auszeichnungen bei renommierten Gitarrenwettbewerben, wie dem „Tokyo International Guitar Contest“, weisen ihn als Spitzenmusiker aus. Er überzeugte sein Publikum und die Kritik mit „seinem Spiel zwischen unglaublicher technischer Brillanz und großer musikalischer Sensibilität“. Mit seiner sympathischen Bühnenpräsenz verstand es Viazovskiy, die Zuhörer in den Bann seiner virtuosen Musik zu ziehen.
© Stadtspiegel Haltern, 2. September 2009
Roman Viazovskiy zeigt sich bei den Gitarrentagen von seiner besten Seite
Ein ganz besonderes Konzert im Rahmen der Gitarrentage gab Roman Viazovskiy am Sonntagmorgen im Schloss. Nicht nur für die Zuhörer war es außergewöhnlich, sondern auch für den Künstler selbst.
„Dieses Programm spiele ich heute zum letzten Mal“, erklärte der 35jährige nämlich gleich zu Beginn. „Und zum ersten Mal spiele ich ein Konzert auf meiner neuen Gitarre. Ich bin neugierig auf ihre Reaktionen.“ Und weil es so ungewöhnlich und anders war, änderte er auch das ursprüngliche Programm an zwei Stellen. Außerdem trat er sehr häufig in Kontakt mit dem Publikum: „Sonst rede ich eigentlich nie in den Konzerten“, erklärte er dazu lachend. Dabei schadete ihm diese Gesprächigkeit keineswegs, sondern vermittelte kleine Eindrücke von dem sympathischen Menschen, der hinter diesem großartigen Künstler steckt. Einem Künstler, der ganz in der Musik aufgeht und eine riesige Bandbreite an Stimmungen und Emotionen hervorruft. Manchmal wechselte der Ausdruck dabei innerhalb von Sekunden.
Zunächst jedoch überwogen die leichten, fröhlichen Stimmungen. Viazovskiy begann mit einer Komposition von Napoléon Coste über ein Rossini-Thema, fast volksliedhaft wirkte das mitunter. Die Variationen von Manuel Maria Ponce, die er neu ins Programm genommen hatte, wirkten dagegen eher melancholisch. Auch die Unbeschwertheit fehlte da auf einmal. Die trat dafür in dem letzten Stück vor der Pause, der Sonata Giocosa von Joaqín Rodrigo, wieder in den Vordergrund.
Wie intensiv Roman Viazovskiy die Musik selbst erlebt, zeigte er auch mit seinen Erläuterungen zur Sonata-Fantasie seines Freundes Konstantin Vassiliev. Die hatte dieser auf Viazovskiys Vorschlag hin zu Texten aus Shakespeares „Romeo und Julia“ komponiert. Den ersten Entwurf für den vierten Satz hatte Viazovskiy jedoch nicht spielen wollen: „Ich wollte beim Konzert nicht in hunderte weinende Gesichter schauen.“ Als so traurig hatte er diese Version empfunden.
Nun, die Gefahr bestand im Sythener Schloss nicht, schließlich trug Viazovskiy dann ja eine Komposition vor, die auch noch positive Gefühle transportierte. Das Publikum reagierte mit Begeisterung.
Faszinierend an Roman Viazovskiy ist nicht nur die Fähigkeit, mit seinem Instrument in so unterschiedlichen Farben zu malen, sondern auch die Präzision und die Konzentration, mit der er es bespielt. Ohne unnötige Schnörkel, aber mit einem sehr intensiven Gespür für die kleinsten Nuancen in Tempo und Dynamik. Dass er zu den besten Gitarristen auf der Welt zählt, verwundert da nicht.
Wie war er selbst denn mit dem ersten Konzert auf der neuen Gitarre von Karl-Heinz Römmich zufrieden? Ganz gut, antwortete Viazovskiy da bescheiden, und, vielleicht noch wichtiger, es sei ein „schönes Gefühl“ gewesen, auf diesem Instrument zu spielen.
Die Sythener Gitarrentage endeten mit dem Auftritt des Duos Ahlert & Schwab und der reizvollen Kombination Gitarre und Mandoline. Das Warten auf die Gitarrentage 2010 hat jetzt begonnen.
Hubert Lohrmann
© Ruhr Nachrichten, 24. August 2009
Unglaublich brillant und sensibel
Gitarrist Roman Viazovskiy begeisterte auf Schloss Sythen mit seiner Virtuosität
Sonntag war es wieder Zeit für die Gitarrentage im Schloss und wer an diesem sonnigen Morgen eine Karte für das Konzert Roman Viazovskiys hatte, hatte damit definitiv die richtige Entscheidung getroffen.
So beeindruckte der aus der Ukraine stammende Gitarrenvirtuose mit seinem Spiel zwischen unglaublicher technischer Brillanz und großer musikalischer Sensibilität für die vorgetragenen Kompositionen. Während technische Perfektion oftmals das spielerische Gefühl und die Leichtigkeit außen vorlassen, so verbanden sich hier diese mit Viazovskiys empathischem Spiel zu einer ganz besonderen Konzerterfahrung.
Besonderes Gewicht lag dabei auf Konstantin Vassilievs Sonata-Fantasie „Rauch der Liebe“ nach William Shakespeares „Romeo und Julia“. Vassiliev fertigte diese Komposition eigens für Viazoskiy an, nachdem dieser Baz Luhrmanns Neuinterpretation des Stoffes mit Leonardo di Caprio gesehen hatte und so bewegt davon war, dass er selbst eine eigene Interpretation in Zusammenarbeit mit Vassiliev wagen wollte.Die Sonaten des noch jungen aus dem sibirischen Novoaltaisk stammenden Künstlers sind schwer von tiefem Gefühl, aber bebildern auch harmonisch die romantische Seite des Dramas um Romeo und Julia.
Das viersatzige Stück Programmmusik wird dabei jeweils mit einem Zitat aus dem Drama eingeleitet und verleiht der Komposition so seine Struktur.Besonderes Augenmerk war sicher auf die zur Anwendung gekommene Tambourtechnik gerichtet. Die dem „Slappen“ verwandte Spielweise für die klassische Konzertgitarre setzte perfekt die wütenden Gefühle im dritten Satz in musikalische Noten um. Der Satz bot so nicht nur eine emotionale, sondern auch eine technisch Kulmination des Dramas um Romeo und Julia und zeigte somit auch die perkussiven Ausdrucksmöglichkeiten der Gitarre auf.
Im großen und ganzen wurde von Viazovskiy eher modernere Kompositionen als die üblichen Standards bedient, was das Konzert gewiss zu einem besonderen Höhepunkt der sommerlichen Konzertreihe, nicht nur in Sythen, machte.
Daniel Schlichter
Joaquín Clerch
Am Nachmittag machte Prof. Joaquín Clerch in seinem Konzert mit dem Titel Tangos y caprichos deutlich, dass er zu den großen Gitarristen unserer Zeit gehört. Als Schüler von Eliot Fisk steht er in der Tradition des legendären Andrés Segovia. Mit seinem technisch hervorragenden und sehr poetischen Spiel fesselte Clerch seine Zuhörer und beeindruckte mit einem außergewöhnlich warmen Gitarrenton und einer Fülle von Klangfarben. Als Duo faszinierten Clerch und die brillante junge Geigerin Nadja Kuprev, die den Part der Flöte aus der Originalfassung übernahm, mit Piazzollas „Histoire du Tango“.
© Ruhr Nachrichten, 4. August 2009
Als Piazzolla den Tango neu erfand
Weltklassegitarrist Joaquín Clerch überzeugte bei den Gitarrentagen in Schloss Sythen
Unter dem Motto „Tangos y caprichos“ ging es am Sonntagabend mit Professor Joaquín Clerch auf in anspruchsvolle Gefilde der Gitarrenmusik. Angefangen mit einer Chaconne in d-Moll Johann Sebastian Bachs übernahm bald der Komponist und Tangospezialist Astor Piazzolla das kompositorische Steuer. Auch wenn Clerch teilweise den Eindruck erweckte, er spiele mehr für sich als für sein Publikum, so konnte der für einen Klassik-Echo nominierte Virtuose doch sicher viele mit seinen Piazzolla-Interpretationen begeistern.
Piazzolla, der den Tango der Tanzmusik entfremdete und ihm mit Einflüssen aus Jazzharmonik angelehnt an Bela Bartók und Igor Stravinsky neue Dimensionen verlieh, bekam so an diesem Abend ein kleines Tribut.
Viele hatten sich, um den in der Gitarrenwelt nicht unbekannten Clerch sehen zu können, bereits im Voraus eine Karte besorgt. Doch einige kamen auch in der Hoffnung den Gitarristen doch noch sehen zu können, ohne eine Karte. Gelohnt hat sich dieser Aufwand für die meisten sicherlich: So begeisterte Clerch mit seinen technischen Fertigkeiten sichtlich und scheute auch nicht davor, kurzerhand das Programm etwas umzustellen und zwei Capriccios (5 und 24) des Teufelsgeigers Paganini auf der Gitarre zu spielen. Trotz dieser Ausflüge in die Welt des Barock oder in die virtuosen Gitarrenfantasien Paganinis gab jedoch eindeutig Astor Piazzolla das dominierende Thema des Abends an.
Besonders gefesselt wurden die meisten geneigten Zuhörern dabei gewiss von den von Nadja Kuprev an der Geige begleiteten Stücke. So spielten sie gemeinsam die äußerst beliebten Stücke „Histoire du Tango“, „Bordel 1900“, „Café 1930“ und „Nightclub 1960“. Sicher wäre es auch einmal interessant gewesen, eine reine Gitarrenversion der Stücke zu hören, da diese im Rahmen kleinerer Kammerkonzerte sehr oft aufgeführt werden. Doch das Violinenspiel der schüchternen Nadja Kuprev, die nächstes Jahr ihr Geigendiplom absolviert, begeisterte im Kontext von Joaquín Clerch und sicher jeder im Publikum fragte sich, warum die Violinistin überhaupt so zurückhaltend war. Für die nächsten Gitarrentage in drei Wochen sind noch einige wenige Karten erhältlich.
Daniel Schlichter
Amadeus Guitar Duo
Das Amadeus Guitar Duo eröffnete am 2. August die Konzertreihe. Seit 1991 bilden die beiden Professoren Thomas Kirchhoff und Dale Kavanagh dieses Duo, dessen Auftritte auf der ganzen Welt bejubelt werden, und das fester Bestandteil der Gitarrenwelt ist. Mit ihrem Programm Kontraste nahmen die beiden Musiker ihr Publikum mit auf eine Reise durch die Musikepochen und begeisterten mit ihrer atemberaubenden Virtuosität und sensiblen Gestaltungskraft.
© Ruhr Nachrichten, 3. August 2009
Klassik trifft auf Cha-Cha-Cha
Amadeus Guitar Duo unterhielt mit einer Mixtur aus südamerikanischen Klängen und europäischer Klassik
Wer eine Vorliebe für klassische Gitarrenkompositionen hat, südamerikanischen Klängen aber dabei auch nicht verschlossen gegenübersteht, der war am späten Sonntagmorgen auf Schloss Sythen genau richtig. Zwar kamen die Musiker des Amadeus Guitar Duos ganz nach dem Motto "besser spät als nie" an diesem trübem Sonntagmorgen eine gute Stunde zu spät, doch zeigten sie dann mit ihrer Versiertheit auf den Griffbrettern dem geduldigen Publikum, daß das Warten nicht vergebens war. Dabei bewiesen sie große technische Vielfältigkeit und sorgten auch für manch staunenden Blick, als sie zum Beispiel Miniventilatoren an den Saiten verwendeten, um sphärische Gitarrenklänge zu erzeugen.
So eröffneten Dale Kavanagh aus Kanada und Thomas Kirchhoff von der Musikhochschule in Detmold die Sythener Gitarrentage mit einer Komposition des britischen Hofkomponisten Thomas Ford (1580 - 1648). Definitiver Höhepunkt des ersten Teiles war mit Gewissheit für die meisten Zuschauer die Chaconne in G-Dur (HV 435) aus der Suite für Cembalo. Während Händels Werk seit nun mehr 250 Jahren zum Standardrepertoire gehört, war es sicherlich kein Zufall, das im Händel-Jahr 2009 gerade ein Stück, welches in seiner Kompositionsweise auf südamerikanischen Wurzeln begründet ist, gewählt wurde.
So beschäftigte sich doch die Konzertmatinee mit dem Kontrast zwischen klassischer Musik und südamerikanischen Klängen. Das Gitarrenduo bewies hierbei eindrucksvoll, dass unterschiedliche Epochen und Kompositionsstile verschiedener Kulturen durchaus homogen kombinierbar sind. Ein besonders reizvoller Aspekt war sicher, dass ein Großteil des Repertoires eher unbekannten Komponisten entstammte und so auch mal einige seltenere Perlen zum Vorschein kommen konnten.
Daniel Schlichter
© Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 04. August 2009
Zuhörer verzeihen Verspätung
Ein klasse Konzert – wenn auch mit über einer Stunde Verzögerung. So läßt sich das erste von zwei Gitarren-Konzerten am Sonntag im Sythener Schloß zusammenfassen. Das Amadeus Guitar Duo traf erst mit deutlicher Verspätung ein, begeistere aber die Zuhörer, die größtenteils gewartet hatten. Das Hemd hat er sich noch schnell auf dem Parkplatz übergestreift, schon sitzt Thomas Kirchhoff mit seiner Gitarre auf der Bühne und begrüßt das Publikum. Gemeinsam mit der Kanadierin Dale Kavanagh wird er knapp eineinhalb Stunden Musik vom Feinsten bieten.
„Kontraste“ haben sie ihr Programm genannt, spielen Musik aus Europa und Südamerika. Mal ruhige, mal schnelle und beinahe aggressive Stücke und Parts. Kirchhoff und Kavanagh beweisen, warum sie zu den besten Gitarren-Duos der Welt zählen. Mit voller Hingabe widmen sie sich den Stücken aus drei Jahrhunderten. Zwei von ihnen wurden dem Amadeus Guitar Duo persönlich gewidmet.
Die Musiker eröffnen die Sythener Gitarrentage mit einer Komposition des britischen Hofkomponisten Thomas Ford (1580-1648). Absoluter Höhepunkt des ersten Teiles war für die meisten Zuhörer die Chaconne in G-Dur (HV 435) aus der Suite für Cembalo. Während Händels Werk seit 250 Jahren zum Standardrepertoire gehört, war es kein Zufall, daß im Händel-Jahr 2009 gerade ein Stück, welches in seiner Kompositionsweise auf südamerikanischen Wurzeln begründet ist, gewählt wurde. Einige Zuhörer schließen die Augen, andere verfolgen fasziniert die Hände der Künstler. Ihre Finger scheinen bei den schnellen Stücken geradezu über die Saiten zu fliegen.
Nur die einleitenden Worte der beiden Musik-Professoren und des Veranstalters Dr. Horstfried Masthoff fallen kurz aus, immerhin haben die Zuschauer schon so lange gewartet. Für Masthoff war es der „absolute Gau“, als er 20 Minuten nach dem eigentlichen Konzertbeginn erklären mußte: Die Künstler treffen frühestens um 12 Uhr ein. Über 1000 Konzerte hat das Duo gespielt, „und das ist noch nie vorgekommen“, entschuldigte sich Kirchhoff beim Publikum. Immerhin: Nur eine Handvoll Menschen nahm das den Musikern übel. Julia Philipp
2008
Niehusmann Gitarrenduo
Den glanzvollen Abschluß gestaltete das Niehusmann Gitarren Duo. Hier konnte die genießerische Stille nur der tosende Applaus unterbrechen, wie es in einer Kritik heißt. Das Duo entführte in den Süden und ließ nachvollziehen, warum Fernando Sor oder Ferdinando Carulli zur Zeit der Klassik das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinrissen – und es auch noch heute vermögen. Ein Höhepunkt dieses Abends waren die musikalischen Gemälde „Noa-Noa“, einer Eigenkomposition Volker Niehusmanns. Die Musiker schufen Klangbilder, die in eine exotische Welt entführten.
Foto: Harald Reusmann, Essen
© Ruhr Nachrichten, 2. September 2008
Gitarrentage gingen zu Ende
Zwei Konzerte bildeten den Abschluss der Sythener Gitarrentage
Den Auftakt machte am Sonntagmorgen Katrin Simon. Unter dem Titel „Von Bach bis Villa-Lobos“ bot Katrin Simon dem Auditorium einen Überblick über die breit gefächerte Gitarrenliteratur.
Hervorzuheben sind vor allem die Werke spanischer Komponisten, wie Francisco Tarregas „Capricho Arabe“und Federico Moreno-Torrobas „Sonatina“, die die Gitarristin hinreißend darbot. Nicht wegzudenken aus der klassischen Gitarrenliteratur sind die Etuden des Brasilianers Heitor Villa-Lobos, von denen das Publikum die Nummern 7 und 8 zu hören bekam. Ein samtiges Vibrato wechselte mir temperamentvollem Rasgueado.
Den Mittelpunkt des Konzertes bildete die Uraufführung des Werkes „Journée“ des 2007 verstorbenen Komponisten Gerhard Fleischmann, das er für Katrin Simon komponierte. Die Gitarristin widmete ihr Konzert auch barocker Klangkunst. Eine Fantasie des Lautenisten Silvius Leopold Weiss brachte sie gekonnt zu Gehör.
Ein weiteres Highlight des Konzertes setzte Katrin Simon mit der Interpretation der Chaconne aus der Partita d-moll Nr.II für Violine solo von J.S.Bach. Sie verstand es, einen Spannungsbogen aufzubauen, der die vielen Variationen innig miteinander verband. Das Werk atmete dadurch eine außerordentliche Ruhe und Intensität aus. Katrin Simon verzauberte das Publikum mit sensiblen und temperamentvollen Interpretationen und belohnte die Zuhörer mit zwei Zugaben.
Antje Otto
Nachmittags folgte das Niehusmann-Duo. Der Expressionist Paul Gaugin hinterließ neben seinem Werk lediglich zwei Leinenhemden und eine Gitarre. Da passt es doch ganz gut, dass die beiden klassisch ausgebildeten Gitarristen Judith und Volker Niehusmann dreien seiner Bilder eine Suite gewidmet haben. Gaugins Bilder Arearea, Ta Matete und Matamoe laden zum Träumen vom exotischen Polynesien vergangener Tage ein. Farbenfroh staunt man über naiv verklärte Landschaften und deren Bewohner. Und so verführt auch die Komposition Volker Niehusmanns, Suite Nr.3 „Noa-Noa“, die er am Sonntag gemeinsam mit seiner Ehefrau Judith im Konzertsaal des Schlosses Sythen vor Publikum vortrug, in andere Welten einzutauchen. Zarte Melodien und gekonntes Gitarrenduett begeisterten das Publikum.
Aber auch die Klassik-Sonaten des berühmten spanischen Komponisten Padre Antonio Soler sowie die „Fantasie espagnol op.54“ von Fernando Sor im ersten Teil des Konzertes sorgten, wenn nicht gerade applaudiert wurde, für genießerische Stille. Das Niehusmann-Gitarren-Duo präsentierte sich hier mit Spielfreude und überzeugender Kompetenz.
Im zweiten Teil des Konzertes sorgten neben der Gaugin gewidmeten hauseigenen Komposition besonders Fernando Carullis Serenade für zwei Gitarren und Maximo Diego Pujols Tangovariationen für andächtiges Zuhören. Während die Sonnenstrahlen des letzten Augusttages langsam verschwanden, erklangen die Noten des Argentiniers, die in ihrer Kompositionsweise das Werk des sicher bekannteren Piazolla mit seiner auf dem Tango basierenden Musik reflektierten.
Die nach diesem tollen Abschlusskonzert der Sythener Gitarrentage, mit denen die Kulturstiftung Masthoff auf eine erfolgreiche Saison zurückblicken kann, obligatorische Zugabe sorgte dann noch einmal für Belustigung und Staunen: Auf nur einer Gitarre spielte das Duo hintereinander sitzend ein vierstimmiges Stück mit unglaublicher Koordinationsfähigkeit. So sorgten die beiden Folkwang-Gitarristen unterstützt von der Hitze dieses spätsommerlichen Abends für viel südliches Flair und Begeisterung im Konzertsaal des Schlosses.
Daniel Schlichter
Katrin Simon
In dem nächsten Konzert bot Katrin Simon als Solistin in perfekter Stilsicherheit und herrlicher Virtuosität einen Überblick über die Gitarrenliteratur von Bach bis Villa-Lobos. Ein besonderes Erlebnis war die Uraufführung des ihr von dem Komponisten Gerhard Fleischmann gewidmeten Werkes „Journée“. Das Stück „Asturias“ von Isaac Albeniz – das Paradebeispiel spanischer Gitarrenmusik schlechthin – spielte sie ebenso temperamentvoll wie brillant.
© Ruhr Nachrichten, 2. September 2008
Gitarrentage gingen zu Ende
Zwei Konzerte bildeten den Abschluss der Sythener Gitarrentage
Den Auftakt machte am Sonntagmorgen Katrin Simon. Unter dem Titel „Von Bach bis Villa-Lobos“ bot Katrin Simon dem Auditorium einen Überblick über die breit gefächerte Gitarrenliteratur.
Hervorzuheben sind vor allem die Werke spanischer Komponisten, wie Francisco Tarregas „Capricho Arabe“und Federico Moreno-Torrobas „Sonatina“, die die Gitarristin hinreißend darbot. Nicht wegzudenken aus der klassischen Gitarrenliteratur sind die Etuden des Brasilianers Heitor Villa-Lobos, von denen das Publikum die Nummern 7 und 8 zu hören bekam. Ein samtiges Vibrato wechselte mir temperamentvollem Rasgueado.
Den Mittelpunkt des Konzertes bildete die Uraufführung des Werkes „Journée“ des 2007 verstorbenen Komponisten Gerhard Fleischmann, das er für Katrin Simon komponierte. Die Gitarristin widmete ihr Konzert auch barocker Klangkunst. Eine Fantasie des Lautenisten Silvius Leopold Weiss brachte sie gekonnt zu Gehör.
Ein weiteres Highlight des Konzertes setzte Katrin Simon mit der Interpretation der Chaconne aus der Partita d-moll Nr.II für Violine solo von J.S.Bach. Sie verstand es, einen Spannungsbogen aufzubauen, der die vielen Variationen innig miteinander verband. Das Werk atmete dadurch eine außerordentliche Ruhe und Intensität aus. Katrin Simon verzauberte das Publikum mit sensiblen und temperamentvollen Interpretationen und belohnte die Zuhörer mit zwei Zugaben.
Antje Otto
Nachmittags folgte das Niehusmann-Duo. Der Expressionist Paul Gaugin hinterließ neben seinem Werk lediglich zwei Leinenhemden und eine Gitarre. Da passt es doch ganz gut, dass die beiden klassisch ausgebildeten Gitarristen Judith und Volker Niehusmann dreien seiner Bilder eine Suite gewidmet haben. Gaugins Bilder Arearea, Ta Matete und Matamoe laden zum Träumen vom exotischen Polynesien vergangener Tage ein. Farbenfroh staunt man über naiv verklärte Landschaften und deren Bewohner. Und so verführt auch die Komposition Volker Niehusmanns, Suite Nr.3 „Noa-Noa“, die er am Sonntag gemeinsam mit seiner Ehefrau Judith im Konzertsaal des Schlosses Sythen vor Publikum vortrug, in andere Welten einzutauchen. Zarte Melodien und gekonntes Gitarrenduett begeisterten das Publikum.
Aber auch die Klassik-Sonaten des berühmten spanischen Komponisten Padre Antonio Soler sowie die „Fantasie espagnol op.54“ von Fernando Sor im ersten Teil des Konzertes sorgten, wenn nicht gerade applaudiert wurde, für genießerische Stille. Das Niehusmann-Gitarren-Duo präsentierte sich hier mit Spielfreude und überzeugender Kompetenz.
Im zweiten Teil des Konzertes sorgten neben der Gaugin gewidmeten hauseigenen Komposition besonders Fernando Carullis Serenade für zwei Gitarren und Maximo Diego Pujols Tangovariationen für andächtiges Zuhören. Während die Sonnenstrahlen des letzten Augusttages langsam verschwanden, erklangen die Noten des Argentiniers, die in ihrer Kompositionsweise das Werk des sicher bekannteren Piazolla mit seiner auf dem Tango basierenden Musik reflektierten.
Die nach diesem tollen Abschlusskonzert der Sythener Gitarrentage, mit denen die Kulturstiftung Masthoff auf eine erfolgreiche Saison zurückblicken kann, obligatorische Zugabe sorgte dann noch einmal für Belustigung und Staunen: Auf nur einer Gitarre spielte das Duo hintereinander sitzend ein vierstimmiges Stück mit unglaublicher Koordinationsfähigkeit. So sorgten die beiden Folkwang-Gitarristen unterstützt von der Hitze dieses spätsommerlichen Abends für viel südliches Flair und Begeisterung im Konzertsaal des Schlosses.
Daniel Schlichter
Duetto Giocondo
Catarina Lichtenberg (Mandoline) und Mirko Schrader (Gitarre) eröffneten 2008 die Sythener Gitarrentage als Duetto Giocondo mit dem spannenden Programm „Barock trifft American Music“ mit einem umjubelten Konzert auf höchstem Niveau.
© Ruhr Nachrichten, 11. August 2008
Doppeltes Rendezvous
Caterina Lichtenberg und Mirko Schrader eröffnen die "Sythener Gitarrentage"
Ein Rendezvous im doppelten Sinne ereignete sich am gestrigen Abend auf Schloss Sythen. Die Mandoline flirtete hingebungsvoll mit der Gitarre. Aber auch zwei Epochen, zwischen denen eigentlich ein tiefer zeitlicher Graben liegt, verflossen ineinander. Barocke Klänge trafen im Sythener Schloss auf zeitgenössische amerikanische Komponisten wie Will Ayton oder Brian Head. Mit dieser ungewöhnlichen, aber auch spannungsvollen Konzeption eröffnete Dr. Horstfried Masthoff seine neue Konzertreihe, die Sythener Gitarrentage. Bewußt legte er das Konzert in den Saal im Torhaus des Schlosses, es war somit bei neunzig Besuchern bereits ausverkauft.
In der verhältnismäßig kleinen Räumlichkeit rückten die Zuhörer nahe an die Künstler und konnten denen beim Zupfen der Saiten im wahrsten Sinne auf die Finger schauen. Ein Konzert für Auge und Ohr also. Die beiden, die dort vorne saßen, haben sich aber auch in großen Sälen der Welt einen Namen gemacht. Professorin Caterina Lichtenberg hat in Köln den europaweit einzigen Lehrstuhl für Mandoline inne. Mirko Schrader ist Preisträger diverser internationaler Gitarrenwettbewerbe. Im Studium lernten sich die beiden kennen und bewiesen gestern ihre jahrelang erprobte musikalische Harmonie. Allerdings gab es auch zwei Soli, in denen sie ihr individuelles Können demonstrierten.
Die beiden Konzerthälften gliederten sich jeweils in einen Barock-Teil und einen neuzeitlichen Teil, welche die Musiker auch mit unterschiedlichen Instrumenten bestritten. Die Sonata G-Dur zupfte Lichtenberg mit dem Federkiel einer Möwe und es schien, als würde jede einzelne Saitenberührung im Ohr widerhallen. Minuten später huschte sie dann voller Hast und doch präzise über ihr Instrument und die Musik wurde zum rauschenden Fluss.
Die amerikanischen Passagen klangen nicht nur anders, sondern schienen auch komplexere Stimmungsmuster zu weben. Da gab es Verträumtheit im Stil von „Simon and Garfunkel“, aber auch ein emotionales Drama, dessen Ende wie ein ausgelassener Stepptanz klang. Einige Passagen erinnerten an moderne Balladen.
Während und nach dem Konzert hatte Pfeiffers Sythener Flora kulinarische Delikatessen für die Gäste vorbereitet.
Leonid Sirotin
© Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 12. August 2008
„Duetto Giocondo“ verzaubert
Kulturstiftung Masthoff etabliert Gitarrentage im Sythener Schloß. Zum Hörgenuß gesellen sich kulinarische Köstlichkeiten. Künstler verwischen Grenzen zwischen klassischer und populärer Musik.
Mandoline und Gitarre – mit dieser ungewöhnlichen Kombination von Instrumenten begeisterte das „Duetto Giocondo“ das Publikum beim Start der „Sythener Gitarrentage“.
Im Sommer 2007 hatte die veranstaltende KulturStiftung Masthoff erstmals zu einem Gitarrenkonzert in das besondere Ambiente des Schlosses Sythen geladen. Mit so guter Resonanz, daß Eva und und Dr. Horstfried Masthoff die Gitarrentage ins Leben riefen, die zu einer dauerhaften Einrichtung werden sollen.
Nach dem Auftakt ist auch nur zu wünschen, daß das gelingt. Denn der Auftritt von Caterina Lichtenberg (Mandoline) und Mirko Schrader (Gitarre) erwies sich als ein ganz besonderer Leckerbissen. Unter dem Titel „Barock trifft American Music“ hatten die hochkarätigen Musiker ein Programm zusammengestellt, das unterschiedlichste Klangwellen hervorbrachte, immer auf höchstem Niveau.
Das begann mit zwei barocken Sonaten, bei denen Lichtenberg auf einer historischen Mandoline mit Darmsaiten spielte und von Schrader auf der Laute begleitet wurde. Schon schnell beeindruckte dabei vor allem Caterina Lichtenberg mit ihrer technischen Brillanz und Virtuosität.
Nach dem Auftakt tauschten sie die historischen gegen moderne Instrumente und bewegten sich souverän durch die Epochen und Stile. Dabei verwischten die Grenzen zwischen „klassischer“ und „populärer“ Musik, denn die Einflüsse von Jazz, Blues und Folk waren deutlich hörbar. Erstaunlich auch die Klangfülle und Stimmungen, die Caterina Lichtenberg der Mandoline entlockte: romantische Träumereien, feurige Rhythmen, impressionistische Klanggemälde. Das Publikum war deutlich sichtbar und hörbar begeistert.
Doch auch den Musikern schien es an diesem Abend richtig Spaß zu machen. Nicht nur, daß sie die Erläuterungen zu ihrem Programm in immer lockerer werdenden Ton vortrugen, sie gaben gleich zwei Zugaben, in denen ihre Spielfreude noch einmal so richtig zum Tragen kam.
Zum Konzept der Gitarrentage gehört auch der kulinarische Genuß: In der Pause und nach dem Programm bewirten Matthias Pfeiffer (Pfeiffers Sythener Flora) und sein Team die Gäste mit raffinierten Gerichten. Die besondere Atmosphäre von Schloß und Park bildet einen Rahmen, der den kulinarischen und kulturellen Genuß noch steigert.
Hubert Lohrmann
2007
Weißgerber Gitarrenduo
Mit dem Konzert von Katrin Simon und Susanne Hilker als "Weißgerber Gitarrenduo" im August 2007 wurden die Sythener Gitarrentage aus der Taufe gehoben. Die beiden passionierten Musikerinnen loteten mit einem erlesenen Programm die Klanghorizonte ihrer einzigartigen Instrumente aus, die berühmt sind für ihren edlen und kantablen Klang. Dabei spannten sie einen Bogen über drei Jahrhunderte von Vivaldi bis de Falla. In bezaubernder Bühnenpräsenz verzauberten die beiden Gitarristinnen ihre Zuhörer durch ihr perfektes Zusammenspiel. Sie faszinierten durch eine exzellente Virtuosität und machten so jedes einzelne Stück zu einer Kostbarkeit. Mit kulinarischen Kostbarkeiten ergänzte das Hotel „Sythener Flora“ das Musikerlebnis auf das Köstlichste.
© Ruhr Nachrichten, 21. August 2007
Klanggewalt fesselte Publikum
Haben Sie schon einmal den Klang einer echten Weißgerber-Gitarre gehört? Am Sonntag im Schloss Sythen bot sich die Gelegenheit diesem seltenen, aber wundervollen Klangerlebnis zu fröhnen.
Die Gäste konnten auf Einladung der Kulturstiftung Masthoff mit dem Weißgerber Gitarrenduo Katrin Simon und Susanne Hilker auf Zeitreise durch drei Jahrhunderte Gitarrenmusik gehen. So einzigartig wie das Klangbild der Gitarren war auch das Spiel der Frauen: virtuos, lebendig, voller Gefühl. Schon Vivaldis Konzert in D-Dur legte sich mit wundervoll ausgespielten Vibrati wie ein Seidentuch auf die Ohren des gebannt lauschenden Publikums. Die Klangreinheit der Gitarren erschloss sich mit jedem Takt, jeder gespielten Note.
Boccherinis berühmtes Fandango erklang zart und doch immer voller Energie. Angenehm weiche Arpeggios wurden von kräftigen Akkorden abgelöst, die ergriffen machten. Johann Kaspar Mertz' "Am Grabe der Geliebten" umfasste die Zuhörer sanft und ergriff doch mit aller Klanggewalt. Katrin Simon und Susanne Hilker meisterten das anspruchsvolle Stück mit großer Virtuosität und Leidenschaft. Zusammengefunden haben sie über ihre Gitarrenausbildung an der Folkwanghochschule Essen. Über Katrin Simons Kontakt zur Familie des Weißgerber-Gitarrenbaumeisters Richard Jacob aus Markneukirchen erwarben sie zwei originale Torresmodelle aus den späten 20-er Jahren und damit das exklusive Recht, sich "Weißgerber Gitarrenduo" zu nennen.
Mit dem "Tanz des Müllers" des spanischen Komponisten Manuel María de Falla endete das Programm des Duos mit einer Menge südländischem Temperament und Spielfreude. Aber selbstverständlich konnte das faszinierte Publikum sich an diesem erstklassigen Musikerlebnis nicht satt hören und forderte noch einige Zugaben ein.
Daniel Schlichter
© Stadtspiegel Haltern, 29. August 2007
Beifall für Harmonie in Perfektion
"Weißgerber Gitarrenduo" überzeugt im Schloss - Kulturstiftung hat glückliche Hand
Ein Blick, ein Lächeln, ein Zunicken: ohne Worte verstehen sich die Gitarristinnen Susanne Hilker und Katrin Simon. Diese Harmonie ist ihrer Musik anzuhören. Das Konzert der Künstlerinnen im Schloss Sythen rief beim Publikum Begeisterung hervor.
Mit diesem ersten Schlosskonzert erweiterten die Eheleute Dr. Horstfried und Eva Masthoff wieder einmal das Repertoire ihrer Kulturstiftung - und bewiesen wieder einmal eine glückliche Hand. In aller erster Linie gilt das natürlich für die Auswahl der Musikerinnen. Als "Weißgerber Gitarrenduo" treten sie auf, benannt nach den Instrumenten, auf denen sie spielen. Die Gitarren aus dem Vogtland, gebaut 1927 (Hilker) und 1929 (Sirnon), sind bekannt für ihren eher leisen, aber sehr klaren Klang, der besonders melodisch wirkt.
Vor allem in den Liedern und liedähnlichen Teilen des Programms kam der so sehr zum Tragen, dass er spontane Publikumsäußerungen mit der Essenz: "Schön!" hervorlockte. Neben fließenden Melodielinien ließen die Musikerinnen aber auch immer wieder rhythmus betonte, tänzerische (Flamenco und Fandango) Passagen hören. Melancholie und Lebensfreude, Nachdenklichkeit und Unbeschwertheit: zwischen diesen Polen bewegten sich die Höreindrücke. So wie das Leben? "La vie breve", das kurze Leben, hieß das letzte Stück vor den Zugaben (Komponist: Manuel Falla), und vielleicht steckte darin ja so etwas wie eine Essenz des Programms. Eine glückliche Hand bewiesen die Veranstalter auch mit der Auswahl des Ortes. Ein voller, aber nicht überfüllter Raum im Torhaus, in den die milde Abendsonne hineinschien. An der Wand hinter den Musikerinnen eine Zeichnung des italienischen Dorfes Dolcedo, in dem sie Ende September auftreten werden. Beim Blick nach draußen bewegen sich Äste im leichten Wind: die Ahnung eines Spätsommers in südlichen Gefilden. Nach der Pause, in der bereits erste Leckereien aus dem Restaurant "Pfeiffer's Sythener Flora" im Innenhof angeboten wurden, kam zwischenzeitlich noch ein bemerkenswerter akustischer Eindruck hinzu: vor allem das von den Musikerinnen selbst. arrangierte und umgeschriebene Allegro aus dem Italienischen Konzert von Johann Sebastian Bach wurde vom Tschilpen eines Vogels begleitet. Alles andere als störend, sondern eher als Ergänzung war das zu empfinden.
Nach dem Konzert luden weitere Gaumenfreuden aus der Sythener Flora zum Verweilen ein. Mit diesem Konzept möchte das Ehepaar Masthoff das Publikum einladen, ins Gespräch miteinander und mit den Musikern zu kommen, nach dem Motto: Musik verbindet. Die nächsten Gelegenheiten dazu wird es im Schloss Sythen am 10. und 31. August nächsten Jahres geben, wenn die Reihe nach diesem erfolgreichen Start fortgesetzt wird. Und wie wurde bereits im Publikum geraunt: "Frühzeitig Karten besorgen! Ist bestimmt schnell ausverkauft!"
Hubert Lohrmann
Seine Konzerterlebnisse im Schloss Sythen
faßte der Lyriker Paul Vogel in diese Verszeilen:
hinter zitterndem
espenlaub
ziehn im blau
des mittagslichts
unter lautenklängen
der „Jungen Drei“
weiße wolken-
lämmer
vorbei
wieder einmal eingekehrt
im alten schloss
die saiten-tänzer
heiter und mit bedacht
hell zart und schnell
manchmal auch fordernd
stürmisch und wild
fliegen ihre finger
über die sprechenden drähte
tanzen und hüpfen die töne
wie vögel leicht
schwirren libellen gleich
flüchtig und schillernd
zaubern mir
ein traumreich herbei
und schleichen sich
direkt in mein herz
Jorge Caballero
(Gitarrenkonzert im Schloss Sythen)
war das ein tönerausch
ein wilder saitentanz
trommelwirbel
und hufegetrappel
das seinem namen
alle ehre macht
gehört die tollheiten
von kindern auf dem spielplatz
den tanz der
ungeborenen küken im ei
verzaubert von der atem-
benehmenden fingerfertigkeit
eines begnadeten künstlers
einmalig auf der welt
und wenn du genau hingehört hast
das raunen von zwergen
und das zarte wispern
des windes im espenbaum